Dienstag, 21. September 2010

Fundamentalisten und Änderungstheologen

Seit dem modernen Menschen der Glaube an einen Gott und an ein Jenseits abhanden gekommen ist, stufen wir die Glaubensstärke von Menschen gerne in einer Tabelle ab, vom strenggläubigen Fundamentalisten über den nach Glaubensreform rufenden Modernisten bis zum Kirchensteuerheiden.

Die drei großen monotheistischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - sind aber keine Baukastenreligionen, aus denen ich mir je nach Gusto eine Weisheit hier, einen Glaubenssatz da herauspicke, um mir eine private, kommode Individualreligion zusammenzubauen. Es sind Offenbarungsreligionen, ihr Glaubensinhalt ist in Heiligen Büchern festgelegt, an diesen Glaubenssätzen läßt sich nicht deuteln. Wem die Bibel Gottes Wort ist, dem muß sie es ganz sein. Wem die Bibel nicht kompromißlos Gottes Wort ist, mag ein ehrenwerter Mensch sein, ein Christ ist er nicht.

* Da in der Bibel homosexueller Geschlechtsverkehr verdammt wird, ganz eindeutig verdammt wird, muß sich der homosexuelle Christ, der seiner sündigen Lust nachgibt, im Stande der Sünde sehen. Das Recht, dieses Verbot unvernünftig und unmenschlich zu finden, hat er; aber er hat es nicht innerhalb einer der christlichen Religionsgemeinschaften. Punkt.

* Das Wort des Apostels Paulus, das Weib habe in der Gemeinde zu schweigen, steht und gilt noch immer. Zwanglos ist daraus abzuleiten, daß Frauen kein Priesteramt in der Kirche ausüben dürfen. Ich finde jede Menge Argumente gegen dieses Verbot in der Vernunft. In der Bibel finde ich sie nicht.

An einer Offenbarungsreligion ist nichts zu reformieren. Sie steht. Sie steht entweder ganz da oder gar nicht. Wer einen in den Heiligen Büchern formulierten Glaubenssatz aus ihr herausbricht, bringt das ganze Gebäude des Glaubens zum Einsturz.

Ich bin demnach entweder ein strenggläubiger Fundamentalist oder ich stehe bereits außerhalb des Glaubens.

Ich weiß auch, daß diese Beschreibung von Religiosität nicht die empirische Wirklichkeit wiedergibt. Diese Wirklichkeit ist vielmehr ein rechtes Durcheinander. Jeder holt sich aus der Bibel, aus der Überlieferung, das heraus, was ihm in den Kram paßt und tut das andere achselzuckend als "irgendwie merkwürdig" ab. Die Kirchengeschichte ist der Beweis für die Geschmeidigkeit im Anpassen an die jeweiligen Bedürfnisse. Wenn die Religion irgendwann irgendwo zwickt und zwackt geht man halt zum Änderungstheologen und läßt sie sich umdeuten. Dafür sind diese Leute schließlich da. Fachkundig machen sie den Glauben auf eine geschmeidige Weise passend und behaupten die jeweilige Neuerung dann als ehern seiend und im Grunde immer schon vorhanden gewesen.

Eine liberale, den Neuerungen aufgeschlossene Religiosität ist nichts weiter als eine spirituelle Lebensversicherung. Ein Zipfelchen vom Glauben behältst du in der Hand, nur für den Fall, daß es nach dem Tode doch ein Jenseits geben sollte. Dann zeigst du dein Zipfelchen vor, gibst es für ein ganzes Kleid aus und hoffst, dich damit in die Ewige Seligkeit zu mogeln.

Religiöse Menschen in des Wortes eigentlicher Bedeutung sind Menschen, die sich ein Leben ohne Religion nicht einmal vorstellen können.

Als wirklich religiöser Mensch bin ich religiös in einem tief-existentiellen Sinn. Das Transzendente existiert für mich so, wie das Butterbrot existiert, von dem ich abbeiße. Wenn Gott zu Abraham kommt und ihm sagt, er möchte doch bitte so freundlich sein und seinen Sohn schlachten, dann schultert Abraham das Opferbesteck und macht sich, - seufzend, aber doch - auf den Weg. Das ist Religion und nicht das Entwerfen und immer wieder neue Entwerfen von theologischen Konzepten.

