Mittwoch, 28. Juli 2010

Kontinuität

Unserer Zeit sagt man gerne nach, sie sei schnellebig und oberflächlich. Nichts hätte lange Bestand, alles was entstünde wäre es nicht nur wert, daß es zugrunde gehe, es gehe auch tatsächlich ziemlich schnell zugrunde.

Am Sonntag bin ich beim Abspülen zufällig in eine Sendung des Deutschlandfunks zur Eröffnung der diesjährigen Bayreuther Festspiele geraten, interviewt wurde gerade der Hausmeister des Festspielhauses. Anschließend erfuhr ich, Norbert Kessler sei erst der fünfte Hausmeister auf dem Grünen Hügel seit den ersten Festspielen im August 1876.
Ich war verblüfft, rechnete nach und kam auf eine durchschnittliche Amtsdauer von 27 Jahren.

Gut, wirst du sagen, die Queen ist schon viel länger im Amt, was soll man sich also über einen Hausmeister aufregen. Schon, antworte ich, aber eine Queen braucht heutzutage keine sonderliche Ausbildung mehr, die Rede zur Parlamentseröffnung kann sie auch in einem Alter weit jenseits der Pensionsgrenze vom Blatt abnudeln: "Hört mal, Leute, der Cameron, wo jetzt neuer Premier ist, hat mir aufgeschrieben, was ich euch jetzt vorlesen soll (Setzt die Lesebrille auf)."

Hausmeister in Bayreuth aber wird man nicht - denke ich mir jedenfalls - indem man auf eine Stellenanzeige antwortet. Bevor dort einer verantwortlicher Hausmeister wird muß er - und sei er auch bereits fortgeschrittenen Alters mit abgeschlossener Berufsausbildung und entsprechender Erfahrung - jahrelang als Lehrling mit dem amtierenden Hausmeister mitgeschlappt sein, muß sich von ihm in die Geheimnisse aller Winkel und Ecken einweihen lassen. Wenn dort der Hausmeister ein Brett abschraubt, weil es ihm unsinnig und hinderlich erscheint, dann wundert sich hinterher Joachim Kaiser, wieso dieses Jahr das Orchester so merkwürdig saftlos klingt (der Beckenbauer wundert sich nicht, der hört so was nicht).

Fällt ein Dirigent oder Sänger kurzfristig für die Festspiele aus, dann ist das zwar ungemein lästig für die Intendanz, aber man findet immer eine Lösung. Wagnersänger und -dirigenten gibt es zwar nicht grad zum Schweinefüttern, aber es gibt hinreichend viele, die auch in die tiefsten Geheimnisse Wagnerschen Wirkens eingeweiht sind und damit die entstandene Lücke ausfüllen können, notfalls muß man sie halt aus Japan oder München einfliegen lassen.
Jetzt finde aber mal einen Ersatz, wenn der Hausmeister kurz vor oder gar während der Festspiele ausfällt, weil ihn die Sommergrippe erwischt hat...

Mittwoch, 21. Juli 2010

Papst treibt Teufel aus

Das folgende Bild aus der Website von BR-Online vom 19. 4. 2005 ist so schön, daß ich es euch nicht vorenthalten möchte.Drauf aufmerksam gemacht wurde ich von Helmut Richter, das Bild stammt von der Website von Dirk Babig: http://dirk.babig.de/uploads/shots/feind_geht.gif
Dank ihnen beiden.

Montag, 19. Juli 2010

Sprache und Gott

Aus einem gewöhnlich gut informierten Kreis (Moses) verlautete, es habe Gott die Zweit- und Drittsprachen erfunden, weil er wegen eines Hochbauprojekts ohne Genehmigungsverfahren stinkegrantig war. Im Vollrausch und weil die Westfranken ihn beständig "Lui" nannten habe Gott dann die französische Sprache erfunden und die davon Befallenen dazu verdammt, zwei, drei, vier, fünf Buchstaben zu schreiben, wo einer gereicht hätte. Der Fluch werde erst dann von ihnen genommen, wenn sie sich entschlössen, "djö" mit drei Buchstaben zu schreiben.

Dies war ein Auszug aus meiner Anfängervorlesung "Religionsgeschichtliche Aspekte der Linguistik". Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten. Während der Vorlesung wird von polyglotten, barbusigen Tempelhuren Wein ausgeschenkt.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Ob Tiere lügen?

