Dienstag, 23. Juni 2015

Zeichen am Himmel

Das letzte mal, da ich merkwürdige Erscheinungen am Himmel beobachtet habe, war am 3. Oktober 1988 gewesen. Wir wohnten damals in Regensburg-Königswiesen, der westliche Teil Regensburgs war von unserem Balkon aus  ganz wunderhübsch zu sehen, einschließlich der Autobahn von München nach Weiden, oder umgekehrt, je nachdem, wie man es sehen will. Weiter als nach Weiden ging die Autobahn seinerzeit noch nicht, wozu auch? Hinter Weiden kam nur noch ein bisserl Franken, dann legte sich die DDR quer, da war kein Durchkommen.
An besagtem Tage machte es wupp-wupp-wupp, ganz so, als flöge da ein Hubschrauber. Und siehe, es flog tatsächlich einer, von rechts, also aus Richtung Passau kommend und Kurs auf das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder nehmend, das unten im Tale lag [1]. Das fliegende Stück Blech regte uns aber nicht weiter auf, denn, wir wissen es alle, Krankenhäuser werden häufig von Hubschraubern angeflogen.
Dann aber machte es abermals wupp-wupp-wupp, und dann noch- und ein weiteres mal. Das Ganze wiederholte sich, und alle Hubschrauber kamen nunmehr aus Richtung München und hielten auf die Barmherzigen Brüder zu.
"Nanu?", sagten wir uns nun doch, vermochten das Rätsel aber nicht zu deuten. Das lag zum Teil daran, daß der Erstgeborene gewickelt werden mußte [2], zum anderen war uns kürzlich der Zweitgeborene vom Engel des HErrn verkündet worden: "Siehe, Weib, du wirst einen Sohn gebären und sein Name wird sein Michael." Der gebildete Mensch weiß, daß Mikha'el (hebräisch מיכאל) soviel bedeutet wie "Wer ist wie Gott?". Der gebildete Mensch, deren es nur noch wenige gibt, wird also verstehen, daß wir das Schraubelhubertum am Oberpfälzer Himmel vorerst nicht weiter beachteten.
Aus dem Fernsee erfuhren wir wenig später, es sei der damalige Bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß bei der Wildschweinjagd unweit von Regensburg mit Akutem Bauch zusammengebrochen und kurze Zeit später verstorben.
Franz Josef Strauß, die Älteren werden sich noch dumpf an den Namen erinnern können [3], die Jüngeren wissen ohnehin von nichts gar nichts mehr. "Wie?", flötet der junge Mensch von heute, "was heißt Mittwoch? Heute ist Donnerstag, das muß vorerst reichen." Ja, okay, meine Söhne erinnern sich sogar noch an den Reichsdeputationshauptschluß [4] vom 25. Februar 1803. Aber das liegt zum einen daran, daß beide in Regensburg geboren und aufgewachsen sind, wo seinerzeit besagter Hauptschluß beschlossen worden war, Weltgeschichte in Regensburg also im Rahmen der Heimatkunde gelehrt wird. Zum anderen liegt es daran, daß ich seinerzeit bei mir dachte, es müßte doch möglich sein, auf spielerische Weise ein bayerisches Kind so weit zu bringen, daß es beim Eintritt in die Grundschule so viel wisse und könne wie ein Berliner nach dem Abitur [5].
Um auf den Anlaß meiner kleinen Plauderei zurückzukommen: Ich halte es - obzwar ebenso Metzgersohn, wie der an jenem Tage verblichene Herr Strauß - bei der Jagd grundsätzlich zu den Tieren. Wenn ich von einem Jäger lese, den sein Jagdhund versehentlich erschossen hat, dann jubiliere ich. Gleiches gilt, wenn ein Jäger von einer Wildsau in seine Bestandteile zerlegt worden ist. Ich weiß, dergleichen ist geschmacklos, passiert aber leider viel zu selten.
Besagter Franz Josef Strauß ist nicht von einer Wildsau zerlegt worden, wie man es - gäbe es einen Gnädigen Gott - von einem Menschen mit Jagdschein hätte erwarten können, es hat ihn einfach so derbröselt. Scheiß drauf, der bayerische Volksmund ist dennoch zufrieden - Hauptsach, er ist verreckt - und noch heute wird der 3. Oktober, da Gott den Alpdruck Franz Josef Strauß von seinem Volk genommen hat, in ganz Deutschland als Nationalfeiertag begangen.
Ich mein, natürlich wär's schöner und lustiger gewesen, Franz Josef Strauß wäre mit 77 Ochsenziemern über die Steinerne Brücke von Regensburg geprügelt worden, um anschließend in Stadtamhof zu verröcheln. Aber, mein Gott, man soll GOtt den Herrn auch nicht überfordern.

