Dienstag, 28. Juli 2009

Regietheaterschelte von Daniel Kehlmann

Jeder, der auch nur ein wenig in den Feuilletons stöbert, wird es mitbekommen haben, daß Daniel Kehlmann als Gastredner zur Eröffnung der Salzburger Festspiele einige böse Worte über das Regietheater verloren hat.

Auf den Websites finden sich normalerweise nur Zusammenfassungen (meist die immer gleiche Agenturmeldung). Die Salzburger Nachrichten haben die Rede in ihrer Gesamtheit abgedruckt, wen es interessiert, der findet sie hier.

Der von Kehlmann angesprochene Artikel von Karl Kraus über Erwin Piscator ist hier nachzulesen.

In der "Frankfurter Rundschau" vom 26. 07. 2009 hat Peter Michalzik die Rede Kehlmanns kommentiert. Ich habe folgenden Leserbrief dazu geschrieben:

Peter Michalzik wirft Kehlmann vor, seine Rede sei "ressentimentgeladen und argumentfrei zugleich" gewesen. Das ist richtig, Kehlmann hat in seiner Rede in der Tat zu wenig argumentiert, während andererseits Michalzik in seinem Artikel überhaupt nicht argumentiert.
Man übertrage nur mal die Situation vom Theater weg in den Konzertsaal. Ein genialer Dirigent nähme sich ein Stück aus der Musikliteratur - sagen wir mal "Bilder einer Ausstellung" - und führte dieses Stück mit Schlagzeug, Synthesizer und E-Gitarre auf, kräftig mit Elementen aus der Rockmusik versetzt. Die feinsinnigen Musikfreunde (die häufig auch feinsinnige Theaterfreunde sind) würden aufjaulen.
Nun wissen wir natürlich, daß Emerson, Lake and Palmer genau das oben Geschilderte mit dem Stück von Mussorgsky getan haben und großen Erfolg damit gehabt haben. Womit mein Argument widerlegt wäre.
Der entscheidende Punkt dabei ist aber, daß ELP ihre Version des Stücks niemals als Aufführung eines Werkes von Mussorgsky ausgegeben haben. Es wurde immer als eigenständiges Kunstwerk angesehen, das sich in seinen Grundzügen an Mussorgsky anlehnte. Würde der genialische Regisseur Hans Müller-Möhrenschneider sein Stück "Hamlet" (nach Motiven des Kollegen Shakespeare) aufführen, würde sich keiner aufregen. Natürlich steht es jedem frei, sich in der Weltliteratur zu bedienen und vorhandene Stücke zu bearbeiten.
Ein bekannter Regisseur, der auch ein wenig als Dramatiker dilettierte, hat mehrere Stücke verstorbener Kollegen bearbeitet und aufgeführt, auf die Bühne gebracht hat er sie aber als seine Bearbeitungen von Stücken anderer. So penibel war Brecht, der ansonsten Urheberrechte eher entspannt betrachtete.
Das Ärgerliche am Regietheater ist doch nicht der Stil der Aufführungen, sondern der Etikettenschwindel, der damit verbunden ist. Hans Müller-Möhrenschneider versteckt sich hinter Shakespeare, weil alle Shakespeare sehen wollen, kein Schwein aber sich für die Stücke von Hans Müller-Möhrenschneider interessiert.

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