In dem Buch "'Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!' - Die Weltgeschichte der Lüge" von Traudl Bünger und Roger Willemsen fand ich den Satz:
"Zur Lüge gehört vielleicht Bewußtsein, und schärfer noch: Planung. Setzen wir das voraus, sind wir die einzigen möglichen Lügner."

Jahre zuvor hatte ich in "Wörterbuch der Lebenskunst(-griffe)" von Janosch eine ähnliche Anmerkung gelesen:
"Wahrscheinlich gäbe es weniger Unheil auf der Welt, wäre dem Menschen nicht das Wort gegeben. Mit dem er lügt. Und verdreht. Ein Hund kann gar nicht lügen."

Dazu eine Beobachtung von mir:

Vor einigen Jahren - wir lebten noch in Italien - hatten wir fünf Hunde. Manchmal schenkte uns der Metzger von Castellabate Innereien und Knochen für sie. Einige dieser Knochen waren so groß, daß sie sich mit den normalen Haushaltswerkzeugen nicht zerteilen ließen.

Eines Tages hatten wir vier schöne, große Knochen für fünf Hunde. Lola hat das Rennen um den Knabbernachtisch verloren, sie geht leer aus.

Vier Hunde liegen also auf der Terrasse im Schatten und knabbern an ihren Knochen, Lola schaut zu, frustriert. Sie ist der kleinste Hund, keine Chance also, sich ein Stück doch noch mit Gewalt zu sichern. Mit einem Mal springt Lola auf, bellend. Sie läuft zum Zaun, an dem die Straße entlang führt, weiter bellend.

Nach meinem Dafürhalten ist auf der Straße nichts Bemerkenswertes zu erkennen, auch wenn ich mich in die Gemütslage und Bedürfnisstruktur eines Hundes versetze, finde ich nichts, was ein Bellen erklären könnte.

Das Bellen läßt die anderen vier Hunde aufmerken, wenige Sekunden hören sie dem Gebell zu, dann springen auch sie auf, um mitzubellen, wo es anscheinend was zu bellen gibt. Am Zaun angekommen, schauen sie nach dem Grund von Lolas Empörung, es geht ihnen ähnlich wie mir, sie finden nichts Rechtes. Bellen aber dennoch - man weiß nie.

Lola indes hat sich in die andere Richtung abgesetzt, sie ist um das Haus herum gelaufen und nun bei den verwaisten Knochen angelangt.

Als die anderen vier Hunde beschließen, daß es doch nichts (mehr) zu bellen gibt und sich zu ihrem Nachtisch zurückbegeben, fehlt einer der Knochen, der größte.

Lola fehlt auch.

Sie ist im ziemlich großen und sehr unübersichtlichen Garten verschwunden, mit dem Knochen im Maul.

Ich versuche, mir den Vorfall zu erklären. Mit Instinkt und herausgemendelten automatischen Verhaltensmustern komme ich nicht weiter. Es bleibt als Erklärung: Lüge.

Lola, das raffinierte Luder, hat die anderen, etwas einfältigeren Hunde schlicht gelinkt. Sie hat ihnen, ganz ohne Worte, eine Lügengeschichte erzählt, um selbst von dieser Lüge zu profitieren.

Zur Lola fällt mir noch ein, daß sie einmal, als ich zum Gartentor ging, neben dem Tor stand und in die andere Richtung blickte, so als würde sie das gleich fällige Öffnen des Tores überhaupt nicht interessieren. Ich glaube, wenn sie pfeifen hätte können, dann hätte sie jetzt unschuldig gepfiffen: "Achte gar nicht auf mich, mich interessiert das Tor überhaupt nicht". Kaum war das Tor offen, hat sie sich blitzschnell umgedreht und war draußen. Und das Luder war unglaublich schnell.

Montag, 12. Juli 2010

Das Kreuz auf dem Turm und das Ampelmännchen

Die Panne mit dem Berliner Fernsehturm kann ich nachvollziehen. Sicher, man hätte wissen können, welche optischen Effekte das Sonnenlicht auf einer glänzenden Oberfläche mit kleinen Pyramiden erzeugen würde. Andererseits aber stellt ein so gigantisches Bauprojekt wie ein Fernsehturm große Anforderungen an die Konstrukteure, so daß eine Nebensächlichkeit wie der Reflektionseffekt schon mal übersehen werden kann.

