Donnerstag, 21. Februar 2013

Doktor- und andere Titel

Oh Doctor, I'm in Trouble

Als ich in Italien noch auf Urlaub war, haben mich die Leute, denen ich auf Anfrage meinen Beruf gesagt habe, von da an "dottore" genannt. Ich wollte mir das nicht bieten lassen und habe wieder und wieder dagegen protestiert. Freundlich, aber nachdrücklich habe ich sie darauf hingewiesen, ich sei kein Doktor, sei vielmehr ein ganz gewöhnlicher Diplom-Psychologe, von denen es in Deutschland zum Schweinefüttern gebe. Geholfen hat es nichts, eigensinnig bestanden die Leute auf der Anrede dottore.
Als ich später nach Italien umgezogen war, habe ich mir meinen deutschen akademischen Abschluß in Italien anerkennen lassen, um dort als Psychologe arbeiten zu können. Das Italienische Generalkonsulat in München und das Justizministerium in Rom bestätigten mir schließlich zu meiner Verblüffung, ich dürfe mich dottore in psicologia nennen.
Sakra, die Leute in Italien hatten also recht, ich war wirklich ein dottore. Sachen gibt's...
In Italien, so ließ ich mir sagen, trägt jeder, der einen - welchen auch immer - Universitätsabschluß (laurea) hat, den Titel "dottore". Man reicht seine tesi ein, was auf Deutsch etwa der Diplomarbeit entspricht, und fertig. In Neapel habe ich im Viertel rund um die Universität Hunderte von Anschlägen gesehen, in denen tesi feilgeboten wurden, Billigangebote von der Stange, maßzuschneidernde für den verwöhnteren Geldbeutel. In Zeiten, da durch Fremdbesamung auch eine Jungfrau zu einem Kind kommen kann, wird auch ein Dodel schnell mal Doktor.
Wenn ich jetzt - wieder in Deutschland - eine E-Mail oder einen Brief verschicke, dann steht im Absender "Dott. Heinrich" ("Dr. Heinrich" wäre strafbar, habe ich mir sagen lassen). In der Antwort heißt es dann jeweils "Sehr geehrter Herr Dr. Heinrich". Ich will kein Klugscheißer sein und korrigiere diesen kleinen Fehler natürlich nicht.
Vielleicht, diesen Traum habe ich, werde ich doch noch mal "Dok-Tor des Monats". Zuspiel von Freud auf Heinrich, dieser paßt zu Watzlawick, Heinrich stürmt nach vorne, hochgeschlagene Flanke von Watzlawick. Heinrich nimmt sie volley und drischt die Kugel ins linke obere Eck. Toooor, Toooor, i wer narisch, 3:2 für Österreich [1].
Wir schalten um in die Sportredaktion.



Bei Spaziergängen durch Castellabate war mir aufgefallen, an wie vielen Haustüren dort Prof. Spaghetti, Prof.ssa Lasagne, Prof. Saltimbocca stand. Wie kann das sein, fragte ich mich, daß in so einer kleinen Gemeinde (15.000 Einwohner), 60 km von der nächsten Universität (Salerno) entfernt, so viele Professoren wohnen? Sind es vielleicht emeritierte Professoren, die sich hier ihren Altersruhesitz eingerichtet haben oder sind es Sommerwohnungen noch aktiver Professoren?
Weder noch. Grundschullehrer in Italien heißen maestro/maestra, ab dem Hauptschullehrer dagegen sind die Lehrer professori/professoresse. Überhaupt ist dort (fast) jeder, der irgend etwas unterrichtet ein professore. Der Sohn eines Freundes hatte damals eine Berufsfachschule für das Hotelwesen besucht, und er erzählte mir von seinem professore di sala e bar. Was?, so fragte ich irritiert und erfuhr, besagter Professor unterrichte das korrekte Servieren im Speisesaal (sala) und an der Bar.
In Österreich scheint es nicht viel anders (gewesen?) zu sein. Du schreibst eine Arbeit, die nicht mehr ist als die bei uns übliche Diplomarbeit und bist dann Doktor. Der gelernte Altphilologe Franz Josef Strauß hatte in den sechziger Jahren an der Universität Innsbruck Volkswirtschaftslehre studiert und trug seither den zusätzlichen Vornamen "Dr.". Der lokale CSU-Vorsitzende hat mir damals erzählt, in der CSU nenne man den frischgebackenen Doktor spöttisch Dr. inns.

