Herr Plischke aus Hannover machte Urlaub im
Bayerischen Wald. Er nahm Quartier in der Pension "Pirzer" in Zwiesel,
wo er es sehr behaglich und ganz seinen Wünschen entsprechend fand.
Sein Wirt, ein großes, dickes, rosafarbenes Schwein mit schwarzem Hut
erwies sich als überaus freundlich und zuvorkommend. Sowohl bei den
Einheimischen als auch bei den Feriengästen war er bekannt und beliebt.
"Guten Tag, Herr Pirzer", riefen ihm fröhlich die Fremden zu, mit einem lockeren "Servus, Eberhard", wurde er von den Ortsansässigen begrüßt, die mit ihm auf vertrauterem Fuße standen.
Bald schon wurde Herr Plischke gewahr, daß jeder, wirklich jeder, der es mit Eberhard Pirzer zu tun bekam, diesen nicht nur begrüßte, sondern ihn auch mit seinem Namen anredete.
"Unser Wirt scheint hier im Ort eine bekannte Persönlichkeit zu tun," sagte er sich und sagte es tags darauf auch dem Postboten, der ihm Grüße von den Lieben daheim brachte.
"Ja, da ham's recht", bestätigte ihm der Postbote. "Unseren Eberhard kennt jeder."
"Beachtlich", sagte Herr Plischke, "wenn man bedenkt, daß Zwiesel eine gar so kleine Kleinstadt gar nicht ist."
"Schon richtig. Bloß: Unseren Eberhard, den kennt jeder. Net nur in Zwiesel."
"Auch im Umkreis?"
"Da sowieso. Ich mein: Überall."
Da aber der Postbote an diesem Nachmittag eine wichtige Verabredung mit einer gewissen Christiane hatte, zu welcher er keinesfalls zu spät kommen wollte, hatte er sich schon grüßend aufs Rad geschwungen, noch ehe ihn Herr Plischke fragen konnte, was er mit dem etwas sehr allgemeinen Wort "überall" nun genau gemeint hatte.
Am selben Nachmittage noch, just zu jener Stunde, da der Postbote krähend und aufgeplustert um seine Christiane gockelte, beobachtete Herr Plischke vom Kaffeetische aus, wie ein Reisebus aus Belgien vor der Pension "Pirzer" anhielt, und seine Insassen in den benachbarten "Zwieseler Hof" strömten. Jeder, buchstäblich jeder der belgischen Feriengäste winkte dem vor seinem Anwesen stehenden Schweine freundlich zu und begrüßte den - je nach Herkunft der Gäste - "Monsieur" oder "Mijnheer" Pirzer herzlich und namentlich.
Dies nun wollte dem mißtrauischen Herrn Plischke aus Hannover gar nicht recht einleuchten und er blickte sich unauffällig, aber gründlich um, ob er nicht irgendwo eine versteckte Kamera entdecken könne.
Da er es nicht konnte, sprach er seinen Pensionswirt direkt an.
"Freilich", meinte dieser, "es ist schon so. Wissen Sie, ich bin weit herumgekommen in der Welt. Ich kenne die Welt und die Welt kennt mich."
"Na ja, schon, aber keiner wird von jedem erkannt."
"Ja", meinte Herr Pirzer versonnen, "die Steppen Asiens sind groß und der Dschungel Brasiliens weitläufig. Vielleicht kennt mich wirklich nicht jeder."
Diese vorgeblich bescheidene Bemerkung machte den sonst so umgänglichen Herrn Plischke zornig, da sie ihm eingebildet dünkte.
Da Herr Plischke diese Bemerkung nicht einfach hinzunehmen gedachte, lud er seinen freundlichen, aber stolzen Pensionswirt für den Herbst zu einer Pilgerfahrt nach Rom ein.
Als der Herbst gekommen und die Pension "Pirzer" geschlossen war, stiegen Herr Plischke und Herr Pirzer in den Zug, der sie nach einigem Umsteigen nach Rom bringen sollte.
Mit einem gutgelaunten "Servus, Eberhard" zwickte ihnen der Schaffner im Zug nach München die Fahrkarten und ließ sich von dem großen, dicken, rosafarbenen Schwein mit schwarzem Hut Ziel und Zweck der Reise erläutern.
Als sie in München in den Fernzug nach Rom umstiegen, hörte Herr Plischke eilige Fahrgäste, schlendernde Passanten und müßige Herumsteher ihr "Guten Tag, Herr Pirzer" oder "Servus, Eberhard" rufen.
Daß sowohl der Schaffner als auch die Fahrgäste im Abteil das Zwieseler Schwein mit Namen anredeten, versteht sich inzwischen fast von selbst.
Sie fuhren über den Brenner, wo ihnen der italienische Schaffner mit einem herzlichen "Buon giorno, Signor Pirzer" die Fahrkarten zurückgab.
