Dienstag, 11. Dezember 2018

Frettchen dulden

Viele glaubhafte Tatsachen sind falsch. Davon leben Betrüger. Viele unglaubliche Dinge sind richtig. Das macht die Wissenschaft so interessant.

Als Jesus gekreuzigt worden war, saßen die Jünger bange beisammen. Da trat Jesus in ihre Mitte und sagte zu ihnen: "Friede sei mit euch!" Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.
(...)
Thomas aber, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!
Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Johannesevangelium
Warum ich das erzähle? Eigentlich nämlich will ich von Reg Mellor und seinem Sport "Frettchen dulden" erzählen, in dem er einstens Meister war.
Nördlich von London, in der Grafschaft Yorkshire, der Heimat der legendären Frettchen-Kämpfer, können sich selbst ältere Leute nicht genau erinnern, wann der merkwürdige Zeitvertreib, den die Engländer "ferretlegging" nennen, zum ersten Mal vor Publikum stattfand. Sicher ist nur, daß der Sport, bei dem sich alles unterhalb der Gürtellinie abspielt, in der hügeligen Moor- und Weidelandschaft seinen Ursprung hat.
Was dem Kumpel in Wattenscheid seine Brieftauben, sind für Yorkshires Bergleute und Bauern die Frettchen: Man züchtet, kauft und verkauft sie (Preis: zwischen zwei und 100 Pfund), schleppt sie an Wochenenden mit zur Karnickeljagd - oder stellt sich mit ihnen zum Wettkampf auf die Bühne.
Den Sieg erringt derjenige Teilnehmer, der es am längsten aushält, daß sich ein oder mehrere Exemplare der spitzzahnigen Gattung in seiner oben und unten verschlossenen Hose tummeln. Am besten läßt sich die Entwicklung des skurrilen Kampfsports "ferret-legging" (von ferret = Frettchen und leg = Bein) an der phänomenalen Steigerung des Weltrekordes ablesen.
Vor zehn Jahren galten 40 schmerzhafte Sekunden als das Äußerste, was der Mensch zu ertragen in der Lage ist.
Selbst als Mitte der siebziger Jahre erstmals die magische Einminuten-Grenze übertroffen wurde, hätte sich niemand vorstellen können, daß die offizielle Rekordzeit heute fünf Stunden und 26 Minuten beträgt - aufgestellt 1982 von eben jenem Reg Mellor.

Weil du noch für ein Fünferl einen gesunden Menschenverstand hast, glaubst du mir natürlich meine hirnverbrannte Geschichte nicht. Die solle ich, meinst du, meiner Oma erzählen. Aber meine Oma ist lange tot, also habe ich dir die Geschichte erzählt. Du glaubst sie immer noch nicht. Wenn du aber hier drauf klickst wirst du erkennen, daß ich mir das nicht ausgedacht habe.

Der Kollege Jesus sagt: Weil du drauf geklickt hast, glaubst du. Selig aber sind jene, die nicht klicken und doch glauben.

Vor vielen, vielen Jahren habe ich genau diese Geschichte meiner Familie erzählt, und alle drei - Gemahlin und beide Söhne - haben sich an's Jehürrn jetippt und jesacht: "Aha, soso". "Aha, soso" hat damals, im Zusammenhang mit mir bedeutet: "Der Alte spinnt wieder mal, schenk ihm weiter keine Beachtung."
Internet hatten wir seinerzeit noch nicht, also habe ich an den SPIEGEL geschrieben, mein Leid geklagt und in der Tat hat mir der Herr Redakteur Kunkel schriftlich bestätigt, daß ich - wie fast immer - recht hatte.

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