Wenn du heute das Kloster besuchst, dann findest du eine im Kern mittelalterliche Anlage, die aber in späterer Zeit erweitert und drastisch verändert wurde, so daß heute Renaissance und Barock dominieren. Du gehst durch diese alte Anlage, du bist schon durch viele alte Anlagen gegangen, an dieser aber ist etwas ganz entschieden merkwürdig. So merkwürdig, daß du es zunächst gar nicht genau bestimmten kannst, du hast nur das merkwürdige Gefühl, daß etwas überhaupt nicht stimmt, obwohl alles ganz wunderbar aussieht.
Und irgendwann, wie immer dann, wenn du an was anderes denkst, kommst du drauf: Dieser alten Klosteranlage fehlt die Patina, sie sieht rundum und in jedem Detail nagelneu aus.
Und genau das stimmt. Das alte Kloster ist nagelneu.
1944 ist die gesamte Anlage durch einen alliierten Bombenangriff innerhalb von drei Stunden völlig vernichtet worden.
Das wodurch du wandelst, ist eine zeitgenössische Rekonstruktion nach alten Plänen und Fotos. Nicht in dem Zustand, wie das Kloster irgendwann im Mittelalter ausgesehen haben mag, sondern auf dem status quo ante kurz vor der Zerstörung.
Auf dem Weg hinauf siehst du immer wieder Hinweisschilder auf verschiedene Soldatenfriedhöfe, einen amerikanischen, britischen, polnischen Soldatenfriedhof.
Der Tod, sagt man, mache alle gleich. Mag sein. Auf den Soldatenfriedhöfen von Monte Cassino jedenfalls hat man sich die Mühe gemacht, die toten Soldaten fein säuberlich nach Nationen auseinanderzusortieren. Noch nicht mal die damals verbündeten Soldaten hat man in einen gemeinsamen Friedhof gelegt.
Wenn du mal Gelegenheit dazu hast, solltest du dir das Kloster live anschauen, es ist wirklich beeindruckend. Und die fehlende Patina ist absolut gespenstisch.
Und wenn du schon in der Gegend bist, empfehle ich dir, 200 bis 300 km weiter südlich zu fahren, in den Cilento. Dort findest du den Monte Gelbison oder Monte Sacro. Auf dem Gipfel, über 1700 m hoch, liegt ebenfalls ein Kloster, ziemlich groß, wenn auch bei weitem nicht so riesig wie Monte Cassino.
Auch hier hatte ich ein ganz merkwürdiges Erlebnis. Wir waren dort am späten Nachmittag gewesen, kurz vor dem Einbruch der Nacht. Von den Mönchen oder von sonstigen Bewohnern des Klosters war nichts zu sehen, nichts zu hören, noch sonst irgendeine Spur ihrer Anwesenheit auszumachen. Das ganze Gelände war derart peinlich sauber geputzt, kein herumliegendes Papier, kein Laub, kein Staub (diese Art von Sauberkeit findest du häufig in Apulien, in Kampanien aber so gut wie nie). Es hat auf uns gewirkt wie eine Kulisse aus einem Computerspiel, absolut unwirklich. Und das umgeben von einer sehr wilden, fast ursprünglich wirkenden Hochgebirgs-Naturlandschaft.
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(1) Historiker - und zwar Benediktinermönche - haben inzwischen heftige Zweifel daran angemeldet, daß es einen Benedikt von Nursia je gegeben hat. Sie halten diese Figur für eine Fiktion aus späterer Zeit.
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