Mittwoch, 4. März 2009

Empörung

Die Lebenserfahrung, diese Wissenschaft nach Hausmacher-Art, lehrt die von ihr Befallenen, daß es nicht die gänzlich neuen, für alle völlig überraschenden Nachrichten und Erkenntnisse sind, die aufgeregten Wirbel verursachen, einen richtig schönen Skandal nach sich ziehen.

Verblüffende Neuigkeiten machen uns allenfalls staunen, wirkliche und nachhaltige Empörung hingegen lösen fast ausschließlich jene Tatsachen aus, die jedermann längst bekannt sind, die lediglich von Irgendjemandem irgendwann einmal ausgesprochen werden.

So wie im Kabarett, in der Komödie die Leute am lautesten und nachhaltigsten über jene Witze und Pointen lachen, die sie bereits kennen, bzw. deren Kommen von weitem her absehbar war.
Man denke auch an den Fall eines inzwischen verstorbenen bayerischen Spitzenpolitikers, dessen private und politische Dubiositäten jedermann längst bekannt waren, deren posthume "Enthüllung" dann merkwürdigerweise enormen Wirbel verursachte und dem Enthüller fast eine Anklage wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener einbrachte.

Im Drama "König Ödipus" von Sophokles weiß die Königin Iokaste bereits relativ früh, deutlich früher jedenfalls als Ödipus, wie der Hase läuft, daß also Ödipus niemand anderer als ihr eigener Sohn ist. Sie drängt ihn, mit den Nachforschungen aufzuhören, bleibt aber weiter im Spiel. Erst als Ödipus weitermacht, beharrlich weiter nachbohrt und schließlich die Wahrheit ans Licht bringt, hängt sie sich auf. Nicht die Tatsache, daß sie mit dem eigenen Sohn und Töter seines Vaters, ihres Ex-Gatten, geschlafen und Kinder gezeugt hat, treibt sie um, sondern lediglich die Tatsache, daß die Leute davon erfahren könnten.

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