Dienstag, 30. August 2011

Zenon, Achilles und die Schildkröte

Der vergessene Denker Costabile Matarazzo
1869 veröffentlichte der botanisierende Mönch Gregor Mendel einen Aufsatz über Ex­perimente, bei welchen er die Gesetze der Vererbung entdeckt hatte. Der Aufsatz des wissenschaftlichen Außenseiters Mendel blieb 25 lange Jahre lang unbeachtet.
1959 veröffentlichte der philosophierende Journalist Costabile Matarazzo einen Auf­satz über seine verblüffenden Überlegungen zum Zenon’schen Paradox von Achilles und der Schildkröte. Der Aufsatz des wissenschaftlichen Außenseiters Matarazzo blieb bis heute unbeachtet.
Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, hat uns der griechische Philosoph Epimenides ei­ne erlogene Geschichte überliefert.
Ein Kreter habe einmal zu ihm gesagt: "Alle Kreter sind Lügner." Epimenides weist nach, daß diese Aussage eines Kreters über die Kreter in ein logisches Dilemma führt. Wenn es näm­lich stimme, daß alle Kreter Lügner seien, dann müsse sein kretischer Gewährsmann sel­ber einer sein, sei dessen Aussage folglich erlogen. Dann aber seien nicht alle Kreter Lüg­ner, der kretische Gewährsmann könne also selbst einer dieser wahrheitsliebenden Kreter sein, was wiederum hieße, daß seine Aussage stimme, er selber also doch ein Lügner sei.
Diese kleine Geschichte mit der sich im Kreise drehenden Schlußfolgerung verfolgt die abend­ländische Philosophie seit zweieinhalb Jahrtausenden. So richtig zufrieden ist man mit den vorgeschlagenen Lösungen bis heute nicht.

Achilles und die Schildkröte

Die lügnerischen Kreter sind ein Klacks im Vergleich zu dem Ärger, den ein Kollege des Epi­menides, Zenon von Elea, mit seiner Geschichte von Achilles und der Schildkröte der Phi­losophie beschert hat. Sie kennen die Geschichte natürlich, werden sie aber wahr­schein­lich nicht mehr in allen Einzelheiten parat haben.
Achilles, der große Krieger, läuft mit einer Schildkröte über - sagen wir mal - 200 m um die Wet­te. Da Achilles zehnmal schneller läuft als die Schildkröte, bekommt diese der Fairness hal­ber einen Vorsprung von 100 m. Der Gesunde Menschenverstand beharrt darauf, und ist durch nichts von dieser Überzeugung abzubringen, daß Achilles die Schildkröte sehr bald ein­geholt haben wird und damit den Wettlauf gewinnt. Und wenn der Gesunde Men­schen­ver­stand soweit reicht, lineare Gleichungen mit zwei Unbekannten zu lösen, dann wird er bei un­seren Ausgangszahlen errechnen können, daß Achilles die Schildkröte nach 111,111... m ein­geholt haben wird.
In diese Selbstverständlichkeit bricht Zenon ein und beweist mit logikscharfem Besteck, daß Achilles die Schildkröte niemals einholen wird, niemals einholen kann. In dem Mo­ment nämlich, argumentiert Zenon, da Achilles den Startpunkt der Schildkröte erreicht hat, ist diese ihrerseits 10 m weiter, also bei 110 m. Hat Achilles die 110 m erreicht, so ist er im­mer noch nicht bei der Schildkröte, denn die ist inzwischen wiederum 1 m weiter gekrochen, auf 111 m. Ist Achilles bei 111 m, so ist die Schildkröte bei 111,10 m, und so weiter, und so fort.
Immer dann, wenn Achilles jenen Punkt erreicht hat, an dem die Schildkröte zuletzt war, ist die Schildkröte jeweils wieder ein Stück weiter, so daß Achilles im Laufe des Wettkampfes der Schildkröte zwar sehr, sehr nahekommen wird, sie aber niemals vollständig erreichen und - logischerweise - also auch niemals überholen kann. Denn die Schildkröte bleibt im­mer um ein winziges - wenn auch mit jedem Schritte winziger werdendes - Stück vor Achil­les.
Der Vorsprung der Schildkröte wird, so schlußfolgert Zenon, im Laufe der Zeit zwar un­end­lich klein, völlig verschwinden aber wird er nie. Der schnelle Achilles bleibt also bei al­lem Strampeln stets hinter dem gemächlichen Tier.

Dampfplaudereien

Nicht nur Wissenschaftler, Mathematiker und Philosophen, haben sich im Laufe der Zeit mit dieser Geschichte befaßt. Anspruchsvollere Zeitschriften für das allgemeine Publikum grei­fen im Rahmen von philosophischen Plaudereien Zenons Rätsel gerne auf, wobei die kon­servativeren Blätter es häufig als Beispiel für die Begrenztheit menschlicher Vernunft be­nutzen. Aber auch in den seriöseren Blättern ziehen sich die Autoren gerne mit einigen all­gemeinen Bemerkungen über "Paradoxien" und "Gesunden Menschenverstand" aus der Af­färe. Zenons Paradox sei "nun mal nicht" (eine beliebte Floskel, wenn das Denken aus­setzt) befriedigend aufzulösen, das habe noch keiner gekonnt, da könne man nichts machen. Aber immerhin sei es Zenons Verdienst, durch den Stachel seines Paradoxes die Ent­wick­lung der Infinitesimalrechnung angeregt zu haben.
Die Wissenschaft geht gründlicher an die Sache heran. Ein behördlich anerkannter Phi­lo­soph rückt der Sache mathematisch zu Leibe und verkündet zuversichtlich, Zenons Para­do­xie von Achill und der Schildkröte sei schon lange gelöst. "Achill holt die Schildkröte nach
111,111... m = 100+10+1+0,1+...   m
ein. Der Anschein einer Paradoxie entsteht dadurch, daß Achill sich auch nach Zurücklegung beliebig vieler der positiven Strecken 100, 10, 1, 1/10, 1/100,... immer noch hinter der Schildkröte befindet. Aber die Länge dieser Strecken wird eben immer kleiner und konvergiert gegen 0."
Da hat er recht, der Philosoph. Die obige Formel ist so richtig, wie sie allbekannt ist. Kein Lehr­buch der Infinitesimalrechnung kann es sich verkneifen, einen Hinweis auf Achilles und sei­ne Schildkröte einzuschieben. Stolz, den Trick mit der Unendlichkeit endlich kapiert zu ha­ben, rechnet der Schüler die Gleichung nach, kommt zum richtigen Ergebnis und findet auf der nächsten Seite seines Lehrbuchs eine verschämte Anmerkung des Autors, ihm sei das Gan­ze trotz der mathematisch sauberen Rechnung immer noch irgendwie unheimlich.
Das Unheimliche an Zenons Schilderung des Wettlaufs ist nämlich der - jeder Le­bens­er­fah­rung Hohn sprechende - Eindruck von unglaublicher Mühseligkeit und Anstrengung, mit der Achil­les einen Wegabschnitt nach dem anderen läuft und läuft und dabei der Schildkröte im­mer nur näher und näher kommt, sie aber lange und lange nicht erreicht. Ein Eindruck, der auch mit der Infinitesimalformel im Kopf nicht verschwindet.