So mußten es also die Bauherren des Berliner Fernsehturmes zähneknirschend hinnehmen, daß immer, wenn die Sonne durchkam, ein riesiges, hellstrahlendes Kreuz über ganz Berlin zu sehen war. Und ist, natürlich.

Was mir dagegen schon nicht mehr so klar einleuchtet, das ist die Sache mit dem (Ost-)Berliner Ampelmännchen. Ich meine jetzt nicht die merkwürdige Sache, daß der Berliner Senat die Ost-Ampelmännchen gegen Standard-Ampelmännchen aus dem Westen austauschte und diesen Austausch dann nicht nur zurücknehmen mußte, sondern jetzt sogar im Westen Ost-Ampelmännchen aufstellt.

Nein, ich meine die ideologische Panne mit dem roten Männchen, das dem Fußgänger "Halt" gebietet.

Was für eine ideologische Panne ich meine? Ich meine den Umstand, daß mitten in der marxistischen, atheistischen DDR auf ganz subtile Weise Propaganda gemacht wurde für den Vatikan und die Römisch-Katholische Kirche.

Das rote DDR-Ampelmännchen trägt den breitkrempigen Cappello Romano der italienischen Kleriker, der Cappello ist rot, wie dies dem Papst vorbehalten ist. Und dieser DDR-Papst breitet seine Arme segnend aus wie der Christus auf dem Corcovado über Rio de Janeiro.

Ich verstehe es nicht. So eine Sache wie die Auswahl der graphischen Gestaltung für sämtliche Fußgängerampeln ist doch keine Sache, die man schnell mal nach durchzechter Nacht beschließt. Da gibt dieser und jener seinen Senf dazu, da wird diskutiert und erwogen und schließlich entscheidet sich irgendein Obermotz für den passenden Entwurf. Und all diesen Leuten soll nicht aufgefallen sein, was mir unmittelbar in die Augen gesprungen ist?

Gab es in der DDR papistische Seilschaften in hohen und höchsten Rängen?

Hitze

Der Franze hat gsagt, in Deutschland ist man den Sommer nicht so gewöhnt. Jedes Jahr, sagt er, erwischt ihn die Hitze kalt.

Sonntag, 11. Juli 2010

Subversiver Gehorsam

In keinem der Nachrufe auf Fritz Teufel, die ich in diesen Tagen gelesen habe, fehlt die mehr oder weniger ausführliche Schilderung jenes Vorfalls, bei dem der legendäre Satz fiel: "Na ja, wenn's denn der Wahrheitsfindung dient". Es scheint, als wäre es ganz vorrangig dieser eine Satz, den Fritz Teufel der Nachwelt hinterlassen hat. Ich fand sogar die Anmerkung, Fritz Teufel habe damit Rechtsgeschichte geschrieben.

Auf den ersten Blick ist dies erstaunlich, denn sooo bedeutend scheint das Sätzlein nicht zu sein, daß es Unsterblichkeit verdient hätte. Vielleicht hilft es, wenn man den Zusammenhang betrachtet, in dem es gesprochen wurde.

Fritz Teufel war angeklagt gewesen, bei einer Demonstration Steine auf Polizisten geworfen zu haben (er wurde von diesem Vorwurf freigesprochen, dies nebenbei). Als er eine etwas allgemeinere, politische Erklärung vortragen wollte, wurde er vom Richter zurechtgewiesen, er möge nur solche Sachen vortragen, die der Wahrheitsfindung dienten. Kurz darauf betrat das Gericht nach einer Verhandlungspause den Saal und die Anwesenden, einschließlich der Zuschauer, erhoben sich von ihren Plätzen. Nur Fritz Teufel blieb sitzen.

Der Vorsitzende forderte ihn auf, er möge gefälligst aufstehen, wenn die Richter in den Saal kommen. Fritz Teufel schraubte sich gaaanz langsam hoch und sagte: "Na ja, wenn's denn der Wahrheitsfindung dient."

Der Witz der Aussage ist nun verständlicher, die Frage bleibt, warum dieser Satz damals und bis heute fortdauernd so gezündet hat.

Teufel macht hier etwas sehr Paradoxes: Er übt subversiven Gehorsam. Er beleidigt den Befehlenden, indem er dessen Befehl gehorcht, er bleibt aufrecht indem er sich beugt.