Hinweis, nachgeschobener:
In Georg Danzers Ballade vom versteckten Tschurifetzn kommen (außer dem Wort "Tschurifetzn" selbst) mindestens zwei Wörter vor, die nicht jedem Piefke geläufig sein dürften.
Ich greif, wie unter'm Bett ich's suach,
Nur eine in an Murdstrum Luach.
Bei uns wird nämlich nie gesaugt,
Weu der Marie des ned so taugt.
Statt saugen tuat sie lieber wetzen,
desweg'n brauch i den Tschurifetzen!

Ja, gut, Murdstrum gibt vielleicht auch Rätsel auf. Ein Murdstrum ist ein Mordstrumm, also ein sehr großes Exemplar von was auch immer. Diesmal handelt es sich um einen Mordstrumm-Lurch. Lurch meint hier keine Amphibie sondern den zusammengeballten, mit Fasern durchsetzten Staub, der sich mit Vorliebe unter dem Bett ansammelt. Nach dem, was wir inzwischen wissen, erklärt sich das Wort wetzen zwanglos aus dem Zusammenhang.


[1]   Es liegt dort immer noch, um der Wahrheit die Ehre zu geben.
[2]   Scheiße aus der Falte eines Kleinstkindes zu kratzen ist für den Lauf der Weltgeschichte allemal vordringlicher als das Philosophieren über dies & das.
[3]   War das nicht der Typ, der die Donau erfunden hat?
[4]   Gottchen, was für ein Wort. Dabei geht mir jedesmal einer ab. Ich muß also mit einem Tschurifetzn das tun, was man mit einem Tschurifetzn gemeinhin tut.
[5]   Was soll ich groß sagen, es ist mir gelungen. Bei der Einschulung sprachen sie so, wie Thomas Mann zeitlebens gern geschrieben hätte.

Montag, 22. Juni 2015

Die Kunst und der Tod

Gegen den Tod hilft Kunst eh nicht. Auch wurscht.

Heute fahre ich mit meinem Sohn im Auto, also er fährt, ich hock daneben [1]. Er schaltet das Radio ein, ich sehe DKULTUR auf dem Display und frage, ob das Deutschlandradio Kultur sei. Hmnja, das sei es.
Ich höre den Namen "Theweleit" (damit muß man bei einem Kultursender rechnen), dann Motoraufjaul, nix mehr zu hören. Als der Motor wieder normal läuft, singt einer, hmpftata, tirallala, irgendwas mit Reaktionären und bösen Bossen. Das Übliche.
"Hört sich schwer nach Siebziger-Jahre-Protestsong an", meint mein Sohn (Jahrgang 1989) trocken und grinst. Ich nicke bedächtig, genau so kommt es mir (der ich noch die siebziger Jahre samt gleichnamiger Protestsongs live miterlebt habe) auch vor. Das klingt nach Franz Josef Degenhardt, nur sehr, sehr viel schlechter und dem Degenhardt seine Stimme ist es auch nicht.
"Das ist so gottserbärmlich beschissen und talentfrei", sage ich schließlich, "daß es schon wieder faszinierend ist." Kein Widerspruch von Seiten meines Sohnes.
Dann höre ich, das sei Walter Mossmann gewesen, der da gesungen habe und dieser Mossmann sei eben jetzt im Alter von 74 Jahren gestorben. Verdammt, verdammt, denke ich mir, hätte ich dies vorher gewußt, weil der Motor nicht aufgeheult hätte, dann hätte ich mir solch despektierliche Gedanken verboten.
De mortuis nil nisi bene - eh schon wissen [2]. Und der nächste, den's derlaibelt, bin vielleicht sowieso ich. Ach.


