Eines Tages kam der Berufsberater vom Arbeitsamt [1] ins Gumminasium [2]
Pfarrkirchen, uns, die wir vor dem Abitur standen, arbeitszuberaten. Der
Berater schlug meine Akte auf und meinte, ich müßte unbedingt Jurist werden. Jurist
war nun das letzte, was mir zuvor je in den Sinn gekommen war. Straßenkehrer
vielleicht, aber Jurist?
Der Berater meinte, in mir vereinigten sich ein brillanter
logischer Verstand (na ja, eine 2 in Mathe ist so berauschend auch wieder
nicht) und eine enorme rhetorische Begabung (eine 2 in Deutsch, das ist
Standard, keine Begabung). Ich als Rächzanwalt - die Staazanwälte würden sich vor
Schreck bekreuzigen, hörten sie nur meinen Namen.
Ich mein, als junger Mensch hört man dergleichen Komplimente
gerne, aber so verrückt war ich selbst damals nicht, daß ich mich für Jura
eingeschrieben hätte. Es war vielleicht
ein Fehler. Als Rechtsanwalt hätte ich zum Rächer der Enterbten werden können.
Andererseits hätte ich womöglich aus Versehen ein
Einser-Examen gemacht, wäre in den Staatsdienst aufgenommen worden,
Staatsanwalt, später Richter geworden. Dann wäre ich das gewesen, was ich nie - mals sein wollte: Einer, der
andere be- und aburteilt.
Ich aber war schlau, ich hab ein bisserl Physik und dann
richtig ernsthaft Psychologie studiert. Also mit Diplom, mit Jodeldiplom, damit
ich was habe, wenn die Kinder, die ich damals
noch gar nicht hatte, aus dem Haus sind.
Was macht das Schicksal mit mir, die Matz? Das Schicksal,
die Matz macht mich arbeitslos und so verzweifelt, daß ich nach jedem Strohhalm
greife. Der Strohhalm war eine freiberufliche Tätigkeit [3]
als MPU-Gutachter. Als MPU-Gutachter mußt du Leute, die sich um die
Führerscheinwiedererteilung bemühen, beurteilen. Kriegen die ihren Führerschein
wieder oder eher lieber doch nicht?
Das heißt, du kommst in dieselbe anmaßende Situation wie ein
Richter, du urteilst über andere Leute, mit schwerwiegenden Folgen für diese.
Genau das, was du nie - mals machen
wolltest.
Kann das sein, daß der Liebe Gott sich über uns lustig
macht? Wann immer wir uns auf einen Tee treffen, streitet er dies zwar ab, aber
ich glaub's ihm nicht. Nach dem vierten doppelten Cognac beschimpfe ich ihn
auf's Wüsteste, er aber verträgt Alkohol, das glaubst du nicht, und lächelt nur
milde.
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