Vom Sein und der Verlegenheit

In meinem Lehrbuch der Infinitesimalrechnung war zu lesen, daß die "Paradoxie des Zenon vom mathematischen Standpunkt aus nur so verstanden werden ...(kann)..., daß Achilles die Schild­kröte zwar zu keinem Mal (niemals) innerhalb der unendlichen Folge einzelner Weg- und Zeitintervalle einholt, aber sie dennoch nach einer endlichen Zeitspanne, also nicht ‘nie’, tatsächlich erreicht."
Diese Erklärung ist nun alles andere als zufriedenstellend. Sie läuft, in Alltagsdeutsch über­setzt, auf die Feststellung hinaus, daß Achilles die Schildkröte bestimmt irgendwann, vor dem Ende der Unendlichkeit, erreicht - aber: das kann dauern. Und: Auch dieser Schluß stimmt ganz offensichtlich nicht mit der Beobachtung überein, denn in der Realität wäre das gan­ze Rennen eine Sache von Sekunden.
Auch den Lehrbuchautoren ist klar, daß dies nicht das Gelbe vom Ei ist, denn sie sprechen an­schließend, sichtlich verlegen, von der "kontinuierlichen, bzw. diskontinuierlichen Struk­tur von Raum und Zeit", und von der "Unendlichkeit als potentieller Denkmöglichkeit, bzw. ak­tualer Wirklichkeit", flüchten sich also in das Seins–Gebrabbel des Irgendwie. Und weil ih­nen diese Flucht in die Unverbindlichkeit der Ontologie durchaus bewußt ist fahren sie fort, die "verschiedenen Deutungsversuche im Laufe der Geistesgeschichte" hätten "letzt­lich nur erkenntnistheoretische Bedeutung, während die reine Mathematik auch ohne sie" aus­komme. "Denn die Mathematik schafft sich die Welt ihrer Wirklichkeit selbst."
Entnervt erklären sich also die philosophierende Mathematiker - sicherheitshalber - für un­zu­ständig und reichen den Schwarzen Peter an die Philosophie weiter, die es sich aber an­schei­nend mit der mathematischen Formel ganz kommod eingerichtet hat.
Alle Welt scheint sich um das Zenon’sche Paradox von Achilles und der Schildkröte her­um­zudrücken. Letztlich versucht man uns einzureden, als denkender Mensch müsse man sich damit abfinden, daß logisches Denken zwar wunderbare Gebäude zu erzeugen vermag, die­se Gebäude aber gelegentlich unter einem sanften Fußtritt einfach zerbröseln.

Paradoxien sind logischer Sprengstoff

Paradoxien oder Antinomien sind die Hofnarren der Philosophie. Sie nehmen Prämissen, (in­haltlich) unstreitige Grund–Sätze, von denen jeder vernünftige Mensch ausgehen kann, aus­gehen muß. Dann greifen sie sich - ebenso unstreitige - (formal–)logische Ver­knüpf­ungs­re­geln. Der Baukasten ist komplett: Aus wahren Prämissen und richtigen Ver­knüpf­ungs­re­geln kann - nein muß! - jeder vernünftig denkende Mensch zu wahren, d. h. mit der Realität über­einstimmenden Aussagen kommen. Fein.
Und dann kommt die Realität aus ihrem Loch gekrochen und hat die Stirn, mit den aus wah­­ren Prämissen korrekt abgeleiteten Sätzen nicht übereinzustimmen.
Und das war’s dann? Darüber kann man mit einem schief–verlegenen Lächeln hin­weg­ge­hen?
Man kann es nicht! Solange eine logische Paradoxie unerklärt im Raum stehen bleibt, kann das nur dreierlei heißen:
*         Entweder ich bin nicht in der Lage, richtig zu beobachten, d. h. die scheinbar so evi­den­te Realität ist gar nicht so, wie sie meinen menschlichen Augen erscheint.
*         Oder die Prämissen sind Makulatur.
*         Oder - wer wagt es, zu denken? - meine schöne Logik ist an einer Stelle undicht. So un­dicht, daß sie das Wasser der Wahrheit nicht halten kann.
Wie auch immer: Wer denkt, weil er - abgesehen vom Genuß des Denkens an sich - ir­gend­wann auch ein Ergebnis mit nachhause nehmen will, der kann über Zenons Paradox nicht loc­ker hinweghüpfen, den werden solche Paradoxien beunruhigen bis ins Mark. Denn - ma­chen wir uns das mal in aller Schärfe klar:
*         Daß Zenons Beweisführung falsch sein muß, wissen wir.
*         Wir wissen es aber nur deswegen, weil das Ergebnis der Beweisführung an diesem ei­nen Beispiel absolut absurd ist.
So falsch - das ist allen klar - kann unsere Beobachtung gar nicht sein, Achilles wird zwei­fel­los die Schildkröte überholen.
Solange wir jedoch nicht wissen, warum Zenons Argumentation falsch ist, bleibt ein fol­gen­schwerer Stachel im Gehirn. Was, so bleibt zu fragen, ist in jenen Fällen, in denen die lo­gisch so eindeutig scheinende Beweisführung ebenfalls falsch ist, das falsche Ergebnis die­ser fehlerhaften Beweisführung aber plausibel bleibt, der Fehler im Ansatz also nicht ein­deu­tig und evident ins Auge springt? Können wir uns unter diesen Umständen noch auf un­ser wichtigstes Denkinstrument, die Logik, verlassen?
Das Problem, das sich stellt, ist mit einem Computer vergleichbar, der eigentlich immer zu­ver­lässig arbeitet, bei einer bestimmten einfachen, leicht nachzuprüfenden Berechnung aber im­mer das falsche Ergebnis errechnet und keiner der Hard– und Softwarespezialisten kommt darauf, warum diese eine Sache immer falsch errechnet wird. Wirklich wichtige Berechnungen wird man diesem Computer nicht anvertrauen können, sondern einen anderen neh­men.
Wir haben aber nur diese eine und einzige Logik.

