Donnerstag, 30. Juli 2009

Regietheater - Die zweite

Daß Daniel Kehlmanns Salzburger Rede vom 24. Juli 2009 zum Regietheater etliche alles in allem recht aufgeregte Kommentare provoziert hat, ist bemerkenswert. Bemerkenswert insofern, als Kehlmann - genau besehen - gar nicht richtig zugeschlagen hat, sondern bloß ein bißchen spielerisch angedeutet hat, wo man hinhauen könnte. Die Heftigkeit der Reaktionen läßt auf ein gläsernes Kinn bei den angegriffenen Boxern schließen.

Selbst der uralte Kalauer, es sei schließlich jedes Theater zwangsläufig Regietheater wird jetzt aus gegebenem Anlaß wieder ausgegraben. Jeder weiß zwar, daß der Begriff Regietheater gemeinhin in einem engeren Sinne als "Regie im Theater" verwendet wird, aber man tut so, als wüßte man es nicht und erntet so einige wohlfeile Lacher von schlichteren Gemütern.

Kehlmann sprach davon, es sei "eher möglich, unwidersprochen den reinsten Wahnwitz zu behaupten (...) als leise und schüchtern auszusprechen, daß die historisch akkurate Inszenierung eines Theaterstücks einfach nur eine ästhetische Entscheidung ist, nicht besser und nicht schlechter als die Verfremdung, auf keinen Fall aber ein per se reaktionäres Unterfangen." Man stürzt sich auf das Wort von der "historisch akkuraten Inszenierung" und baut sich als Gegenpol zum Regietheater das museale Theater auf - Shakespeare nur so, wie man es im Globe Theatre einst sah: Bei Tageslicht, ohne Beleuchtungseffekte, Hamlet in Strumpfhosen, Frauenrollen von Männern gespielt etc. pp. - Lächerlich das, sagt man und mit recht. Als ob es darum ginge.

Es geht darum, daß Shakespeare einen Text hinterlassen hat, die Vorlage für ein aufzuführendes The­a­terstück. Diesen Text kann ich lesen, mir das Stück also selbst im Hirn inszenieren oder ich kann es mir im Theater anschauen. Wenn ich mir ein Stück von Shakespeare, das ich zuvor noch nicht gelesen habe, im Theater ansehe, dann möchte ich nach dem Verlassen des Theaters eine ziemlich gute Vorstellung davon haben, was Shakespeare eigentlich geschrieben hat.

Aber, hör ich, das sind doch alte Stücke, die womöglich in noch viel älterer Zeit spielen. Wir müssen zu diesen alten Stücken neue Zugänge finden, wir müssen die zu Monumenten erstarrten Klassiker zerlegen und neu zusammensetzen, damit wir uns und unsere Welt in diesen Stücken wiedererkennen können.

Ah so.

Merkwürdigerweise habe ich beim Lesen dieser alten Stücke so gar nicht den Eindruck, als wehte mir der Staub der Jahrhunderte entgegen. Und bei denen, die ich nach quälender Lektüre schließlich wieder zuklappe, käme ich nie auf die Idee, man sollte sie aktualisieren.

Übertragen wir die Forderung nach Aktualisierung alter Stücke einmal auf andere Gebiete der Kunst, bei denen man es ebenso mit alten bis sehr alten Werken zu tun hat.

Ein Roman etwa ist zu einer bestimmten Zeit geschrieben worden und spielt vielleicht in einer anderen. Und wenn dieser Roman heute wieder neu aufgelegt wird, dann wird er so herausgebracht, wie er damals geschrieben wurde. Gut, wenn er schon etwas älter ist, wird die Rechtschreibung etwas angepaßt, aber damit hat sich's auch schon. Kein Herausgeber käme auf die Idee, er müßte den Roman, um ihn dem heutigen Publikum näherzubringen, aus der Zeit, in der er spielt, herausnehmen. Man vertraut darauf - und zu Recht - daß der heutige Leser, so er kein Narr ist, auch aus einer alten Geschichte heute noch gültige Bezüge herauslesen werde.

Aber stellen wir es uns einmal vor, ein Übersetzer habe den "Don Quichote" ins Deutsche zu übertragen und er ließe den Roman, auf daß er dem heutigen deutschen Publikum aktuell erscheine, im Mecklenburg-Vorpommern der neunziger Jahre spielen, füge überdies - die Aktualisierung auf die Spitze zu treiben - Texte moderner Autoren in den Roman, dazu Auszüge aus der BILD-Zeitung.