Who the fuck is Esterházy?

Am 20. 9. 2010 berichtete "der Standard" über die 22. Haydntage in Eisenstadt. Eingeleitet wurde der Artikel mit den Worten: "Was ist eigentlich vom Haydnjahr 2009 geblieben? Nüchtern betrachtet, stellt sich - trotz des exzellenten Sauvignon Blanc, den das Weingut Esterházy unter dem Namen des Komponisten vertreibt..."
Ist es nicht wunderbar, ist es nicht herzerwärmend, daß das einstmals erlauchte Haus Esterházy sein Gesöff unter dem Namen ihres einstigen Lakaien vertreibt? Gut 200 Jahre ist es her, daß Fürst Esterházy als großer Herr galt, während Joseph Haydn ein Nichts war, ein Fiedler, ein Musikant, dem man einige Taler hinwarf, damit er ein bißchen trällern ließ. Und jetzt kennt alle Welt Joseph Haydn, während "Esterházy"...
Laß heute irgendwo den Namen Esterházy fallen und man wird dich fragen, ob du nicht "Osterhasi" gemeint hast und wird kichernd "Nikolausi" hinzufügen. Frägt einer irritiert nach, ob du das nicht mit Hazy Osterwald verwechselt hast, dann hast du bereits einen Kundigeren vor dir. Es sind verdammt wenige, die mit dem Namen "Esterházy" noch etwas anfangen können und selbst diese wenigen kennen ihn lediglich deshalb noch, weil sie noch von der Schule her wissen, daß der große Joseph Haydn einstmals in Diensten des Fürsten stand.
Es ist wie mit Feldmarschall Radetzky, einst Herr über Leben und Tod, ein gefürchtetes Viech, den man heute ebenfalls nur noch deswegen kennt, weil ein Geigenschani aus Wien seinerzeit den "Radetzky-Marsch" komponiert hat.

Sonntag, 19. September 2010

Internet - Bericht aus der Wüste

Wir schreiben das Jahr 2010. Ganz Deutschland ist mit mehr oder weniger schnellen DSL-Internetverbindungen wohlversorgt. Ganz Deutschland? Nein, ein schäbiger Rest von 1 % aller Haushaltungen trotzt dem technischen Fortschritt und verzichtet auf diese Segnung der Neuzeit. Muß verzichten.

Ich gebe zu, eine Abdeckung von 99 % ist ziemlich beeindruckend und 1 % Fehlbestand sind nicht wirklich viel, damit sollte unser Land leben können. Nun hat es aber das Schicksal gewollt, daß ich seit kurzem meinen Wohnsitz in der Gemeinde Aldersbach genommen habe.

Oh, nichts gegen Aldersbach, es ist ein wunderschöner Ort in Niederbayern, bei den einen bekannt wegen seines Biers, bei den anderen wegen der barocken Asamkirche (wer nicht weiß, was eine Asamkirche ist, möge es sich ergoogeln). Aber: Aldersbach ist DSL-Diaspora, die abstrakte Prozentzahl 1 ist hierorts konkrete Realität, es gibt hier keine schnelle Internetverbindung über Netz. Eine Breitband-Initiative kämpft seit geraumer Zeit dafür, daß sich das ändert, bislang hielten sich ihre Erfolge allerdings eher in Grenzen. Immerhin werden jetzt bis zum Jahresende 2010 die Ortsteile Haidenburg und Uttigkofen mit DSL-Verbindungen versorgt sein, hieß es im Gemeindeanzeiger. Damit das so sein wird, muß die Gemeinde Aldersbach der Camorra ein Schutzgeld von mehr als 200.000 EUR überweisen, nicht ganz wenig für eine Gemeinde mit etwas über 5000 Einwohnern.

Pech für mich, daß ich weder in Haidenburg noch in Uttigkofen wohne.