Costabile Matarazzo

Elea, in dem Zenon als Philosoph wirkte, war 500 v. Chr. eine griechische Stadt. Es liegt in Italien, knapp 150 km südlich von Neapel.
Knapp 30 km nördlich von Elea und zweieinhalb Jahrtausende nach Zenon wurde 1911 in Castel­labate Costabile Matarazzo geboren. Er studierte in Neapel, später in Rom, Jura, Lite­ra­turgeschichte und Philosophie.
1959 hielt er in Vallo della Lucania - in Sichtweite des antiken Elea, was wörtlich zu ver­ste­hen ist - einen Vortrag, in welchem er behauptete, das Zenon'sche Paradox von Achilles und der Schildkröte aufgelöst zu haben.
Wiewohl Matarazzo als Journalist italienweit einen gewissen Ruf genoß, wurde er als phi­lo­sophierender Journalist offensichtlich nicht recht ernst genommen. Dazu mag beigetragen ha­ben, daß Matarazzo das schwierige Thema auf eine leicht verständliche, angenehm lesbare Art und Weise dargestellt hat, ein Umstand, der auch einen ausgewiesenen Wissenschaftler schnell in den Verdacht bringt, nichts Substantielles gesagt zu haben.
Tatsache ist, daß weder Matarazzos Vortrag noch sein Aufsatz in der Folgezeit irgendeine Be­­achtung fanden..
1996 ist Costabile Matarazzo in seinem Heimatort Castellabate gestorben.

Die meisten Dinge sind einfach

Nachdem Matarazzo das Problem dargestellt, seine Bedeutung herausgestrichen und die Gren­­zen der bisherigen Lösungsversuche aufgezeigt hat, kommt er zum Kern.
 "Unser Mathematiklehrer, hatte uns, die wir kurz vor dem Abitur standen, eine Haus­auf­ga­be gegeben:
Ein Spaziergänger will von Punkt A zum 5 km weit entfernten Punkt B gehen. Auf sei­nem Wanderhut sitzt eine Amsel, bereit, ebenfalls nach B zu fliegen. Der Spaziergänger geht mit einer gleichmäßigen Geschwindigkeit von 5 km/h, während die Amsel mit der zehn­fachen Geschwindigkeit fliegt. In dem Moment, da der Fußgänger zu seiner Wan­de­rung nach B aufbricht, erhebt sich auch die Amsel von seinem Hut. Wenn die Amsel bei B angekommen ist, dreht sie sofort um und fliegt zum Wanderer zurück.
Ist die Amsel beim Wanderer, der inzwischen seinerseits ein Stück Weg zurückgelegt hat, angekommen, dreht sie sofort wieder um, fliegt nach B, dreht dort um, fliegt bis zum - inzwischen noch näher gekommenen - Spaziergänger usw. usf. - bis schließlich auch der Wanderer bei B angekommen ist.
Die Frage lautete nun: Wieviel Kilometer hat die zwischen dem festen Punkt B und dem ständig sich verändernden Punkt F (gleich Fußgänger) hin– und herpendelnde Am­sel zurückgelegt?
Vor Eifer glühend schloß ich mich an diesem Nachmittag in meinem Zimmer ein, kon­zen­trier­te mich darauf, Bewegungsgleichungen für Fußgänger und Amsel aufzustellen. Meh­rere Stunden lang hatte ich einen winzigen, aber entscheidenden Fehler im Ansatz, machte dann noch ein, zwei Rechenfehler und war schließlich - es war bereits weit nach Mit­ter­nacht - zum, wie sich herausstellte, richtigen Ergebnis gekommen.
Unser Mathematiklehrer lobte mich am nächsten Tag für meinen Fleiß und meine Aus­dau­er, immerhin war ich der einzige in der Klasse gewesen, der das richtige Ergebnis ge­fun­den hatte. Dann lächelte er uns an und meinte, es gebe noch einen anderen Ansatz. Der Fuß­gänger sei doch eine Stunde unterwegs? Wir nickten - ganz leicht auszurechnen. Also flie­ge logischerweise auch die Amsel eine Stunde. Wir mußten wieder nicken. Die Amsel er­rei­che 50 km/h, also müsse sie in der einen Stunde 50 km zurücklegen.
Damals ging ich weinend von der Schule nachhause.
Meine bleibende Erkenntnis aus dieser ebenso bitteren wie prägenden Erfahrung läßt sich so formulieren:
Die meisten Dinge sind einfach. Sie werden erst durch schlaue Leute zum Problem.

Zenon und die Zeitlupe

Und dann fährt er fort:

Es wird nun Zeit, sich endlich auf das Problem selbst zu konzentrieren. Lassen wir das Ren­nen mehrmals - unter verschiedenen Blickwinkeln - vor unserem geistigen Auge ab­lau­fen.
Wie würde ein unbefangener, philosophisch oder physikalisch nicht vorgebildeter Be­ob­ach­ter die Szene beschreiben?
*        Beide Sportler laufen los, die Schildkröte langsam, Achilles erheblich schneller. Bald hat Achilles die Schildkröte eingeholt, überholt und wird schließlich über­le­ge­ner Sieger.
Nun stellen wir uns einen physikalisch geschulten Beobachter vor und bitten ihn, den Ab­lauf des Rennens möglichst präzise festzuhalten:
*        Achilles ist anfangs bei Punkt 0, die Schildkröte bei Punkt 100 und beider Ziel ist Punkt 200. Nach einer gewissen Zeitspanne t ist Achilles bei 50, die Schildkröte da­ge­gen (sie hat nur ein Zehntels des Weges von Achilles zurückgelegt) bei 105. Nach der doppelten Zeit 2·t ist Achilles bei 100, die Schildkröte bei 110. Nach der drei­fa­chen Zeit 3·t ist Achilles bei 150 und die Schildkröte bei 115.
Achilles hat also die Schildkröte bereits überholt. Den Rest des Beobachtungsprotokolls kön­nen wir uns sparen.
Zu guter Letzt lassen wir Zenon das Rennen beschreiben.
*        Achilles ist anfangs bei Punkt 0, die Schildkröte bei Punkt 100 und beider Ziel ist Punkt 200. Nach einer gewissen Zeitspanne t ist Achilles bei 100, die Schildkröte da­ge­gen bei 110. Nach einer weiteren Zeitspanne 1/10·t ist Achilles bei 110, die Schild­krö­te dagegen bei 111. Nach wiederum einer Zeitspanne 1/100·t ist Achilles bei 111, die Schildkröte dagegen bei 111,10, zum Zeitpunkt 1/1000·t, schließlich ist Achilles bei 111,10, die Schildkröte dagegen bei 111,11 usw. usf.
Achilles wird die Schildkröte niemals einholen.
Merken Sie was? Merken Sie den Unterschied? Der normale, physikalisch geschulte Be­ob­ach­ter benutzt für seine Beschreibung gleiche Zeitabstände, Zenon dagegen wählt ein Be­ob­ach­tungsintervall, das von Meßpunkt zu Meßpunkt kleiner wird.
Lassen Sie es mich Ihnen noch etwas anschaulicher darstellen: Stellen Sie sich vor, das Ren­nen zwischen Achilles und der Schildkröte wäre mit einer Filmkamera aufgenommen wor­den und unsere Beobachter sehen sich jetzt den Film an.
*        Der naive Beobachter läßt den Film einfach ablaufen und freut sich dran.
*        Der physikalische Beobachter läßt den Film an vier - zeitlich gleich weit entfernten - Stel­len anhalten, notiert sich die Zwischenstände und läßt dann jeweils weiter lau­fen.
*        Zenon hingegen sieht sich den Film bis zur Hälfte ganz normal an, schaltet dann den Pro­jektor auf Zehnfach-Zeitlupe, stellt fest, daß Achilles (bei der Projektion) für den we­sentlich kürzeren Weg nun genauso lange braucht wie zuvor für den langen, schal­tet nun auf hundertfache Über-Zeitlupe, macht wiederum die gleiche Beobachtung von Achilles’ Langsamwerden und schaltet dann auf Super-, schließlich auf Giga-Zeit­lupe usw. usf.
Das heißt: Zenon "beobachtet" in diesem Gedankenexperiment gar nicht, daß Achilles die Schildkröte niemals einholen wird.
Sondern?
Sondern er weigert sich einfach, hinzuschauen, solange hinzuschauen, bis Achilles das Tier eingeholt hat. Indem er die Beobachtung, nur die Beobachtung, nicht den tatsäch­li­chen Ablauf ad infinitum zerdehnt, kommt er zu seinem sensationellen, beunruhigenden Pa­ra­dox
"Achilles ist ganz knapp hinter der Schildkröte. So, in der Bewegung eingefroren, wie die bei­den jetzt sind, lassen wir sie stehen und diskutieren die nächsten zweieinhalb Jahr­tau­sen­de darüber, warum Achilles die Schildkröte nicht einholen kann."
Hätte Zenon die Geschichte auf diese Weise erzählt, hätte er niemals Generationen von Phi­losophen und Mathematikern zum Narren halten können. So aber zwingt er sie mit ei­nem Taschenspielertrick zu komplexen Infinitesimalgleichungen, wo Kopfrechnen - ach was!: - Nachdenken genügt hätte."

Soweit Costabile Matarazzo.
Das Bemerkenswerte an Matarazzos Aufsatz ist die Tatsache, daß er das philosophische Prob­lem nicht mathematisch angeht, sondern eben philosophisch. Matarazzo lenkt die Auf­merk­samkeit auf den Umstand, daß Zenon vorgibt, ein Bewegungsproblem konstruiert zu ha­ben, während der ganze Ärger lediglich eine Sache der auf den Sankt Nimmerleinstag ver­zö­gerten Beobachtung ist. Zenon macht die Beobachtungsintervalle so klein und immer klei­ner, daß er faktisch nie dazu kommt, einen Strich zu ziehen und sein "Jetzt ist’s pas­siert!" unter das Beobachtungsprotokoll zu schreiben.
Oder, anders ausgedrückt: Matarazzo löst das Problem nicht, das seit Newton und Leibniz je­der Gymnasiast lösen kann, sondern er zerfetzt die Fragestellung. Zenons Problem braucht kei­ne Lösung, weil das Problem nicht existiert.
Und wenn ich die Geschichte der nachmittelalterlichen Mathematik noch richtig im Kopf ha­be, dann war es in der Tat nicht der Stachel Zenons, der die Infinitesimalrechnung aus den Hir­nen hervorgekitzelt hat, sondern Newtons und Leibniz’ Notwendigkeit, die Bewegung der Planeten mathematisch in den Griff zu bekommen.
Muß ich noch extra erwähnen, daß Costabile Matarazzo auch das logische Paradox vom lü­gen­den Kreter mit einem eleganten Schlenker in wenigen Sätzen erledigt?
"Ein logischer Teufelskreis", stimmt Matarazzo hinterfotzig zu, "aus dem es kein Ent­rin­nen gibt - wenn...
Wenn denn das Wort "Lügner" bedeuten würde, daß jeder Aussagesatz eines Lügners er­lo­gen wäre. Nun ist Ihnen klar, daß dem nicht so ist, weil dem nicht so sein kann. Niemand ist in der Lage, bei allem, was er sagt, die Unwahrheit zu sprechen (sowenig wie im üb­ri­gen der umgekehrte Fall möglich ist - wir lügen alle ab und zu, und sei es aus Höflichkeit und Erbarmen). Ein "Lügner" ist vielmehr ein Mensch, der bedeutend häufiger als der Nor­malmensch die Unwahrheit sagt. So gesehen dürfen wir auch dem dreistesten Lügner glau­ben, wenn er von sich behauptet, er sei ein Lügner."