[1]        Früher war das umgekehrt, aber früher ist lange her.
[2]        Als ich noch der Waldbauernbub war, hab ich mich - unter anderem wegen dieses Spruches - oft gefragt, ob die Erwachsenen nicht allesamt verrückt sind. Wie lang, so fragte ich mich, muß eins tot sein, damit man über ihn schimpfen darf? Denn geschimpft wurde über Tote, auch und gerade von den Dumpfbeuteln, die gerne diesen und andere lateinische Sprüche absondern. Spontan fallen mir Hitler und Nero ein.

Hänsel ohne Gretel, Hinz ohne Kunz

ÖPNV - Weil doch vor kurzem der 2. Juni war

Wenn du in München Bus fährst, kommst du in der Nähe des Gärtnerplatzes an die Haltestelle "Baaderstraße" und du freust dich schon auf den Meinhofplatz, der aber nie kommt. Daß diese Bayern aber auch nie was ordentlich zu einem Ende bringen können.

Unsterblichkeit

Der Franze hat gsagt, der Xare wär unsterblich. Zumindest, sagt er, hat's der Xare geglaubt, bis zuletzt.

Zur Dialektik von Schlaf und Wecker

Der Franze hat gsagt, der schönste Schlaf wär der, sagt er, nach dem Läuten des Weckers.

Der Exorzismus in den Zeiten der Elektronik

"Widerstehst du dem Satan und all seinen Werken?"


Ich, mein, du kannst sagen, was du willst, aber der Glaube ist wieder auf dem Vormarsch. Gott sei's geklagt.

Die fröhliche Wissenschaft

"Forscht, wo ihr zu Forschen findet. Das Unerforschbare aber laßt unerforscht." Das ist nicht von Goethe, wie so mancher jetzt fast reflexhaft gerufen hat [1], sondern von - immerhin - Erich Kästner: Das fliegende Klassenzimmer.
Na, wie auch immer. Es gab mal eine Zeit, in der ich den SPIEGEL zwar nicht abonniert hatte, ihn aber doch regelmäßig las. Die Zeiten sind lang vorbei, ich bin inzwischen ein anderer geworden und der SPIEGEL erst recht. An Zeitungskiosken gehe ich vorbei, ohne den Blick zu heben. So kommt es, daß ich den SPIEGEL vom 16. Mai erst heute in die Hand bekommen habe. Meine Schwester nämlich hat den SPIEGEL abonniert und sie hat mir vor etlichen Tagen besagtes Heft in die Hand gedrückt. Ich habe mich artig bedankt und das Heft erst mal weggelegt. Heute nahm ich es wieder zur Hand [2] und bin erstarrt:
"Forscher vermessen die Lust der Frauen." Ich mein, als Frau  machst sowieso was mit, und jetzt auch noch das. "Forscht, wo ihr zu Forschen findet...", wie gesagt.

Apropos Frauenforschung. Auf der Platte (ja, buchstäblich Platte, sie ist 1967 erschienen) "Im Wunderland Der Triebe - Der Tönende Sexreport" von Lützel Jeman (alias Robert Gernhardt), F.-K. Waechter und F. W. Bernstein ist ein Schulfunk-Beitrag über Meister Häublein zu hören.
Am Beginn der Neuzeit begibt sich Meister Häublein auf die Suche nach der legendären "erogensten aller erogenen Zonen" bei der Frau. Griechische Quellen berichten davon, inzwischen aber ist ihr Wissen verlorengegangen und die Lage dieser Zone ist so unbekannt wie die von Atlantis oder Ultima Thule. Nach vielen Jahren mühseliger Forschungsarbeit hat Meister Häublein diese Zone entdeckt. Da erreicht ihn die erschütternde Nachricht, daß der Italiener Carlo Vagina diese sagenhafte Zone entdeckt habe, sie liege zwischen den Beinen der Frau. So kommt es, daß diese Zone noch heute Vagina genannt wird und nicht Häublein.
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[1]        Der Spruch von  Goethe heißt: "Das höchste Glück des denkenden Menschen ist es, das Erforschliche erforscht zu haben, und das Unerforschliche ruhig zu verehren."
[2]        Es war im Weg gewesen und mußte woanders hin.