Es mußte also Abhilfe her. UMTS, also die Versorgung über die Handy-Schiene, geht zwar auch in Aldersbach, ganz allgemein, nicht aber bei mir. Mein Haus liegt in einer Senke am Bach, selbst das Handy funktioniert hier ausschließlich am Schreibtisch und auch da nur, wenn ich eine ganz bestimmte, etwas unbequeme Körperhaltung einnehme. Lehne ich mich zurück oder neige ich mich zur Seite, schon beschwert sich mein Gesprächspartner, der Empfang sei gestört, er könne mich nicht mehr richtig hören.

Oben an der Straße am Waldrand, nur 100 m entfernt und 9 Meter höher, ist der Empfang ganz ordentlich. Allerdings konnte ich mich noch nicht dazu entschließen, meinen Schreibtisch nach draußen zu verlegen, so verlockend es in mancher Hinsicht wäre.

Was also blieb, war die Satellitenschüssel. Die örtliche Firma, an die ich mich gewandt hatte, empfahl mit eine Schüssel der Firma X., die habe zwar, wie die der anderen Anbieter, auch nur eine Downloadgeschwindigkeit von 3.500 kbit/s, die Uploadgeschwindigkeit sei aber höher.

Also gut, machen wir das so. Ich gab die Bestellung per Internet auf, denn ich wohnte damals, eben wegen der noch fehlenden Internetverbindung, noch nicht in Aldersbach. Bei der Angabe der Bankdaten aber machte das Programm schlapp, so daß ich bei der Firma anrufen mußte, wo die Bestellung von einer Dame in Berlin mit allen Daten angenommen wurde. Sie sagte mir, die Lieferung käme in etwa 10 Tagen beim Händler in Aldersbach an. Fein.

Einige Tage später rief mich die Dame aus Berlin zurück, um mir mitzuteilen, es habe da einen Fehler im System gegeben und wir müßten die Bestellung nochmal aufnehmen. Die 10-Tage-Frist lief nun erst ab diesem Tage. Na gut, soll sein, ich bin ein geduldiger Mensch.

Nach Ablauf der 10 Tage war die Satellitenschüssel immer noch nicht angekommen, ich mußte also ein weiteres Mal bei der Firma X. anrufen. Die Firma hat, was ich ihr bei aller Kritik hoch anrechne, keine dieser von Gott im Zorn erschaffenen Service-Hotlines, sondern eine normale Telefonverbindung,. Man vertelefoniert also nicht Unsummen, ehe man dann nach fünf Minuten doch frustriert auflegt. Bei einer normalen Telefonleitung kommst du entweder durch oder es ist besetzt. Meistens war besetzt.

Aber gut, nach einigen Tagen erwischte ich dann doch einen. Der Herr sagte mir, er könne mir momentan nichts Konkretes sagen. Die Abteilung sei vor kurzem von Berlin nach Hamburg ausgelagert worden, es seien noch nicht alle benötigten Informationen von Berlin nach Hamburg übermittelt worden. Wahrscheinlich ist der Reitende Bote irgendwo im Schlamm der Norddeutschen Tiefebene steckengeblieben. Der freundliche Herr versicherte mir aber, er werde sich drum kümmern und mich noch am selben Tage zurückrufen. Es rief natürlich kein Schwein zurück, so daß ich tags drauf nochmal anrief. Er habe bislang noch keinen in Berlin erreichen können, so erfuhr ich, er werde mich aber heute noch zurückrufen. Ich bat ihn dringend, er möchte mich auch dann zurückrufen, wenn er nichts erreicht habe, was er versprach.

Er rief natürlich nicht zurück. Was soll ich erzählen - irgendwann war die Schüssel doch da und kurz drauf auch montiert.

Allerdings kam kein Signal.

Der Chef der örtlichen Firma, die auf die Montage von Satellitenschüsseln spezialisiert ist, konnte mit den Angaben in der Begleitbroschüre nichts anfangen, da diese aus Sicherheitsgründen auf Französisch verfaßt waren. Er führte dann, zu Lasten meines Handykontos, ein längeres Gespräch mit einem Experten in der Zentrale der Firma X., viel Fach-Chinesisch ging hin und kam wieder zurück, am Ende erhielt ich die Empfehlung, ich möge mich doch an den örtlichen Vertragsmonteur der Firma X. wenden. Dieser hatte seinen Wohnsitz am anderen Ende von Niederbayern, kam aber prompt und - kurz: Ich konnte mit meiner Satellitenschüssel tatsächlich Signale aus dem Internet empfangen und auch dorthin senden. Allerdings machte mich der Monteur drauf aufmerksam, daß wir März hätten. Dies sei mir klar, stammelte ich ängstlich, aber was denn die Jahreszeit...

