Dann kam der Ruf nach politisch korrekteren Neubenennungen
über den Großen Teich zu uns. Die bringen uns häufig in die semantische Bredouille.
Früher hat man "Neger" gesagt und gut war. Heute hast du
Afroamerikaner vor dir, Schwarzafrikaner, Afro-Österreicher, Afro-Schweden (Martin
Dahlin etwa, der ehemalige schwedische Fußballnationalspieler, eine Art
früher Alaba).
Natürlich hast du, wenn plötzlich ein Neger vor dir
auftaucht, nicht die leiseste Ahnung, welcher Nationalität er ist. Und dann
sollst du eine Aussage vor der Polizei machen...
"Wissns, Herr Inspekta..." - Inspekta gibt's
kaan."... Ach, du Hl. Scheiße, jetzt hast du noch das zusätzliche Problem
vor dir, wie man einen österreichischen Kriminalhauptkommissar (im Volksmund
"Kottan" genannt) korrekt anredet. Wer zu Zeiten von Oberinspektor
Marek mit dem Austriakenkrimischauen aufgehört hat, schaut blöd aus der Wäsche.
Wer am Ball geblieben ist, weiß, daß es "Major" heißen muß. (Oder
habts ihr euch schon wieder einen neuen
Schmarrn ausgedacht?)
Zurück zur Aussage: "Wissns, Herr Major, ich seh da
diesen Afro-Steirer vor mir..." - "Er hat 1 gültigen Paß von
Namibia."
Spätestens hier wird jeder leidlich vernünftige Mensch die
Aussage verweigern und sich auf ein verstocktes
"Leckts-mich-doch-alle-am-Oasch"-Gefühl zurückziehen.
Zigeuner war früher eine klare Ansage, während du heute
rätselst, ob der Typ, der ausschaut wie ein Zigeuner ein Sinto ist oder ein Rom
(oder Michel
Friedman).
Dabei nützt die Schönflöterei eh nichts, was viel mit der Euphemismus-Tretmühle
zu tun hat.
"Die
Euphemismus-Tretmühle (engl. euphemism
treadmill) ist eine sprachwissenschaftliche Hypothese. Sie besagt, dass
jeder Euphemismus irgendwann die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks
annehmen wird, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändern.
Häufig handelt es sich
bei den betroffenen Ausdrücken um gesellschaftlich relevante und konnotativ
aufgeladene Begriffe. So werden etwa ethnische Minderheiten wiederholt mit
neuen Wörtern benannt, um negative Assoziationen zu vermeiden. (...)
Der Begriff der
„Euphemismus-Tretmühle“ wurde von Steven Pinker eingeführt. Er beobachtete den
Effekt, dass euphemistische Wortneubildungen alle negativen Assoziationen jener
Wörter aufnahmen, die sie ersetzten, also eine Bedeutungsverschlechterung
erlebten. Nach Pinker zeige die Euphemismus-Tretmühle, dass nicht Wörter – wie variable euphemistische Bezeichnungen –, sondern Begriffe im Geist des Menschen primär (vorrangig) seien. Deshalb
bewirkten diese primären Begriffe die Bedeutungsübertragung auf die sekundären (nachrangigen)
Bezeichnungen."
Ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben, ansonsten
würde ich dir eine Wette anbieten: In 15, spätestens 20 Jahren wird "Afro-Deutscher"
(wahlweise auch "Afro-Österreicher") auf der Liste der zu
vermeidenden Unwörter stehen. In den neunziger Jahren wurde der Begriff "Person mit Migrationshintergrund"
geprägt, um als abwertend empfundene Wörter wie "Gastarbeiter",
"Ausländer" etc. pp. zu ersetzen. Mit "Ausländer" meint man
umgangssprachlich ja nicht Österreicher oder Franzosen, sondern Türken, Araber
oder Schwarze, also alle Ausländer, die aus den hochverdächtigen
Scheißhausländern kommen. Früher war die hochverdächtige Himmelsrichtung der
Süden (das fing schon mit Italien südlich von Rom an), heute ist der Osten dazu
gekommen.
Die Nationale Armutskonferenz hat eine Liste
sozialer Unwörter erstellt. Darin taucht 2012 auch das Wort "Person
mit Migrationshintergrund" auf, in einer Reihe mit
"Sozialschmarotzer". Nicht einmal 20 Jahre hat es gedauert, bis aus
dem schönen, manierlichen Ersatzwort für Ausländer seinerseits ein Unwort
geworden ist. Sic transit gloria verbi.
Die Euphemismus-Tretmühle war wieder mal wirksam geworden.
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