So richtig blaß aber wurde Herr Plischke auf der Stazione Termini in Rom, wo wahre Rudel wildfremder Italiener an ihnen vorbeiströmten, nicht ohne seinen Begleiter herzlich zu grüßen. "Buon giorno, Signor Pirzer", sagten die gediegeneren Römer mit Anzug und Krawatte, während es die etwas salopperen Typen bei einem "Ciao, Everardo" bewenden ließen.
Ein Taxifahrer, der während der ganzen Fahrt mit Eberhard Pirzer über dessen und seine Kinder plauderte und vergangener, gemeinsamer Tage gedachte, brachte sie durch das römische Verkehrsgewühl zum Petersplatz, auf dem sich eine große Menschenmenge in Erwartung des Heiligen Vaters eingefunden hatte.
"Wenn Sie mich bitte einige Minuten entschuldigen wollen", wandte sich Eberhard Pirzer an Herrn Plischke, nachdem er die vielen Begrüßungen der Umstehenden in mancherlei Sprachen erwidert hatte. "Ich möchte die Gelegenheit nutzen und einen alten Kumpel von mir besuchen."
Herrn Plischke, dessen Nerven inzwischen so angespannt waren wie seine Beine schwammig, war es recht. Erschöpft nahm er auf einem der herumstehenden Stühle Platz, den man ihm angesichts seines blassen, schweißnassen Gesichtes angeboten hatte.
Sinnend saß er da und konnte es über allem Sinnen doch nicht fassen. Ein Schwein, ein ganz normales großes und dickes, rosafarbenes Schwein mit schwarzem Hut war anscheinend jedermann bekannt. Ein kleiner Gastwirt aus dem Bayerischen Wald schien populärer als der populärste Rockstar.
Das Raunen der Menge riß Herrn Plischke von seinen trüben Gedanken los.
Er blickte hoch und sah, was alle in diesem Moment sahen. Auf dem Balkon, hoch über der Menschenmenge, war der Papst erschienen, eingehüllt in eine Wolke von Kardinalspurpur.
Neben dem Papst aber, diesen unauffällig stützend, stand... Herrn Plischkes Zähne begannen wie im wilden Fieber zu klappern.
Neben dem Papst erkannte Herr Plischke seinen rosafarbenen Reisebegleiter.
"Sie, Herr Nachbar", wandte sich einer, der ersichtlich und hörbar aus Bayern kam, ratsuchend an Herrn Plischke, "sagn's amal: Wer is'n eigentlich der Typ neben dem Eberhard?"
Herr Plischke ließ sich an dieser Stelle in eine wohltuende Ohnmacht fallen.
"Guten Tag, Herr Pirzer", riefen ihm fröhlich die Fremden zu, mit einem lockeren "Servus, Eberhard", wurde er von den Ortsansässigen begrüßt, die mit ihm auf vertrauterem Fuße standen.
Bald schon wurde Herr Plischke gewahr, daß jeder, wirklich jeder, der es mit Eberhard Pirzer zu tun bekam, diesen nicht nur begrüßte, sondern ihn auch mit seinem Namen anredete.
"Unser Wirt scheint hier im Ort eine bekannte Persönlichkeit zu tun," sagte er sich und sagte es tags darauf auch dem Postboten, der ihm Grüße von den Lieben daheim brachte.
"Ja, da ham's recht", bestätigte ihm der Postbote. "Unseren Eberhard kennt jeder."
"Beachtlich", sagte Herr Plischke, "wenn man bedenkt, daß Zwiesel eine gar so kleine Kleinstadt gar nicht ist."
"Schon richtig. Bloß: Unseren Eberhard, den kennt jeder. Net nur in Zwiesel."
"Auch im Umkreis?"
"Da sowieso. Ich mein: Überall."
Da aber der Postbote an diesem Nachmittag eine wichtige Verabredung mit einer gewissen Christiane hatte, zu welcher er keinesfalls zu spät kommen wollte, hatte er sich schon grüßend aufs Rad geschwungen, noch ehe ihn Herr Plischke fragen konnte, was er mit dem etwas sehr allgemeinen Wort "überall" nun genau gemeint hatte.
Am selben Nachmittage noch, just zu jener Stunde, da der Postbote krähend und aufgeplustert um seine Christiane gockelte, beobachtete Herr Plischke vom Kaffeetische aus, wie ein Reisebus aus Belgien vor der Pension "Pirzer" anhielt, und seine Insassen in den benachbarten "Zwieseler Hof" strömten. Jeder, buchstäblich jeder der belgischen Feriengäste winkte dem vor seinem Anwesen stehenden Schweine freundlich zu und begrüßte den - je nach Herkunft der Gäste - "Monsieur" oder "Mijnheer" Pirzer herzlich und namentlich.