Nun, meinte er, wenn der Mai komme, dann sei zu befürchten, daß die Bäume wie jedes Jahr ausschlügen und Blätter an ihre Äste und Zweige hefteten. Der jetzt freie Platz zwischen den beiden Bäumen am Bach, durch den im Moment noch das Signal aus dem All unbehindert gleite, sei dann wahrscheinlich zugegrünt.

Mit dieser verfluchten Natur hast du aber auch nichts als wie Geschiß, wenn du mitten in der Natur wohnst und nicht von einer Stadt drum rum vor ihr geschützt bist.

Was soll ich erzählen - der befürchtete Angriff der Killerblätter blieb aus. Ab und zu hab sogar ich etwas Glück. Allerdings erwies sich die Internetverbindung, Blatt hin, Blatt her, insgesamt als sehr unstabil und launisch. Mal war sie da, mal nicht und wie beim Tod wußte ich weder den Tag noch die Stunde, noch gar den Moment, da die Verbindung wieder da wäre. Ich nahm die Sache theologisch und dachte mir, wenn dich schon weder 1 Gott noch 1 Religion Geduld und demütige Ergebenheit lehren, so möge dies eben das Internet tun.

Manchmal allerdings, wenn ich zum Beispiel eine Überweisung am Machen bin, ist das Zusammenbrechen der Verbindung doch sehr, sehr lästig und ich erhebe dann meine Hände gen Himmel und lästere in bitteren Worten den Hl. Geist des Internets.

Es bleibt noch zu erwähnen, daß ich die Firma X. bei Gelegenheit meiner viel zu häufigen Telefonate mit ihr viele Wochen lang angefleht habe, man möge mir doch endlich etwas Schriftliches zusenden, so eine Art Vertrag wäre vielleicht ein ganz guter Anfang. Dies sah man ein und man sagte man mir mehrmals zu, mir einen Vertrag zukommen zu lassen.

Gekommen ist nichts. Die erste schriftliche Nachricht aus dem Hause bestand in der Mitteilung, man habe meine Bankdaten, die man - Sie erinnern sich noch? - zweimal telefonisch erhoben hatte, inzwischen verschlampt und ich möge sie Ihnen doch per Brief mitteilen, damit sie eine Einzugsermächtigung veranlassen könnten. Vielleicht ist es nachvollziehbar, daß inzwischen ich kein Interesse mehr hatte, einer Firma wie dieser eine Einzugsermächtigung zu geben. Ein Vertrag kam im übrigen auch nicht, was nach einiger Zeit kam war die Mitteilung, ihr internes Risikomanagement habe eine Prüfung meiner Daten vorgenommen und man wolle auf Grundlage aller ihnen vorliegenden Tatsachen von einem Vertragsabschluß mit mir absehen. Nach einem weiteren Anruf bei der Firma zeigte sich der zuständige Herr überrascht, meinte aber, er werde dem nachgehen und mir Bescheid geben. Der Bescheid - Sie wundern sich inzwischen nicht mehr - kam nie. So läuft die Verbindung also ohne Vertrag und Einzugsermächtigung und ich bin's zufrieden. Vertrag hieße zweijährige Bindung, ich aber möchte dem Wahnsinn entfliehen, sobald die Technik mir eine Chance gibt.

Nein, mein Bericht aus der elektronischen Wüste im Dreieck zwischen Hamburg, Berlin und dem Unteren Vilstal ist noch nicht ganz zu Ende. Leider, säufts!, ist doch die penible Niederschrift all dieser Vorgänge für mich so ermüdend, wie es die Vorgänge selber waren.