Je höher einer in der sozialen Rangordnung steht, desto länger wird gemeinhin die korrekte Anrede. Ganz kleine Leute heißen Karli, kleine Leute müssen sich mit Karl Müller zufrieden geben, während etwas größere sich bereits als Herr Dr. Karl Müller anreden lassen dürfen. Wirklich große Leute heißen dann Karl Ludwig Maria Graf von Brockenstein und zu Lichtenfels.
Dieser Trend kehrt sich interessanterweise bei den ganz Großen wieder um. Da heißt der Obermotz dann nur noch Karl. Es gab im ganzen Frankenreich nur einen Karl von echtem Rang und das war der Kaiser. Weiß jeder, wer gemeint ist, mit Karl; nur Karl.
In der Hierarchie der Wissenschaft findet sich ebenfalls eine solche an- und absteigende Leiter der prächtigen Bezeichnungen. Hier führt der Weg vom Dipl.-Dings über den Dr. bums bis zum Professor Dr. Müller.
Die wirklichen Koryphäen ihres Fachs, jene, die jeder auch außerhalb der engen Fachgrenzen kennt, heißen dann nur noch Konrad Lorenz oder noch einfacher Einstein.
Es wäre eine arge Minderung des Rufes und Ranges von Prof. Dr. Albert Einstein, würde man ihn in einer Abhandlung über die Geschichte der Physik als Prof. Dr. Albert Einstein bezeichnen. Es hieße, es würde ihn so kein Schwein erkennen, nur im vollen Namenswichs wäre er als Großmeister erkennbar. "Prof. Dr. Albert Einstein" ist eine respektlose Anrede.
Mir Ackerdemiker san schon ein verrückter Haufen.

Und was Adelstitel betrifft: Bei uns in der Metzgerei war seinerzeit eine Freifrau von Irgendwie Kundin. Sprach man mit ihr, sagte man "Frau Freifrau" (welche Frau möchte so was auf ihrem Grabstein stehen haben?), sprach man von ihr, so als "Frau Frei". Es gab noch eine echte Frau Frey, die nannte man dann gerne "Freifrau". Pöbel halt, der sich über den Adel lustig macht.


[1]   Die wenigsten werden es wissen, ich weiß es ja selbst kaum, aber ich bin von der Abstammung her eigentlich Österreicher. Mein Vater wurde 1912 im Sudetenland als k.u.k.-Untertan geboren, alle meine vier Großeltern sind gebürtige Österreicher. Lediglich meine Mutter, 1920 im selben Dorf wie mein Vater geboren, hat das Österreichertum um lediglich schlappe 2 Jahre verpaßt.

Montag, 18. Februar 2013

Unermüdlich - Untrennbar

Wortklauberei: Man sagt ja nix, man red't ja bloß


Als die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. bekannt geworden war, gab die Bayerische Staatskanzlei eine Pressemitteilung von Ministerpräsident Seehofer heraus. Darin hieß es unter anderem: "Mit seiner charismatischen Ausstrahlung und seinem unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Kirche hat der Papst aus Bayern die Menschen in aller Welt begeistert."
Als ich den Satz in den Nachrichten - indirekt zitiert - das erste Mal hörte, ließ er mich zusammenzucken. "Unermüdlicher Einsatz"... Dabei geht doch die ganze Rücktrittsgeschichte des Papstes genau darum, daß sein Einsatz ermüdlich war. Alter, Krankheit, zu viel Arbeit für einen Mann dieses Alters und Gesundheitszustandes, all das zusammen hat seine Kraft ermüden lassen.

Anfang der achtziger Jah­re war in einer Lüneburger Zeitung dieses Bild samt merkwür­diger Unterschrift zu sehen.
https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgf_GwJ_4LOhOQ1ti7zov7HJxF-QCDBD345Q9R9VJDb2oaAB_sq46YlS4i9QKbODmVlAb6wbardqoCKTH-Zxx61H-U19URdS22Uq1xTiu6NUMBMxngk-rlFTIF4zb3gwnzDb2JC3vXmdSJC/s1600/Saline+L%C3%BCneburg.jpg
Genaugenommen sind natürlich weder das Bild noch die Unterschrift merkwürdig. Sehr merkwürdig allerdings wird es, wenn man weiß, daß das Bild einen Artikel illustrierte, in dem es darum ging, daß die Lüneburger Saline nunmehr - nach eben über 1000 Jahren - wegen Unrentabilität geschlossen wird.
Unter dem Motto der untrennbaren Verbundenheit berichtet die Zeitung darüber, daß Lüneburgs Verbindung mit der Saline nicht nur doch trennbar ist, sondern demnächst auch tatsächlich getrennt wird.
Weiß Gott, wieviel hundert Jahre lang Lüneburger Festredner bei weiß Gott welchen Gelegenheiten die Worthülse von der untrennbaren Verbindung von Stadt und Saline schon verwendet haben. So oft jedenfalls, daß der Zeitungsredakteur die Unsterblichkeit der Verbindung auch dann noch betont, wenn er von deren Tod berichtet.

Donnerstag, 7. Februar 2013

Ehrfurcht

Ob ich den Tag noch erlebe, an dem die Überzeugung eines Atheisten von Gläubigen voll Ehrfurcht respektiert wird?
"Sprich nicht von Gott vor ihm, mein Kind, sein Nichtgott ist ihm heilig."