Freitag, 27. April 2018

Der Gumperer und ihm seine Frau


Der Gumperer, ihr kennt ihn natürlich nicht, aber das ist auch wurscht... Ich mein, ihr kennt auch dem Gumperer seinen Vater nicht, geschweige seine Mutter, seine Frau und seine Söhne und Töchter... Was ich sagen will, ihr habts keine Ahnung nicht, von nichts.
Jedenfalls, der Gumperer ist einmal in ein Unwetter von biblischen Ausmaßen gekommen. Biblische Ausmaße heißt, daß es geblitzt und gedonnert und vom Himmel geregnet hat, daß man es sich nur dann vorstellen kann, wenn man dergleichen schon mal selber erlebt hat. Ich mein, nicht in einer Großstadt, wo du dich fast überall unterstellen kannst, mit Blitzableiter und so. Den Gumperer jedoch hat's zu Fuß und mitten in der Landschaft erwischt, seinerzeit, als zwar der Faradaysche Käfig schon erfunden war, das Auto aber noch nicht. Eine Scheißzeit war das, man hat zwar gewußt, wie man sich vor dem Blitz schützt, hat den Opel Corsa aber nicht dabei gehabt bei einer Fußwanderung.
Dem Gumperer also ist es mal in einem Unwetter wortwörtlich naß bei den Schuhen hereingegangen und er hat nicht gewußt, ob er noch heim kommt oder ob ihn der Blitz derschlagt oder er jämmerlich dersaufen muß. In seiner Not wandte er sich - naheliegenderweise - an die Hl. Jungfrau Maria. "Heilige Muttergottes", so richtete er sein Gebet zum Himmel, "wenn ich dieses Toben der Naturgewalten schadlos überstehe" (damals wußten selbst einfache Leute noch, wie man sich leidlich poetisch ausdrückt), so will ich nach Altötting wallfahren und deiner Gnadenkapelle die Summe Geldes opfern, die ich beim Verkauf meines schönsten Stieres erlösen werde." (Hab ich's nicht gesagt, daß die einfachen Leut damals über ein Deutsch geboten, das heutzutag nicht mal mehr ein Schmock wie der Georg-Büchner-Preisträger Rainald Goetz [1] beherrscht?)
Wie's der Deibel will, der Gumperer kam heil nachhause und er erzählte der Gumperin von seinem Gelübde und der daraufhin erfolgten Errettung aus höchster Not. Die Gumperin dankte erst inbrünstig der Hl. Jungfrau Maria für die Errettung ihres Gemahls, dann warf sie - genauso inbrünstig - einen irdenen Teller gegen die Wand, wo er zerbarst.
"Warum, Herr," rief sie gen Himmel, "hast du mich mit einem dermaßenen Deppen wie dem Gumperer als Gemahl gestraft? Ich mein", so fuhr die Gumperin in ihrem Seufzer fort, "das Geld für einen Prachtstier der Hl. Jungfrau opfern - so was kann sich der König erlauben, wenn er nicht grad Neuschwanstein oder wie bauen läßt. Ein Bauer aber, der sich und die Seinen so grad eben durchfrettet, kann das nicht. Da laß ich mich doch lieber vom Blitz derschlagen. Also nicht ich, aber ein verantwortungsbewußterer Bauer als wie mein Gumperer einer ist, der läßt sich lieber derschlagen vom Blitz, als so einen Stier einfach herzugeben."
Wie auch immer - das Gelübde mußte, da es nun mal geleistet worden war, erfüllt werden, das war der Gumperin schon klar. Ein Gelübde nicht einzulösen, die Hl. Jungfrau also um ihren RetterInnenlohn zu prellen, das endet erfahrungsgemäß in Chaos & Wahnsinn, manchmal sogar in gegenderter Sprache.
Die Gumperin setzte sich also auf einen Stein, schlug ein Bein über das andere und bedachte Bein an Beine das Problem.
Die Wallfahrt nach Altötting, das war ihr klar, war nicht das Problem. Der Hof des Gumperers und seiner Gumperin lag ganz in der Nähe von Neuötting, was es mit sich brachte, daß auch Altötting nicht wirklich weit weg lag. Aber der Stier, der Stier, den Erlös für den Stier einfach der Hl. Jungfrau schenken! Die Hl. Jungfrau, die im Himmel wohnt und also aller irdischen Sorgen enthoben ist, ist doch nicht auf den Erlös für so einen prachtvollen Stier angewiesen.
Ein Hahn hoppelte an ihr vorbei und sie hatte eine Idee. Dem Gumperer den Verkauf des Stiers abzuschwatzen war eine ihrer leichtesten Übungen. Ein Bauer, der sich auskannte mit Stieren fragte sie auf dem Viechermarkt in Altötting, wieviel wohl dieser Stier kosten würde und sie antwortete ihm, sie könne aus religiösen Gründen den Stier und diesen Hahn nur zusammen im Paket verkaufen. Der interessierte Bauer kannte sich mit Theologie nicht sonderlich aus, er hatte noch nie von diesem religiösen Grund gehört. Trotzdem frug er nach dem Preis für den Stier und - scheiß drauf - für den Hahn.
Die Gumperin setzte ihr charmantestes Lächeln auf und sie konnte, wenn sie denn wollte, wahnsinnig charmant sein, was schon den Gumperer in der Zeit der Brautwerbung in den Wahnsinn getrieben hatte. Für den Hahn müsse sie leider - aus religiösen Gründen, wir erinnern uns - dingsunddrölfzig Gulden verlangen, den Stier aber könne sie für ein Fuchzgerl (fuffßich Fennje) hergeben. 32 Sekunden lang war der interessierte Bauer über den Preis für den Hahn empört, dann rechnete er nach und schlug ein.
Die Gumperin ging anschließend hinüber zur Gnadenkapelle und spendete, wie es sich gehört, die fünfzig Pfennige für die Hl. Jungfrau.



[1]   Obacht, Leute, wer auf den Link klickt, sieht ein feinsinniges Video vom Ingeborg-Bachmann-Preis von anno seinerzeit, in welchem Video Blut fließt. Wer Metzger, Henker oder gar Literaturkritiker ist, oder wenigstens Abkömmling derartig roher Berufstätiger, soll sich das Video anschauen, der Rest möge sich lieber einen Gott-wie-hübsch-das-Blut-spritzt-Film von diesem Kitsch-Arschloch Quentin Tarantino reinpfeifen.

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