Vom Wett- und Kübelsaufen

Der Wirt einer Oberpfälzer Diskothek bot einst im Rahmen einer Ballermann-Party seiner verwöhnten Kundschaft als besondere Attraktion ein "Sangria-Wett- und Kübelsaufen" an, bei dem - nicht nur von den Künstlern auf der Bühne, sondern auch vom Publikum - noch mehr Alkohol geschluckt werden sollte, als in einer normalen Samstagnacht eh schon immer.
Die Polizei, juristisch machtlos gegen diese Veranstaltung, kündigte daraufhin an, sie werde die Sauf-Arena mit Alkomaten einkesseln, d. h. jeder Gast, der sich in dieser Nacht mit dem Auto auf den Heimweg machte, ginge ein deutlich höheres Risiko als sonst ein, seinen Führerschein wegen Alkohol zu verlieren.
Der Wirt, der seine Gäste und ihre Trink- und Fahrgewohnheiten nur zu gut kennt, war von der polizeilichen Drohung so beeindruckt, daß er prompt einlenkte und sein Programm änderte (1). "Wenn Ihr meine Gäste zwingt, die Gesetze einzuhalten", will der Wirt damit der Polizei sagen, "dann bin ich ruiniert. Dann kommt mir keiner mehr."
Was nichts anderes heißt als: eine bestimmte Art von Freizeitverhalten - in Lokalen rumhängen und sich Alkohol ins Hirn zu kippen - ist untrennbar ver­bunden mit dem Fahren unter Alkoholeinfluß; das eine ist ohne das andere gar nicht denkbar, nicht auf dem flachen Land jedenfalls. Und: Diese Promillefahrten finden - Wochenende für Wochen­ende, Tag für Tag - vorsätzlich statt, sind wohlüberlegt. Sie sind so prä­zise kalkulierbar, daß der Wirt seine Programmgestaltung von der Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) dieser Promillefahrten abhängig macht. Woraus sich wie­derum zwanglos ergibt, daß es nicht etwa eine (kleine, gar verschwindend kleine) Minderheit der Schluckspechte ist, die regelmäßig betrunken heim­fährt, sondern die deutliche Mehrheit. Zumindest sind es so viele, daß ohne sie (und ihren Alkoholkonsum) die Kalkulation des Wirtes zusammenbricht.

Weil wir gerade dabei sind: in derselben Nummer der "Mittelbayerischen Zeitung", in der über diesen Vorfall berichtet wurde, fand ich eine Anzeige, in der die Discothek D1 in Martinsneukirchen die Kundschaft mit fol­genden Worten zur - haha! - Alkoholikerparty einlädt: "Eintritt 25,00 DM, Getränke frei, außer Spirituosen".
Aus dieser Preisgestaltung läßt sich schließen, daß sich die Gäste von Wirtin Elvira mit Bier und Wein oder gar Cola gar nicht lang aufzuhalten pflegen, sondern ganz schnell zum Schnaps übergehen. Eine Bande von Biertrinkern, die überfallartig in's D1 einfiele und sich dort einen Rausch ansöffe, hätte die arme Elvira bald bankrott gesoffen.
Prost!


(1) Das "Wett- und Kübelsaufen" sollte zum "Geschicklichkeitstrinken" werden: Der Saufartist muß im Handstand mit dem Strohhalm ein 0,1 l-Glas Sangria möglichst schnell austrinken.

Stimmung, Musik, zwei, drei...
Mei Naserl is so rot, weil i so blau bin
I bin a stiller Zecher
Der Wein von Mykonos
Wem heit net schlecht is
Morgen, ja morgen

Prost, Wien!