Montag, 29. August 2011

Lebensrettende Katastrophen

Heute morgen habe ich im Radio gehört, der Wirbelsturm "Irene" habe in den Vereinigten Staaten bislang mindestens 21 Menschen das Leben gekostet.
Das ist nicht viel, bedenkt man die Opferzahlen, die gemeinhin bei tropischen Wirbelstürmen zu beklagen sind. Das ist viel, stellt man in Rechnung, daß 21 Tote bei einem einzigen Ereignis schon ganz erheblich sind.
Auf der anderen Seite wäre eine Gegenrechnung interessant: Wie viele Menschen kamen in den Tagen der Evakuierung, der Ausgangssperre und der nicht fahrenden Öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu Tode, eben weil es mangels Verkehr nicht zu Unfällen kam, weil in den U-Bahnen und auf den Straßen niemand ermordet werden konnte.

Vor vielen Jahren habe ich folgende Zeitungsmeldung gefunden.
 Schon damals hatte ich mich gefragt, wie viele Morde in der Zeit der Hitze nicht passiert sind, die man nach der Statistik eigentlich hätte erwarten können.

In Deutschland erleben wir es fast jeden Winter, daß extremes Glatteis auf den Straßen zwar die Zahl der Unfälle in die Höhe treibt, diese Unfälle aber in aller Regel harmlose Blechschäden bleiben. Selbst der wildeste Dumpfie fährt bei Glatteis Schrittgeschwindigkeit oder nur ganz wenig mehr als das, weil sich anderenfalls der Wagen sofort quer stellt oder im Straßengraben verschwindet.
Nie sind die Straßen sicherer als bei Glatteis, scheint mir.

Donnerstag, 25. August 2011

Walkürenritt und Krieg


Selbst wer den Film "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola nicht gesehen hat, kennt sehr wahrscheinlich die Szene mit dem Hubschrauberangriff, die von Wagners "Walkürenritt" musikalisch untermalt wird.
Eben bin ich beim Suchen in YouTube auf ein Filmchen aus der Deutschen Wochenschau vom 3. September 1941 gestoßen.


Jetzt sagt selbst.

Mittwoch, 24. August 2011

Schwulitäten

Der Franze hat gsagt, in Bayern wärn selbst die Weiber noch richtige Männer. So gesehen, sagt er, sind alle Bayern schwul.

Montag, 22. August 2011

Sondermüll

Immanuel Kant stellte einst die Frage "Was ist der Mensch?" Ich weiß nicht, welche Antwort auf diese Frage der freundliche Herr Kant hatte - ich weiß, daß der Mensch eine kostengünstige Sondermülldeponie ist.

Sonntag, 21. August 2011

Stratocumulus?

Der Franze hat gsagt, ihm wär es wurscht, wie die Wolken alle heißen. Hauptsach, sagt er, sie sind nicht da.

Dienstag, 9. August 2011

Sigmund Freud in der Schweinebucht

Wenn ich mit arrogant-nachlässiger Bewegung den Begriff "Freudscher Versprecher" in den Raum werfe, so werden (fast) alle mit dem Kopf nicken und wissen, was ich damit meine. Früge ich allerdings tückisch nach, was denn nun also ein Freudscher Versprecher sei, so würden sich vermutlich etliche, gar viele auf ein diffuses "Öhm, das weiß doch jeder" zurückziehen.
Alsdann, damit alles klar ist, und zwar für alle, zitiere ich die Wikipedia. "Ein Freud’scher Versprecher (nach Sigmund Freud), auch Lapsus linguae genannt, ist eine sprachliche Fehlleistung, bei der ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers unwillkürlich zu Tage tritt. Bei der Bewertung eines scheinbar sinnlosen Versprechers als einer Freud’schen Fehlleistung wird davon ausgegangen, dass in der Bedeutungsabweichung, die durch einen Versprecher entsteht, eine unbewusste Aussage zum Vorschein kommt. Es wird also nicht angenommen, dass solchen Versprechern eine einfache, (neuro-)physiologische oder auch assoziative Beeinflussung der Sprachproduktion zugrunde liegt, sondern behauptet, dass es vor allem eine psychische Ursache dafür gibt. Bei den Freud’schen Fehlleistungen würde somit anstelle des eigentlich Gemeinten etwas gesagt werden, das dem Gedachten ggf. sogar besser entspräche und in diesem Sinne interpretiert werden könnte."
Die Wikipedia ist so freundlich, mir den Weg zum Bücherregal zu ersparen und bringt ein Beispiel von Freud selber:
"Ein Mann erzählt von irgendwelchen Vorgängen, die er beanstandet, und setzt fort: Dann aber sind Tatsachen zum ‚Vorschwein‘ gekommen. Auf Anfrage bestätigt er, dass er diese Vorgänge als 'Schweinereien' bezeichnen wollte. 'Vorschein' und 'Schweinerei' haben zusammen das sonderbare 'Vorschwein' entstehen lassen."
Sigmund Freud, Zur Psychopathologie des Alltagslebens
Noch ein Beispiel von Freud, immer noch aus der Wikipedia [1]
"Freud führt in der Psychopathologie des Alltagslebens an: Der deutschnationale Abgeordnete Lattmann tritt 1908 im Reichstag für eine Ergebenheitsadresse an Wilhelm II. ein, und wenn man das tue, "so wollen wir das auch rückgratlos tun". Nach, laut Sitzungsprotokoll, minutenlanger stürmischer Heiterkeit erklärt der Redner, er habe natürlich rückhaltlos gemeint.
Und weiter:
Otto Rank führt im Zentralblatt für Psychoanalyse eine Stelle aus Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" an: Porzia ist es eigentlich durch ein Gelübde verboten, Bassanio ihre Liebe zu gestehen, sagt aber "Halb bin ich Euer, die andre Hälfte Euer - mein wollt ich sagen."
Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gab am 24. November 2008 bei der 3. Berliner Medienrede als Redner folgenden Kommentar von sich: "Und inzwischen eröffnen uns Computer und Internet ganz neue Austausch- und Informationskontrollen", gemeint war: Austausch- und Informationskanäle.

So, und vor diesem Hintergrund lese man sich folgenden Ausschnitt aus der FAZ von 1978 mal durch:
Invasion und Investition verschmelzen zur "Investion" und der Autor beschreibt mit diesem sinnlosen Wort sehr korrekt die ökonomischen Hintergründe der Landung in der Schweinebucht.

Abschließend sei's geseufzt: Ich kann nur hoffen, daß mir in diesem Beitrag kein Freudscher Verschreiber unterlaufen ist.