Die Situation wird nämlich verschärft durch den Umstand, daß du als Satellitenschüssel-Abhängiger keine Flatrate hast wie jeder andere Depp, der sich ins Internet einklinkt. Dein Traffic ist vielmehr auf 3,5 GB pro Monat beschränkt, was eine ganze Menge sein mag, zugegeben. Der Haken ist: Vielleicht aber auch nicht. Denn die Evolution hat mir kein - und zwar überhaupt kein - Gespür dafür mitgegeben, wieviel 3,5 GB sind und wieviel davon ich mit dieser oder jener Aktivität verbrauche.

Du holst E-Mails runter, irgendein Depp hängt 10 Graphiken mit jeweils wunderwaskommasieben MB an seine E-Mail an, in einem Forum argumentiert einer mit einem YouTube-Video, das du dir anschaust... Und du schickst ein Stoßgebet zum Himmel, nein, nicht zum Herrgott, der nichts dafür kann, sondern zum Satelliten.

Und irgendwann ist es passiert, du hast deine Tages- oder gar Wochenration verbraucht und du merkst es, weil sich mit einem Mal die Seiten im Zeitlupentempo aufbauen. Du bist ein geduldiger Mensch und du wartest, es ist dir halt wichtig. Durch das - nunmehr unglaublich langsame - Weitersurfen verbrauchst du weiter Kapazitäten und die Geschwindigkeit reduziert sich weiter.

Es ist eine absolut alptraumhafte Situation. Das Verhängnis ist da, es bleibt und du weißt nicht, wann es weicht, verzweifelst dran, ob je. Du stellst das Surfen ein, schaust nur in gewissen Zeitabständen nach, ob der Fluch von dir gewichen ist, aber jeder Versuch, nachzuschauen, ist ein neuer Grund dafür, daß es länger dauert.

Ich also wieder am Telefon und nachgefragt, ob es denn eine Möglichkeit gebe, den Verbrauch von Up- und Downloads zu messen, so daß man sehen könne, daß man sich allmählich der Grenze nähere und so sein Surfen sparsamer gestalten könne. Nein, sagte man mir, so etwas gebe es bei der Firma X. bislang noch nicht, man habe aber den Mangel erkannt und man werde in Kürze der geschätzten Kundschaft diesen Service zur Verfügung stellen.

Nun, so wie ich die Firma X. bislang kennengelernt habe, wird diese Neuerung am Feiertag des Hl. St. Nimmerlein eingeführt werden.

Tu alle Hoffnung ab.

Bete zu Gott um Gnade und um einen neuen UMTS-Funkmast, denn siehe, auch die Telekom wird dich am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Eher nämlich wird Josef Ackermann zum Bolschewiken als Aldersbach, Ortsteil Walchsing, zum DSL-Anschlußgebiet.

Freitag, 17. September 2010

Intellenz und Uckermarck - Thilos Thesen, wirklich stark

Herr Sarrazin hat, du erinnerst dich, unter anderem behauptet, Schwaben seien intelligenter als Brandenburger [1]. Darüber freut sich natürlich der Schwabe, während den Brandenburger nur seine ausgeprägte Herzensbildung daran hindert, Herrn Sarrazin auf offener Bühne seiner Beinkleider zu berauben.
So denkt man jedenfalls.
Tatsächlich aber hat die auf einer Lesung in Potsdam anwesende brandenburgische Bevölkerung diese, auf Anfrage von Herrn Sarrazin wiederholte Behauptung bejubelt.
http://www.theodor-rieh.de/heinrich/Bilder/Sonneborn_bei_Sarrazin.flv

