Mittwoch, 12. November 2008

Bundeswehrsoldaten

Was dem Beobachter an der leidenschaftlichen Debatte über den Satz "Soldaten sind Mörder" am meisten auffällt, ist der Umstand, daß sie nicht stattfindet.
Das war nicht immer so. 1984 hatte ein Frankfurter Arzt das von Kurt Tucholsky geprägte Wort aufgegriffen, und damit eine viele Jahre dauernde, in den Medien und Gerichtssälen aus­getragene Diskussion entfacht. Die Leidenschaft der Diskussion war seinerzeit eine rein aka­demische, die Bundesrepublik Deutschland ein Staat im Frieden.
1994 entschied das Bundesverfassungsgericht für einen Verbreiter des Wortes. Dem Kern der Aussage vorsichtig ausweichend begründeten die Verfassungsrichter ihren Freispruch vom Vor­wurf der Beleidigung und Volksverhetzung so: Mit dem Begriff "Mörder" könnten Bundes­wehrsoldaten gar nicht gemeint sein, da "die Bundeswehr seit ihrer Gründung noch nicht an einer bewaffneten Auseinandersetzung teilgenommen (habe) und so noch niemand im Rah­men eines Krieges getötet worden (sei)".
Mit dieser Begründung wäre heute kein Prozeß mehr zu gewinnen. Peu à peu (und plan­mä­ßig) ist die Öffentlichkeit an die "ge­wach­se­ne Verantwortung" der "neuen Weltmacht Deutsch­land" gewöhnt worden, vom "be­grüßens­werten Sanitätseinsatz" in Südostasien über die "hu­­­manitäre Hilfs­aktion" in Somalia, bis zu den "kampf­be­glei­ten­den Aufklärungsflü­gen" in Bosnien. Die erste pazifistische Partei, die in Deutschland jemals in einer Regierung war, be­endete 1999 die Vorkriegszeit und ließ in Jugoslawien Bundeswehrflugzeuge erstmals mit­bomben. Die Teilnahme der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg war danach bereits politi­sche Routine.
Die Rechtslage von 1994 stützt sich also auf einen Sachverhalt, der seit 1999 nicht mehr ge­geben ist. Inzwischen sind Menschen von Soldaten der Bundeswehr getötet worden.
Wie auch immer: Im Oktober 1999 tagte in Berlin eine Internationale Konferenz zum Thema "Kindersoldaten". Der damalige Außenminister Fischer hatte dort eine Rede gehalten, in der er sich - natürlich - schwer gegen Kindersoldaten aussprach. Er meinte, das sei kein Problem der dritten Welt alleine. Bei der britischen Armee zum Beispiel dienten ca. 6000 Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren. Man müsse das Mindestalter für den Militärdienst von jetzt 15 (!) auf 18 Jahre heraufsetzen. Es sei eine "Perversion", daß - jetzt kommt's! - Kinder und Jugendliche zu "Tötungsmaschinen" herangebildet würden.
Das Wort muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! Wenn Kindersoldaten "Tötungs­ma­schinen" sind, dann sind es - so läßt sich zwanglos folgern - erwachsene Soldaten erst recht, weil sie ja größer, stärker und erfahrener in allen Künsten des Tötens sind.
"Tötungsmaschinen" - das vielumstrittene Wort von den Soldaten, die Mörder seien, hört sich dagegen fast wie eine harmlose Frotzelei unter Freunden an.
Die Brisanz dieser Formulierung von Fischer hat anscheinend damals keiner erkannt.

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