Hm.

Damit eines klar ist: Auf diese Weise kann ein äußerst spannender und interessanter Text entstehen, aber... Ja klar, der "Don Quichote" von Cervantes ist es nicht mehr. Es ist ein neues Kunstwerk entstanden, eher lose mit dem alten Text von damals verbunden. Im Buchgewerbe ist es selbstverständlicher Brauch, daß man dann auch nicht "Don Quichote von Miguel Cervantes" draufschreibt, sondern etwa "Cervantes-Variationen von Hugo Blobbersich".

Ein ebenfalls reizvolles Gedankenspiel ist es, die Situation vom Theater weg in den Konzertsaal zu übertragen. Ein kreativer, genialer Dirigent etwa nähme sich ein Stück aus der Musikliteratur - sagen wir mal "Bilder einer Ausstellung" - und führte dieses Stück mit Schlagzeug, Synthesizer und E-Gitarre auf, kräftig mit Stil-Elementen aus der Rockmusik versetzt. Die feinsinnigen Musikfreunde (die häufig auch feinsinnige Theaterfreunde sind) würden aufjaulen.

Nun wissen wir natürlich, daß Emerson, Lake and Palmer genau das oben Geschilderte mit dem Stück von Mussorgsky getan haben und großen Erfolg damit gehabt haben. Womit mein Argument widerlegt wäre? Nein, denn der entscheidende Punkt dabei ist, daß ELP ihre Version des Stücks niemals als Aufführung eines Werkes von Mussorgsky ausgegeben haben. Es wurde immer als eigenständiges Kunstwerk gesehen, das sich in seinen Grundzügen an Mussorgsky anlehnte.

Würde der genialische Regisseur Hans Müller-Möhrenschneider sein Stück "Hamlet" (nach Motiven des Kollegen Shakespeare) aufführen, würde sich keiner, auch Daniel Kehlmann nicht, aufregen. Natürlich steht es jedem frei, sich in der Weltliteratur zu bedienen und vorhandene Stücke zu bearbeiten.

Ein bekannter Regisseur, der auch ein wenig als Dramatiker dilettierte, hat mehrere Stücke verstorbener Kollegen bearbeitet und aufgeführt, auf die Bühne gebracht hat er sie aber als seine Bearbeitungen von Stücken anderer. So penibel war Brecht, dem ansonsten ein eher entspanntes Verhältnis zu Fragen des geistigen Eigentums nachgesagt wird.

Das wirklich Ärgerliche am Regietheater ist doch nicht der Stil der Aufführungen, sondern der Etikettenschwindel, der damit verbunden ist. Hans Müller-Möhrenschneider bringt ein eigenes, locker am "Hamlet" des Shakespeare orientiertes Stück auf die Bühne, tut aber so, als würde er Shakespeare inszenieren. Er versteckt sich hinter Shakespeare, weil alle Shakespeare sehen wollen, kein Schwein aber sich für die Stücke von Hans Müller-Möhrenschneider interessiert.

Ich nehme die Hälfte der obigen Aussage wieder zurück. Doch, auch die Regieeinfälle so mancher Aufführungen sind ärgerl... nein, eher kindisch. Ich meine jetzt die Marotte, alte Stücke in der modernen Zeit spielen zu lassen. Wenn ich einen alten König in einen dunklen Anzug mit Krawatte stecke, dann verändere ich ihn radikal. Dann ist er kein alter König mehr, sondern ein neuzeitlicher Präsident oder Wirtschaftsboß oder was. Dann aber paßt der Text nicht mehr, den ihm der Klassiker zu sprechen vorgibt. Und mit "Text" meine ich nicht nur den Sprachduktus, sondern auch den Inhalt dessen, was er sagt. Ein Chef des 21. Jahrhunderts hat andere Ideen im Kopf als ein Chef des 10. Jahrhunderts. Wenn er etwas verschleiern will, etwas rechtfertigen will, greift er auf andere Verschleierungs- oder Rechtfertigungsmuster zurück. Vieles vom Vergangenen bleibt, manches aber nicht.