[1]   Ich bin penibel, ich weiß, aber ich laß mich doch hier nicht als Guttenberg beschimpfen.

Montag, 8. August 2011

Paradoxie als Lösung

Manchmal kann man sich in einem Streit dadurch durchsetzen oder Konflikte gar von vornherein vermeiden, daß man sich schlicht weigert, sich vernünftig - vernünftig im Sinne der Situation - zu verhalten.

Ephraim Kishon erzählt einmal die Geschichte eines Autofahrers, der nach einer Verkehrsübertretung von einem Polizisten angehalten wird. Der Autofahrer, der inzwischen aus dem Wagen gestiegen war, ließ sich aufseufzend zu Boden fallen und rief "Nein! Neeeeiiiin! Bitte nicht mehr schlagen!", während er sich auf dem Boden wälzte wie nach einem heftigen, schmerzhaften Schlag. Der Polizist, der inzwischen zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sämtlicher Passanten geworden war, scheuchte den Autofahrer in den Wagen zurück und hieß ihn sich trollen - ohne Strafmandat, versteht sich.
Vor vielen, vielen Jahren habe ich mal die Geschichte eines US-Senators gelesen, dem nachts auf einer Straße in Washington ein Räuber mit vorgehaltener Pistole die bekannte Frage stellte: "Geld oder Leben?" Der Senator meinte, er, der Räuber, könne beides haben. Er sei unheilbar krank, habe sich deswegen schon umbringen wollen, aber nie den Mut dazu gefunden. Dies nun sei eine günstige Gelegenheit und er möge doch abdrücken und sich anschließend das Geld aus der Tasche fischen. Der Räuber floh, aufs Höchste irritiert.

Was haben die beiden Männer gemacht? Sie haben nicht das getan, was man in solchen Situationen vernünftiger- oder doch wenigstens üblicherweise macht. Der Autofahrer hat sich weder auf Leugnen oder Jammern verlegt noch cool gefragt, was der Spaß denn nun koste, auch der Senator hielt sich nicht an die Spielregeln eines Straßenraubs. Beide traten aus der Rolle, die ihnen die jeweiligen Gegenspieler zugedacht hatten heraus und begannen ihr eigenes, auf den ersten Blick völlig absurdes Spiel. Ein Spiel, mit dem ihre Gegenspieler überhaupt nichts anzufangen wußten. Für den Straßenräuber war die Drohung mit der Pistole ein Mittel gewesen, an das Geld zu kommen. Er war nicht drauf aus, sein Opfer zu töten, aber er hätte vermutlich keinerlei Skrupel gehabt, den Senator niederzuschießen, wenn der das Geld verweigert oder sich gar gewehrt hätte. So aber...
Auf die Bitte seines Opfers, ihn doch zu töten war er nicht vorbereitet gewesen.

Warum ich das erzähle?
Als damals der Jugoslawien-Konflikt eskalierte (und schließlich in Krieg und Gemetzel endete), habe ich mir manchmal gedacht: Wenn ich jetzt Außenminister wäre, dann würde ich öffentlich und stetig wiederholt die Jugoslawen, alle Jugoslawen, unabhängig von Nationalität und Religion, als Tschuschen beschimpfen, als widerliche, dreckige Tschuschen, die sich gefälligst nicht so aufführen sollten. Schließlich seien sie letztlich nichts als Tschuschen und ihren Stolz, Kroaten, Bosniaken oder Serben zu sein sollten sie sich gefälligst in ihren tschuschischen Drecksarsch schieben.
Mein lieber Schwan, wie wären diese Leute - gemeinsam - über mich hergefallen...
Geschmacklos? Freilich.
Aber lieber geschmacklos als Srebrenica.

Sonntag, 7. August 2011

Jagdszenen in Oberbayern

Jetzt hat es sich die Yvonne verschissen. Im Juni bereits war die Kuh von einem Viehtransporter entsprungen, hatte sich in die Büsche geschlagen und ist seitdem unauffindbar geblieben in den Wäldern rund um Zangberg.
Man darf sich die Wälder rund um Zangberg bei Mühldorf/Inn nicht als riesige und undurchdringliche Urwälder vorstellen. Es sind die üblichen Holzplantagen, eher klein, sauber ausgeforstet und also überschaubar. Eine Kuh kann sich tagsüber nicht einfach in einer Dachshöhle verstecken (noch will sie dieses) und es braucht keine bestandene Jagdprüfung, um einzusehen, daß eine Kuh deutlichere Spuren hinterläßt als ein Hoppelhase. Wo eine Kuh gar hinscheißt, da merkt auch der schlichtere Wanderer, daß da eine Kuh hingeschissen hat. Eigentlich, so meint man, müßten zwei, drei Waidmänner hinreichen, der Kuh binnen weniger Tage auf die Spur zu kommen.
Denkste. Yvonne läuft immer noch frei rum. Tierschützer vom Gut Aiderbichl bei Salzburg haben die Kuh inzwischen gekauft und der Verwalter des Gutes meinte, Yvonne sei wohl ein äußerst schlaues Tier. "Die hätte die Matura dreimal geschafft", behauptet er. Ja, gut, die Matura vielleicht nicht, aber ein Doktortitel sollte bei den hiesigen Anforderungen schon drin sein.
Nun aber hat es sich - wie gesagt - die Kuh verschissen und ist vom Landratsamt Mühldorf-Inn zum Abschuß freigegeben worden, ihr droht ein Schicksal wie dem Problembären Bruno. Du frägst dich jetzt, was an einer Kuh gefährlich sein soll und natürlich kommst du nicht drauf. Yvonne aber hat einen verhängnisvollen Fehler gemacht: Sie überquerte gerade in dem Moment, da ein Polizeiauto vorbei kam, die Straße. Wegen der Gefahr einer freilaufenden Kuh für den Straßenverkehr gilt Yvonne nun als Sicherheitsrisiko, ihre Flucht soll mit Nachdruck beendet werden.
Du greifst dir ans Hirn und sagst dir, ob man sich das denn nicht auch schon zuvor hätte denken, daß nämlich eine freilebende Kuh auch mal eine Straße überquert. Die Antwort ist brutaliter "Nein", denn ansonsten hätte man es sich ja gedacht.
Auf die naheliegende Lösung, in dem betreffenden Gebiet allen Autofahrern langsame und vorausschauende Fahrweise anzuempfehlen scheint auch noch keiner gekommen zu sein. Hinmachen ist halt einfacher.

