Die Fotografin Lillian Birnbaum hat über etliche Jahre
hinweg immer mal wieder den Schriftsteller Peter Handke in dessen Haus in der
Nähe von Paris besucht. Bei diesen Gelegenheiten hat sie - so sind's, die
Fotografen - viele Bilder von Handkes Haus gemacht.
Jetzt hat sie einen Bildband über Handkes Haus
herausgebracht, "Peter Handke. Portrait des Dichters in seiner Abwesenheit". In der Wochenzeitung "DER FREITAG" hat Alexander Schimmelbusch, selber Schriftsteller und 36 Jahre
alt, eine Kritik
des... nein, nicht des Buches sondern des Hauses von Peter Handke
geschrieben
Peter Handke lebt, so erfährt man, in einem verfallenen Häuschen zwischen einer Bahnlinie und einer
Landstraße an der Pariser Peripherie. Sobald die Dämmerung über die Vorstadt
fällt, huscht Handke in die nahen Wälder, auf der Suche nach Pilzen, Nüssen, Eicheln,
Ästen, Federn, Schwämmen, Moosen und Flechten, die er in großen Mengen zusammenklaubt,
um sie in seinem Haus zu horten.
Die Fotografien im Buch offenbaren (...) eine beklemmende
Verwahrlosung, als sei der Komposthaufen auf einer Woge aus Weltschmerz in die
Wohnräume hinein geschwappt. Seit Jahren schon hat nach Schimmelbuschs
scharfsinniger Analyse der Dichter nicht
mehr zum Scheuerlappen gegriffen. Nirgends im Haus ist ein Abfalleimer zu
sehen, das Haus selbst ist der Abfalleimer. Es sieht aus wie bei einem auf sich
selbst gestellten Pensionär, dessen Rente zum Erwerb herkömmlicher Lebensmittel
nicht ausreicht, sodass er zum Überleben auf öffentliche Waldflächen angewiesen
ist. Auf staubigen Tischplatten drängen sich Schalen mit Nüssen und Pilzen und
Schnecken und diversen Nachtschattengewächsen in unterschiedlichen Stadien der
Verwesung. Eines ist ihm sicher: kein
Besen hat Handkes Hexenhäuschen in den letzten Jahren von innen gesehen.
Ich habe mir einige der Bilder aus diesem Buch, soweit sie
im Internet zugänglich sind, genauer angeschaut.
Dies vorab: Ich bin kein Fan von Peter Handke, genau
genommen könnte man sogar sagen, daß ich ihn nicht mag. Wahrscheinlich liegt
das daran, daß ich so gut wie nichts von ihm gelesen habe. Und das kam so: Als
er damals, 1966, mit seinem Stück "Publikumsbeschimpfung" groß herauskam,
war er öfter mal im Fernsehen, lange Haare, sensibles Gesicht und sanfte
Sprache.
Nun ist es so, daß mich damals Sensiblinge mit sanfter Sprechweise ziemlich aggressiv gemacht haben (heute bin ich da deutlich milder in meinem Urteil). Ich mochte ihn halt nicht. Punkt. Gelegenheiten, ihn, das heißt sein Werk, später kennenzulernen habe ich nicht genutzt.
Nun ist es so, daß mich damals Sensiblinge mit sanfter Sprechweise ziemlich aggressiv gemacht haben (heute bin ich da deutlich milder in meinem Urteil). Ich mochte ihn halt nicht. Punkt. Gelegenheiten, ihn, das heißt sein Werk, später kennenzulernen habe ich nicht genutzt.
Das ist natürlich pures Ressentiment und sagt viel über mich
und letztlich gar nichts über Peter Handke aus. Erwähnt habe ich das nur
deshalb, damit klar ist, daß ich kein Handke-Verehrer bin. Imponiert hat mir
allerdings, daß er damals, als aus deutschen Supermärkten die
Serbische Bohnensuppe verschwand und als Bohnensuppe nach
Balkan-Art (so etwa bei Aldi) gehandelt wurde... daß er also damals
die serbische Sicht der höchst unerfreulichen Dinge einem verhetzten Publikum
zu erklären versuchte.
Soweit das.
Als ich den Artikel von Alexander Schimmelbusch zum ersten
Mal gelesen hatte, war mir klar, daß er nicht ernst gemeint sein konnte. Eine
völlig abseitige Vorstellung, die Kritik an einem Künstler am Zustand seiner
Wohnung festzumachen. Wer hätte dergleichen bei einem Saufkopf wie Charles
Bukowski unternommen? Ganz klar, das ist Satire. Wenn aber Satire, wogegen
richtet sie sich und vor allem, wo ist der Witz? Also doch ernstgemeint.
Handke sollte ausreichend verdient haben, sich eine
anständige Behausung zu leisten. Wenn er jetzt in einem verfallenen Haus,
zwischen Bahndamm und Landstraße lebt, in der Dämmerung durch die Wälder
schleicht, dort Pilze und Nüsse zu sammeln, von denen er sich nährt, dann kann
das nur heißen, daß Handkes psychischer Zustand nicht sehr stabil ist, gelinde
gesagt. Ich war schon etwas erschüttert, zu erfahren, daß aus Handke inzwischen
ein wirrer alter Mann geworden ist. Die Beschreibung von Schimmelbusch hatte
ich nämlich so genommen, wie er sie hingeschrieben hat (ich bin manchmal ziemlich
einfältig, ich weiß), der Artikel enthält ja nur ein einziges, noch dazu
kleines, schlecht auflösendes Bild.