Wenn ein Ranghoher einem Rangniederen einen Befehl erteilt, dann hat der Unter mehrere Möglichkeiten:

- Er kann dem Befehl gehorchen. Das freut den Ober und erspart dem Unter Unannehmlichkeiten.

- Er kann sich dem Befehl widersetzen. Das ärgert den Ober zwar, aber er hat in aller Regel Möglichkeiten, den Unter zu bestrafen, was den Ober dann letztlich doch wieder freut.

- Er kann dem Befehl gehorchen, dabei aber gleichzeitig die Botschaft rüberbringen: "Ich halte dich für ein genauso unbedeutendes Würschtl wie mich, aber gut, du hast das schärfere Schwert..."

Genau das hat Teufel getan. Wäre er auch nach der Aufforderung sitzengeblieben, so hätte er eine weitere Ordnungsstrafe kassiert. Der Richter hätte sich zwar über ihn geärgert, gleichzeitig aber die Genugtuung gehabt, daß er die Unbotmäßigkeit sanktionieren konnte. So, wie es dann tatsächlich gelaufen ist, war der Richter machtlos.

Der Saal hat gelacht, er hat über Teufels Bemerkung gelacht - und er hat den Richter ausgelacht. Einen Richter mitten in der laufenden Verhandlung straflos der Lächerlichkeit preisgeben - brillant! Der Richter muß damals geschäumt haben vor Wut.

Mit Ungehorsam kommen Ranghohe meist ganz gut zurecht, das Brechen von Widerstand gehört zur Grundausbildung. Subversiven Gehorsam dagegen lieben Mächtige überhaupt nicht.

Freitag, 9. Juli 2010

Freiheit statt Selbstbestimmung!

Rauchfrei ist die Haselnuß,
Rauchfrei bin auch ich, ja ich.
Rauchfrei soll mein Deutschland sein,
Gerad so frei wie ich.

Samstag, 3. Juli 2010

Rauchzeichen

Am 4. Juli mögen die US-Amerikaner ihre Unabhängigkeit feiern, die Bayern stapfen an diesem Tag in die Wahllokale, um über das Rauchverbot in der Gastronomie zu entscheiden.

Zur Erinnerung:
2007 war Bayern beim Nichtraucherschutz Vorreiter in der Bundesrepublik gewesen, das Rauchverbot in Gastwirtschaften war total und ausnahmslos. Bei den Landtagswahlen 2008 mußte die CSU dann drastische Verluste hinnehmen, nicht zuletzt wegen des kompromißlosen Rauchverbots. Gott, der brennende Dornbüsche und also Rauch liebt, hatte auf seine CSU als Strafe seine Geißel herabgeschickt, die FDP.
Die neue Landesregierung lockerte die Regelung, jetzt darf in Bier-, Wein- und Festzelten wieder geraucht werden, ebenso in Eckkneipen mit einer Fläche von bis zu 75 Quadratmetern. Auch in Nebenräumen von Restaurants und in Diskotheken wurde das Rauchverbot aufgehoben.
Die ÖDP leierte daraufhin ein Volksbegehren an, wobei sie von der SPD und den Grünen unterstützt wurde. Nun also ist die Zeit gekommen, in einem Volksentscheid darüber abzustimmen.

Ich werde gegen ÖDP, SPD und Grüne stimmen. Ich weiß es zu schätzen, daß mir im Speiselokal keiner mehr Rauch über das Schnitzerl bläst, ich schätze es aber auch, daß ich in einem Café zum Kaffee eine Roth-Händle rauchen kann. Am Eingang zu den Orten des Lasters hängen jetzt gut sichtbare Schilder, die diese verräucherten Höhlen als Rauchlokale ausweisen. Jeder, der diese (eh ziemlich seltenen) Lokale nicht betreten will, kann hohnlachend an ihnen vorbei gehen.

Was mich an dieser Abstimmung allerdings verbittert, das ist der Umstand, daß ich jetzt auf meine Alten Tage dazu gezwungen werde, mit der CSU zu stimmen. Ich. Mit der CSU.

Dies werde ich SPD und Grünen nie verzeihen. Mögen sie dereinst in der tiefsten Hölle schmoren, eingehüllt von den Schwaden des Ewigen Peinigungsfeuers!