Als Jürgen Habermas
vom "herrschaftsfreien Diskurs" träumte (ich glaube, es war in den
Sechzigern), war es wirklich nicht mehr als ein Traum. "Herrschaftsfreier
Diskurs" hieß, daß du diskutieren kannst und kein A-loch [1] hat die Möglichkeit, dir den Saft abzudrehen.
Okay, am Stammtisch beim Unterwirt konntest du damals schon ziemlich
unbehelligt sagen, was du meinst. Zumindest solange, bis der Wirt
"Sperrstunde" rief. Aber sonst? Du konntest einen Leserbrief an die
Zeitung schreiben, gewiß, doch ob der je gedruckt werden würde, wußten einzig Gott,
der Henker und die Redaktion.
Dann kam das Internet
und man dachte, jetzt wäre jeder sein eigener Axel Caesar Springer, jetzt könne
jeder seine Meinung der Mit- und Nachwelt hinterlassen. Aber wenn dich in
deinem Blog nur 3 Leute zur Kenntnis nehmen ist das eher wenig, an guten Tagen
hattest du früher beim "Unterwirt" mehr Publikum.
Und dann kann dich
natürlich jeder, wo 1 Sörwer hat, jederzeit auch wieder von diesem Sörwer
runterschmeißen, dann schaust du blöd. Das heißt, du bist im Internet so
ziemlich genau das arme, machtlose Schwein, das du zuvor als Abonnent der
Heimatzeitung gewesen bist.
Einen Vorteil aber hat
das Internet, nämlich für die, wo einen Server haben oder über die Server
anderer gebieten können.
1948 hat George Orwell
den Roman "1984" veröffentlicht, einen Roman über eine Zukunft, die
uns inzwischen längst Vergangenheit geworden ist. Und es ist alles noch viel
schlimmer gekommen, als es Orwell einst erdüstert hat.
Wie auch immer... Im
Roman gibt es eine Riesenabteilung im Wahrheitsministerium, die sich ausschließlich
damit beschäftigt, alte Dokumente und Zeitungen der jeweiligen aktuellen politischen
Lage anzupassen. Aus propagandistischen Gründen tut man so, als sei die jetzige
Situation immer schon so gewesen.
Damals mußte man (bei Orwell) Unmengen von Zeitungen und
Büchern anpassen und dann neu drucken und in die Archive geben, um die
Vergangenheit der Gegenwart anzupassen. Mit den elektronischen Medien wurde das
Geschäft für Geschichtsfälscher deutlich einfacher. Eine elektronische Datei
ist sehr viel einfacher und spurenloser zu verfälschen. Es brechen großartige
Zeiten für Geschichtsfälscher an, genau besehen haben sie bereits begonnen.
[1] Bei uns daheim in Niederbayern hat man im Wirtshaus öfter mal das Lied
gesungen: "Mach's A-Loch zu, mach's
B-Loch zu, mach's A-Loch, B-Loch auf und zu." Gemeint waren damit die
Tonlöcher der Klarinette. Und es waren die Sudetendeutschen, die das Lied sangen,
nicht die 1-Heimischen.
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