Dann aber schaue ich mir das Bild etwas genauer an und ich
sehe einen Tisch mit weißer Tischdecke. Trotz des Umstands, daß der Hausherr
gerade mit seinen "ledrigen Literatenhänden" an Pilzen rummacht ist
der Tisch bemerkenswert sauber. Ein verkommener Haushalt sieht anders aus,
denke ich mir. (Und ein 69jähriger darf schon mal ledrige Hände haben.)
Jetzt wollte ich es wissen und ich habe im Netz nach Bildern
aus diesem Buch gesucht und habe dann den Text noch einmal gelesen.
"Verfallenes Haus", das hört sich nach Wind an,
der durch Fensterritzen pfeift, nach Schimmel an den Wänden, undichtem Dach.
Und dann sehe ich das verfallene Haus
und denke bei mir "Mein Gott, was für ein wunderschönes
Haus, ein Traumhaus." Ich sehe den Garten
und bin hin und weg. Was für ein gemütliches Fleckchen. Auf
den ersten Blick ein wenig schlampig, sieht man genauer hin merkt man, daß der
Garten durchaus mit Liebe und Sachkunde gepflegt ist.
Und dann die beklemmend verwahrloste Wohnung, "als sei
der Komposthaufen auf einer Woge aus Weltschmerz in die Wohnräume hinein
geschwappt."
Mir ist schon klar, daß Handke mit dieser Anordnung nicht
den Ehrenpreis der Zeitschrift "schöner wohnen" bekommen wird. Ich
habe dergleichen Unordnung schon oft gesehen (und verursacht!) und mir geht das
Herz auf, wenn ich dergleichen sehe. Dinge, die man mag, will man sehen, man
versteckt sie nicht in Schränken; Bücher, man immer wieder braucht, verräumt man
nicht in Regale.
Bleibt zum Schluß die Sache mit Besen, Scheuerlappen und
Abfalleimer, Dinge, an welche die ordentliche deutsche Hausfrau - gleich
welchen Geschlechts - höchste Maßstäbe anlegt.
Ich weiß nicht, wie es bei Schimmelbusch ist, in den meisten
Haushalten dürfte der Abfalleimer dezent versteckt unter der Küchenspüle
stehen. "...eines ist sicher: kein Besen hat Handkes
Hexenhäuschen in den letzten Jahren von innen gesehen.
Nun schaue man sich mal das Bild mit den Bücherstapeln
nochmal an: Auf der braunlackierten Ablage links im Bild ist keinerlei Spur von
Staub zu sehen. Läge dort Staub, dann hätte die horizontale Fläche eine
deutlich mattere Farbe als die vertikale. Auch auf dem Teppich sind keine
Staubflöckchen zu sehen und es wären welche zu sehen, wenn dort eine Woche oder
gar 14 Tage nicht mehr gesaugt oder gekehrt worden wäre. Staub neigt zur
Flöckchenbildung und diese lagern sich in einem bewohnten Raum vor allem an den
Rändern und Ecken ab.
Ich erwähne nur kurz das Schäufelchen an der Eingangsstiege,
das auf säubernde Hände schließen läßt und lenke die Aufmerksamkeit auf das
kleine Stück Fliesen am Eingang. Und? Sieht hier einer Dreck?
Ich lebe selber auf dem Land, und weiß, wovon ich rede. Wenn
du jetzt im Herbst, wo es oft regnet, das Haus verläßt, dann patscht du
unvermeidlicherweise in Dreck. Kommst du zurück ins Haus, dann schleppst du
auch dann, wenn du dir gleich hinter der Haustür die Schuhe ausziehst, eine
Menge Dreck ins Haus. Eines ist sicher: In einem Hexenhäuschen, das "in
den letzten Jahren kein Besen von innen gesehen" hat, müßte der
Eingangsbereich vor Schmutz nur so starren. Tatsächlich aber ist er
blitzsauber.
Wenn ich mir das eben Geschriebene nochmal durchlese, dann
stelle ich mit einiger Erbitterung fest, daß ich soeben eine Wohnungskritik
geschrieben habe, in Form der Kritik einer Wohnungskritik eines Anderen. Ich
hoffe, es passiert mir nie wieder, daß ich öffentlich die Wohnung eines anderen
Menschen durchhechele.
Damit ich es nicht vergesse - Handke trägt wirres
langes Haar, wirft ihm Schimmelbusch vor.
Mal abgesehen davon, daß zum einen das Haar gar nicht wirr ist, daß sich zum anderen bei den meisten Männern in Handkes Alter die Frage nach gefälliger Frisur längst von selbst in Wohlgefallen aufgelöst hat - was ist das für eine Zeit? Damals, als Schimmelbusch noch nicht mal angedacht war, hat meine Generation von den Eltern und Großeltern herbe und herbste Kritik an ihrer Haartracht hinnehmen müssen. Nach einer Weile hat sich das gelegt, jetzt wirst du von einem 35jährigen Schriftsteller (!) gescholten, wenn du nicht so schön und adrett gekämmt bist wie der Staubflöckchenkritiker des FREITAG:
Mal abgesehen davon, daß zum einen das Haar gar nicht wirr ist, daß sich zum anderen bei den meisten Männern in Handkes Alter die Frage nach gefälliger Frisur längst von selbst in Wohlgefallen aufgelöst hat - was ist das für eine Zeit? Damals, als Schimmelbusch noch nicht mal angedacht war, hat meine Generation von den Eltern und Großeltern herbe und herbste Kritik an ihrer Haartracht hinnehmen müssen. Nach einer Weile hat sich das gelegt, jetzt wirst du von einem 35jährigen Schriftsteller (!) gescholten, wenn du nicht so schön und adrett gekämmt bist wie der Staubflöckchenkritiker des FREITAG:
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