Daraus könnte man Schluß ziehen, die Brandenburger seien tatsächlich und wahrhaftig eine Horde lallender Idioten, zumindest müsse man dies für die im Saal anwesenden Brandenburger annehmen.
In Wirklichkeit jedoch ist die Sache mit der Intelligenz ein bisserl komplizierter. (Du dachtest dir so was schon, klar.)
Entgegen anderslautenden Gerüchten ist es nämlich so, daß Intelligenz, das heißt die von Intelligenztests erfaßbaren Intelligenz-Leistungen nicht spontan und voraussetzungslos sind. Die in solchen Tests zu lösenden Aufgaben sind von der Struktur her lehrbar, man kann sie üben und sie werden gelehrt und geübt, in höheren Schulen besser, in anderen Schulen nicht so gut. Vorhandene Intelligenz kann also gefördert oder nicht gefördert werden, sie wird in besseren Schulen intensiver gefördert, sie wird in Elternhäusern mit guter Schulbildung besser und in armen Familien (ich weise nur auf die Wohnsituation hin) schlechter gefördert als in wohlhabenden Familien.
Wenn ich also zwei Populationen im Hinblick auf ihre angeborene, spontan, also irgendwie von Natur aus vorhandene Intelligenz miteinander vergleichen will, dann muß ich die beiden Populationen im Hinblick auf diese meßfehlerträchtigen Störfaktoren parallelisieren. Ich will mich jetzt nicht mit der Problematik interkultureller Vergleiche aufhalten, nehmen wir der Einfachheit halber an, ein Forscher wolle die Intelligenz der Einwohner der Stadt Tübingen mit jener des Alb-Donau-Kreises (beide in Baden-Württemberg gelegen) in Verbindung bringen.
Jede Wette, daß der durchschnittliche Intelligenz-Quotient in Tübingen deutlich höher liegen wird als im Alb-Donau-Kreis. [2]
In der Universitätsstadt Tübingen (die von ihrer Uni geprägt ist wie keine andere Stadt in Deutschland) triffst du einen sehr hohen Anteil an Leuten mit guter bis sehr guter Bildung an, die aus dem Alb-Donau-Kreis stammenden Intelligenzbestien hocken in Tübingen rum und treiben hier den Meßwert hoch, während sie in ihrer Heimat zur Aufpolierung der Statistik fehlen.
Ich muß das jetzt nicht im Einzelnen ausführen, der Mechanismus ist klar.
Moslems in Deutschland (ich sag jetzt mal der Einfachheit halber "Türken") haben einen ganz deutlichen Bias [3] in Richtung Unterschicht, also wenig Förderung, schlechte Bildung, die üblichen Unterschichtphänomene. Der Bias wird im übrigen verschärft durch den Umstand, daß türkische Akademiker, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, irgendwann in die Türkei zurückgehen (nun, nicht eigentlich "zurück", aber es ist klar, was ich meine), weil sie es nicht mehr ertragen, in Deutschland wie ein minderwertiges Stück Fleisch behandelt zu werden.
Nun könnte ein schlaues Kerlchen kommen und sagen, es sei ja genau umgekehrt, die Unterschicht sei Unterschicht, weil diese Leute zu blöd wären, sich für bessere Jobs zu qualifizieren.
Schnitt/Gedankenexperiment:
Stelle dir eine Gesellschaft vor, die aus lauter Klons von Albert Einstein und Mileva Einstein-Marić [4] bestünde. (Okay, die Vorstellung ist optisch ein wenig eintönig.) Was würde geschehen? Eine Gesellschaft, in der alle über Theoretische Physik nachdenken wäre bald verhungert, es braucht Leute, die Gräben ausheben, Dächer decken, Brot backen und Kühe melken. Der Großteil der Alberts und Milevas müßte von der Theoretischen Physik abgezogen werden, damit die Gesellschaft überleben kann. Auf Theoretische Physiker kann eine Gemeinschaft zur Not verzichten, auf Bauern nicht.
Relativ kurze Zeit, nachdem du dir so eine Klongesellschaft eingerichtet hast (die allfälligen Nachkommen sind dann ja ebenfalls mit Intelligenz-Genen vollgepumpt, daß es ihnen bei den Ohren nur so rausspritzt), wirst du eine deutliche Differenzierung der Intelligenz-Werte feststellen. Wer seinen Tag damit zubringt, Kühe zu füttern und zu melken, braucht andere Anpassungsleistungen an seine Umwelt als ein Physikprofessor.
Ich muß jetzt nicht wirklich weiterargumentieren, oder?