Freitag, 5. August 2011

Mublobdob - Eine Literaturempfehlung

Eins muß klar sein: Wennst du den wunderbaren Roman "MUBLOBDOB - Eine Geschichte von Leidenschaft und Zufall" nicht kennen tust, dann liegt das nicht an deiner mangelnden Bildung. Höchstwahrscheinlich liegt es daran, daß dieser Roman noch nicht veröffentlicht worden ist. Das heißt, irgendwie veröffentlicht worden ist er schon, aber halt bloß im Internet, in einer Buchhandlung kannst du dich danach wundfragen, du wirst das Buch nicht finden.
Was natürlich schade ist, denn der Roman ist von mir.

Was die Handlungsführung dieses Romans betrifft, so ist sie ein wenig chaotisch. So chaotisch, daß ich mich mit ihrer Darstellung überfordert fühle.
Ich räume den Platz und gebe den beiden Freunden Anton und Boris das Wort, welche es vielleicht schaffen, Ihnen die Handlung so einigermaßen klarzumachen. 

Anstatt eines Exposés
Langsam, sehr langsam öffnet sich der Vorhang und gibt den Blick frei auf ei­­ne bis in das letzte Raumfitzelchen grellerleuchtete Bühne. In der Mit­te der ansonsten absolut kahlen Bühne, ein wenig vielleicht nach links ver­setzt, stehen zwei Fässer, in denen - so behauptet der Aufdruck - frü­her einmal Salzheringe eingemacht gewesen sein müssen. Eines der Fässer ist leer, im anderen steht Boris. Boris ist schwer bandagiert: sein Kopf ist eingemullt, von der Schädelkalotte bis zum Kinn, beide Unterarme sind ge­schient und selbst aus dem offenen Hemdkragen ragt noch ein Eckchen weißer Verband heraus. Unruhig steht Boris in seinem Faß, nervös blickt er alle naselang seitlich nach hinten, verrenkt sich fast den Hals in sei­nem Bemühen, dorthin zu blicken, wo doch nichts los ist.
Nach siebenunddreißig Minuten wird Bewegung hinter der Bühne hörbar; Bo­risens Gesten der Neugier werden hektischer und häufiger. Wiederum zwölf Mi­nuten später erscheinen vier stämmige Bühnenarbeiter im Blaumann, äch­zend, stöhnend und fluchend Anton an seinen Gliedmaßen in ihrer Mitte tragend. Anton zwinkert Boris mit dem linken Augenlid beruhigend zu, Bo­ris beantwortet die knappe Geste mit heftigem Schwenken der Arme. Anton ist schwer bandagiert: sein Kopf ist eingemullt, von der Schädelkalotte bis... aber das hatten wir schon. In den verkrampften Händen hält Anton ein Buch, etwa doppelt so groß wie ein Schul-Atlas. Während der nächsten achteinhalb Minuten, in denen unter ständigem "Hooo - Rruck!"-, "Zuuu - gleich!!"- und "Vorrrsicht!!!"-Rufen die Bühnenarbeiter Anton nach oben wuchten und ihn schließlich langsam und vorsichtig in das Faß hinablas­sen, bleibt ausreichend Zeit, den Titel des riesigen Buches zu studieren: "MUBLOBDOB - Eine Geschichte von Leidenschaft und Zufall". Kaum steht Anton sicher im Faß, da verlassen in hektischer Nichts-wie-weg-hier-hält-uns-nichts-Geste die Bühnenarbeiter die Bühne.
Anton und Boris stehen in ihren Fässern und blicken gelangweilt ins Pu­bli­kum. Nach einer guten halben Stunde grell ausgespielter Langeweile er­greift Anton das Buch, das er vor sich auf dem Rand des Fasses abgelegt hatte, und schlägt es auf. Er liest weniger darin, als daß er blättert. Hat Anton wegen seiner Armschienen schon große Mühe, das riesige Buch auch nur zu halten, so ist es fast ein Kunststück für ihn, die Seiten um­zublättern. Nach fast vierzig Minuten des Blätterns, in denen er oft die Stirne gerunzelt, den Kopf geschüttelt und ratlos geprustet hat, taucht Anton wieder aus dem Buch auf. Sein Blick fällt auf Boris, der ihn sei­nerseits die ganze Zeit über unverwandt beobachtet hatte.
ANTON Du, sachma, Boris?
BORIS (ultracool) Jaaa?
ANTON Sachma, Boris, das Buch hier...?
BORIS Was ist mit dem Buch?
ANTON Boris... (Anton seufzt tief) Boris, ich glaub, ich tu's nicht ver­stehen.
Boris seufzt tief und ein wenig gequält auf.
BORIS Was verstehst du nicht, Anton?
ANTON Nun, zum Beispiel... (denkt angestrengt nach) ...dieses Geheimnis um die drei Professoren Zellinger...
BORIS Na, das ist aber doch ganz...
ANTON ...und wieso der Mublobdob am Schluß meint, er müßte zurück auf den Gletscher, um dort zu sterben, damit sich alles erfüllt, weil sonst der Kosmos kaputt geht und wieso das dann schließlich doch nicht nötig ist.
BORIS Also: das ist wegen der drei gleichen Mumien.
ANTON (ein wenig bitter) Ja, ja! Das mit den drei gleichen Mumien ver­steh ich nämlich sowieso und ganz überhaupt nicht. Erst heißt es, eine dieser drei Mumien ist eine Plastikkopie einer der beiden ande­ren und dann tun auf einmal alle so, als gäbe es überhaupt nur zwei Mu­mien, obwohl ständig und weiter von drei Mumien die Rede ist.
BORIS (lacht) Während es in Wirklichkeit eh nur eine Mumie gibt.
ANTON (ein wenig unsicher) Du verarscht mich, Boris, gell?
Boris schüttelt den Kopf.
BORIS (gönnerhaft) Gut, Anton, ich will's dir erklären. Also: Baron Fran­kenstein hat lange und erfolgreich mit wiederbelebten Hundemumien ex­perimentiert und will nun Menschenversuche machen. Dazu klaut er die alte Mumie, bekommt aber aus Versehen die frische Leiche und läßt die Plastikkopie der alten Mumie dort. Klar?
Anton nickt, ein wenig unsicher.
BORIS Gut! Frankenstein erweckt also die frische Leiche, von der er denkt, es wäre die alte Mumie, zum Leben. Diese Leiche - Frankenstein nennt sie "Mublobdob" - verliebt sich in Frankensteins Tochter und flieht mit Hilfe des Geheimagenten Dr. Betz-Lebenstein. Dr. Betz-Le­benstein ist hinter Frankenstein her, weil Frankenstein nämlich, so denkt Dr. Betz-Lebenstein, Dracula ist.
ANTON Aber... hm, Frankenstein ist doch wirklich Dracula, oder?
Nun schaut Boris ein wenig unsicher.
BORIS Is's wahr?
ANTON Denk schon.
BORIS Na, wie auch immer: Dr. Betz-Lebenstein schreibt jedenfalls am Schluß des Buches das Buch, in dem er selber vorkommt, während Ger­hard Rat, Dr. Betz-Lebensteins Helfer, unter dem Namen Dr. Betz-Le­benstein als Geheimagent Karriere macht. Währenddessen fahren die beiden Professoren Zellinger mit ihrer Zeitmaschine in die Vergangen­heit und verdoppeln sich dort.
ANTON (schreit es fast, ungläubig) Was?
Boris denkt nach, unsicher geworden.
BORIS Nein, sie verdoppeln sich nicht, sie sind schon verdoppelt, von früher her.
Anton nickt, zufrieden und stolz.
BORIS Die beiden verdoppelten Professoren Zellinger fahren also in die Vergangenheit, werden dabei zu drei Professoren...
Anton guckt Boris entsetzt an, der dies wohl bemerkt, aber ungerührt bleibt.
BORIS ...und dabei geht die Zeitmaschine kaputt. Deshalb müssen sie nun...
Anton unterbricht Boris.
ANTON Nö, Boris, so geht das nicht. Ich wollte von dir wissen, wieso Mu­blobdob am Schluß meint, er müßte zurück auf den Gletscher, um dort zu sterben, damit sich alles erfüllt, weil sonst der Kosmos kaputt geht und wieso das dann schließlich doch nicht nötig ist.
BORIS Aber Anton, das ist doch wegen der drei gleichen Mumien. Ich hab's dir eben grade erklärt.
Anton schaut ein wenig hilflos. So steht er eine gute Viertelstunde. Dann nimmt er sich ganz unauffällig sein Buch "MUBLOBDOB" wieder und fängt an, drin zu lesen. Auch Boris holt sich sein Buch und liest. Nach etwa zwei Stunden erste Buh-Rufe aus dem Publikum, die sich rasch zu einem schril­len Aufschrei des Unmuts steigern. Anton und Boris blicken verwundert von ihrer Lektüre auf, greifen dann in ihre Fässer und werfen massenweise Ta­schenbuchausgaben des "MUBLOBDOB" ins Publikum. Das Publikum verläßt das Theater, jeder gebannt in sein Taschenbuch vertieft. Manche Besucher sto­ßen beim Rausgehen zusammen, manche fallen von der Galerie ins Parkett, weil sie nicht mehr auf den Weg achten, aber selbst die Verletzten im Parkett lesen gebannt weiter.
Nach 23 Stunden fällt der Vorhang im außer Anton, Boris und der dritten Schicht Bühnenarbeiter leeren Theater.