Dies nun wollte dem mißtrauischen Herrn Plischke aus Hannover gar nicht recht einleuchten und er blickte sich unauffällig, aber gründlich um, ob er nicht irgendwo eine versteckte Kamera entdecken könne.
Da er es nicht konnte, sprach er seinen Pensionswirt direkt an.
"Freilich", meinte dieser, "es ist schon so. Wissen Sie, ich bin weit herumgekommen in der Welt. Ich kenne die Welt und die Welt kennt mich."
"Na ja, schon, aber keiner wird von jedem erkannt."
"Ja", meinte Herr Pirzer versonnen, "die Steppen Asiens sind groß und der Dschungel Brasiliens weitläufig. Vielleicht kennt mich wirklich nicht jeder."
Diese vorgeblich bescheidene Bemerkung machte den sonst so umgänglichen Herrn Plischke zornig, da sie ihm eingebildet dünkte.
Da Herr Plischke diese Bemerkung nicht einfach hinzunehmen gedachte, lud er seinen freundlichen, aber stolzen Pensionswirt für den Herbst zu einer Pilgerfahrt nach Rom ein.
Als der Herbst gekommen und die Pension "Pirzer" geschlossen war, stiegen Herr Plischke und Herr Pirzer in den Zug, der sie nach einigem Umsteigen nach Rom bringen sollte.
Mit einem gutgelaunten "Servus, Eberhard" zwickte ihnen der Schaffner im Zug nach München die Fahrkarten und ließ sich von dem großen, dicken, rosafarbenen Schwein mit schwarzem Hut Ziel und Zweck der Reise erläutern.
Als sie in München in den Fernzug nach Rom umstiegen, hörte Herr Plischke eilige Fahrgäste, schlendernde Passanten und müßige Herumsteher ihr "Guten Tag, Herr Pirzer" oder "Servus, Eberhard" rufen.
Daß sowohl der Schaffner als auch die Fahrgäste im Abteil das Zwieseler Schwein mit Namen anredeten, versteht sich inzwischen fast von selbst.
Sie fuhren über den Brenner, wo ihnen der italienische Schaffner mit einem herzlichen "Buon giorno, Signor Pirzer" die Fahrkarten zurückgab.
So richtig blaß aber wurde Herr Plischke auf der Stazione Termini in Rom, wo wahre Rudel wildfremder Italiener an ihnen vorbeiströmten, nicht ohne seinen Begleiter herzlich zu grüßen. "Buon giorno, Signor Pirzer", sagten die gediegeneren Römer mit Anzug und Krawatte, während es die etwas salopperen Typen bei einem "Ciao, Everardo" bewenden ließen.
Ein Taxifahrer, der während der ganzen Fahrt mit Eberhard Pirzer über dessen und seine Kinder plauderte und vergangener, gemeinsamer Tage gedachte, brachte sie durch das römische Verkehrsgewühl zum Petersplatz, auf dem sich eine große Menschenmenge in Erwartung des Heiligen Vaters eingefunden hatte.
"Wenn Sie mich bitte einige Minuten entschuldigen wollen", wandte sich Eberhard Pirzer an Herrn Plischke, nachdem er die vielen Begrüßungen der Umstehenden in mancherlei Sprachen erwidert hatte. "Ich möchte die Gelegenheit nutzen und einen alten Kumpel von mir besuchen."
Herrn Plischke, dessen Nerven inzwischen so angespannt waren wie seine Beine schwammig, war es recht. Erschöpft nahm er auf einem der herumstehenden Stühle Platz, den man ihm angesichts seines blassen, schweißnassen Gesichtes angeboten hatte.
Sinnend saß er da und konnte es über allem Sinnen doch nicht fassen. Ein Schwein, ein ganz normales großes und dickes, rosafarbenes Schwein mit schwarzem Hut war anscheinend jedermann bekannt. Ein kleiner Gastwirt aus dem Bayerischen Wald schien populärer als der populärste Rockstar.
Das Raunen der Menge riß Herrn Plischke von seinen trüben Gedanken los.
Er blickte hoch und sah, was alle in diesem Moment sahen. Auf dem Balkon, hoch über der Menschenmenge, war der Papst erschienen, eingehüllt in eine Wolke von Kardinalspurpur.
Neben dem Papst aber, diesen unauffällig stützend, stand... Herrn Plischkes Zähne begannen wie im wilden Fieber zu klappern.
Neben dem Papst erkannte Herr Plischke seinen rosafarbenen Reisebegleiter.
"Sie, Herr Nachbar", wandte sich einer, der ersichtlich und hörbar aus Bayern kam, ratsuchend an Herrn Plischke, "sagn's amal: Wer is'n eigentlich der Typ neben dem Eberhard?"
Herr Plischke ließ sich an dieser Stelle in eine wohltuende Ohnmacht fallen.
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