[1] Er hat, um präzise zu sein, von Uckermärkern gesprochen, aber ich sehe darin eine ganz deutliche Spitze gegen unsere Bundeskanzlerin. Niewoh hat das nicht.
[2] Daß der Begriff "durchschnittlicher Intelligenz-Quotient" jeden Menschen, der weiß, was eine Ordinalskala ist, vor Pein und Scham winseln läßt, lasse ich hier ebenfalls mal außen vor.
[3] Bias ist ein meist störender, systematischen Effekt bei Messungen, der zu teils erheblichen Meßfehlern führt.
[4] Mileva Einstein-Marić war die erste Frau von Albert Einstein, eine hochqualifizierte Mathematikerin und Physikerin, der man nachsagt, sie habe dem mathematisch nicht ganz sattelfesten Einstein entscheidend geholfen, seine Relativitätstheorie zu formulieren.

Dienstag, 7. September 2010

Begabung

In seinem vor vielen Jahren erschienen Buch "Aus der Routine ausbrechen" referiert Roger von Oech eine schon damals nicht mehr ganz neue wissenschaftliche Untersuchung:
"Auch Erzieher wissen von den sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Vor mehreren Jahren sagte man einer Lehrerin, sie habe eine Klasse begabter Kinder, während sie in Wahrheit eine Klasse gewöhnlicher Kinder leitete. Als Folge dieser Worte bemühte sie sich ganz besonders, ihre Schüler zu fördern. Sie verbrachte mehr Zeit damit, ihr Pensum vorzubereiten und blieb noch nach Schulschluß, um ihnen Ideen zu geben. Die Klasse reagierte ihrerseits positiv und errang bei den gleichen Tests, die sie früher als durchschnittlich klassifiziert hatten, höhere Punkte als der Durchschnitt. Weil sie wie begabte Kinder behandelt wurden, leisteten sie ihre Aufgaben wie begabte Kinder."
Von Oech tut uns leider nicht den Gefallen, eine Quelle anzugeben, aber das macht nichts. Dergleichen Untersuchungen wurden im Laufe der Zeit öfter gemacht und sie kamen alle zu dem gleichen Ergebnis: Je mehr einem Kind der Ruf der Schlauheit/Dummheit vorauseilt, desto schlauer/dümmer wird das Kind.
Ist ja auch klar: Wenn ein Kind sich Buntstifte greift und etwas zeichnet, dann hängt viel vom Verhalten seiner Umwelt ab. Wenn die Eltern bereits die Tatsache des Zeichnens als Unfug abtun, dann ist es eher unwahrscheinlich, daß das Kind weiterhin gerne zeichnet, spötteln sie über die Ergebnisse der Bemühungen wird vermutlich das gleiche geschehen. Ermuntern sie dagegen das Kind, sind sie vielleicht sogar aufgrund eigener Kenntnisse und Erfahrungen in der Lage, hilfreiche Tips zu geben, dann darf man erwarten, daß das Kind gerne und oft zeichnet. Zeichnet es oft und gerne, dann ist es nicht verwunderlich, wenn die Ergebnisse besser und besser werden und die Ermunterung von Seiten der Umwelt zunimmt, was wiederum zu weiteren Bemühungen führt. Und irgendwann wird einer auf die Idee kommen, das oft und gerne zeichnende Kind als kunstbegabt einzustufen.
Das alles sind simple Zusammenhänge, unmittelbar einleuchtend und von jedermann im Alltag wieder und wieder zu beobachten.
Ob man, so frage ich mich, daraus nicht den Schluß ziehen darf, daß es Begabung im Sinne einer genetischen Disposition gar nicht gibt?

Mittwoch, 1. September 2010

Eine Bombenstory

Im Frühjahr des Jahres 1977 (ich geb zu, ganz aktuell ist die Meldung nicht mehr) hatte es beim Spiel von Verona gegen Juventus Turin ein Sicherheitsproblem gegeben.
Die Frankfurter Rundschau berichtete darüber:
"Die Behörden entschieden sich angesichts der hohen Zuschauerzahl von 35000 ge­gen eine Räumung des Sta­dions und deckten die Hand­granate statt dessen mit meh­reren Schaumstofflagen ab."

Die BILD-Zeitung berichtete über den gleichen Vorfall auf wesentlich höherem Niveau:

"Auf den Rängen tobten 70000 Fans und unter der Tribüne tickte eine Drei-Zent­ner-Bombe..."

Von der BILD-Zeitung lernen heißt Journalismus lernen.