Und? Bist du neugierig geworden? Hier geht's weiter zum Roman selber...

 

Rezept "Weiße Bohnen à la Franze"

a) Zutaten (in der Reihenfolge ihres Erscheinens)

1 bisserl Fett
Am besten Olivenöl, über Butter läßt sich reden, über alles andere auch.

1 Stück Kochsalami
Auch Tiroler genannt. Bierwurst geht zur Not, aber: Bierwurst ist nicht dasselbe wie Bierschinken. Und Bierschinken scheidet aus
 .
1 Dose Weiße Bohnen
Nur Dosenbohnen! Trockene Bohnen, sie seien eingeweicht wie lange immer, bringen nicht diesen vollkommenen Geschmack, diese knackig-weiche Konsistenz von Dosenbohnen einer guten Marke (Aldi oder wie). Keine Kompromisse!

1 großzügiger Klecks Tomatenmark
Wennst du kein Tomatenmark zur Hand hast, so tut's auch eine kleingeschredderte Tomate.

1 Priserl Salz
Nur Reichenhaller Salinensalz (Typ 14a) verwenden!

1 Häufchen Pfeffer
Schwarz und frisch gemahlen

1 bißchen Paprika
Schschscharrrfff!!!

1 Fingerspitze Majoran
Majoran halt

1 Ei
Gute Eier sind teuer, aber wegen dem einen Ei jetzt ein Geschiß machen?

b) Nebentaten

1 Krügerl Bier
1 Scheibe Schwarzbrot

c) Taten
Stelle zwei Pfannen auf den Herd, tue in jede Fett hinein und erhitze dieses. Nimm eine Kochsalami und schneide einige winzfingerdicke Scheiben davon ab. Würfele sodann die Wurst und wirf die gewürfelte Wurst ins brutzelnde Fett. Öffne eine Dose Weiße Bohnen, schütte die Bohnen über die rösch angebratenen Wurststücke und lasse ein - rasch verrührtes - Kleckschen Tomatenmark darauf fallen. Umrühren, bedächtig, aber gründlich. Schlage ein Ei auf - Vorsicht! Den Dotter ganz lassen! - und lasse den Inhalt des Eies sachte in die zweite Pfanne gleiten. Schmecke die heißen Bohnen mit Salz, Pfeffer und Majoran ab und prisele Paprika auf das Spiegelei in der Nachbarpfanne. Nun gieße die rotsämige Pampe in deinen Teller und lasse das Spiegelei elegant darübergleiten. Nimm das Bier aus dem Kühlschrank und das Brot aus dem Kasten.

Libertè
Egalitè
Schlabbertè
Freiheit
Gleichheit
Mahlzeit

Montag, 1. August 2011

Dem Franze sein Kommentar zur Religion

Der Franze hat gsagt, theologisch gesehen würd er - wenn's denn sein müßt - auch zum Moslem werden; scheiß drauf. Aber, sagt er, es müßt halt ein Islam mit Leberkäs, Schweinsbraten und Bier sein.