Viele Geschichten funktionieren nur in der Zeit, in der sie spielen. Man nehme nur den "König Ödipus" von Sophokles, dessen Geschichte nur in archaischer Zeit läuft, überall sonst ist sie lächerlich. Die Geschichte käme gar nicht ins Laufen ohne

- die tiefe, existentielle Orakelgläubigkeit, die ohne Scheu vor aller Welt präsentiert wird

- die engste Verbindung zwischen allgemeiner politischer Machtgeschichte und Familiengeschichte

- die Angst vor der durchaus wahrscheinlich und plausibel erscheinenden Ermordung durch den eigenen, noch ungeborenen Sohn

- die straflose, noch nicht mal verpönte Möglichkeit, den neugeborenen Sohn umbringen zu las­sen

- die Selbstverständlichkeit, mit der Iokaste als Siegespreis demjenigen winkt, der die Sphinx besiegt.

Die Frage bleibt, warum das Theater glaubt, nur mit immer neuen Regie-Einfälle über die Runden zu kommen. Ich habe den bösen Verdacht, es liegt daran, daß relativ wenige Leute regelmäßig ins Theater gehen. Dort werden - so groß ist das Repertoire gar nicht - immer die gleichen Stücke gespielt. Immer die gleichen Leute schauen sich also immer die gleichen Stücke an. Das wird auf Dauer langweilig und um die Langeweile zu vertreiben wird halt ein bisserl eine Show gemacht.

Zum Schluß noch eine Anmerkung zur vielbelächelten Formulierung Kehlmanns, es solle der Regisseur der Diener des Autors sein. Die beeindruckendsten Theateraufführungen waren für mich jene, bei denen der Gedanke, daß es da wohl auch einen Regisseur gegeben haben müsse, gar nicht erst auftaucht. So wenig übrigens wie der Gedanke, daß das Stück wohl einer geschrieben haben muß. Anspringen tun dich erstmal nur die Schauspieler auf der Bühne.

Im Fernsehen habe ich mal eine Inszenierung des "Jedermann", den ich nie gelesen habe, gesehen. Salzburger Festspiele, natürlich, Regie Istvan Szabo, mit Brandauer, Hoppe etc. Ich war begeistert. Nach nüchterner Überlegung am Ende der Aufführung dachte ich mir: "Was für ein Scheißstück! Was für eine Holzhammerdramaturgie mit dem moralischen Zeigefinger!" (und dieses ewige, lächerlich altertümelnde "nit") Aber: "Was für eine Aufführung!" Ein absolut phantastisches Team hat es geschafft, aus einem Haufen Knochen ein prächtiges Schnitzerl zu zaubern (in durchaus konventionellem Inszenierungsstil übrigens).

Dienstag, 28. Juli 2009

Regietheaterschelte von Daniel Kehlmann

Jeder, der auch nur ein wenig in den Feuilletons stöbert, wird es mitbekommen haben, daß Daniel Kehlmann als Gastredner zur Eröffnung der Salzburger Festspiele einige böse Worte über das Regietheater verloren hat.

Auf den Websites finden sich normalerweise nur Zusammenfassungen (meist die immer gleiche Agenturmeldung). Die Salzburger Nachrichten haben die Rede in ihrer Gesamtheit abgedruckt, wen es interessiert, der findet sie hier.

Der von Kehlmann angesprochene Artikel von Karl Kraus über Erwin Piscator ist hier nachzulesen.

In der "Frankfurter Rundschau" vom 26. 07. 2009 hat Peter Michalzik die Rede Kehlmanns kommentiert. Ich habe folgenden Leserbrief dazu geschrieben:

Peter Michalzik wirft Kehlmann vor, seine Rede sei "ressentimentgeladen und argumentfrei zugleich" gewesen. Das ist richtig, Kehlmann hat in seiner Rede in der Tat zu wenig argumentiert, während andererseits Michalzik in seinem Artikel überhaupt nicht argumentiert.
Man übertrage nur mal die Situation vom Theater weg in den Konzertsaal. Ein genialer Dirigent nähme sich ein Stück aus der Musikliteratur - sagen wir mal "Bilder einer Ausstellung" - und führte dieses Stück mit Schlagzeug, Synthesizer und E-Gitarre auf, kräftig mit Elementen aus der Rockmusik versetzt. Die feinsinnigen Musikfreunde (die häufig auch feinsinnige Theaterfreunde sind) würden aufjaulen.
Nun wissen wir natürlich, daß Emerson, Lake and Palmer genau das oben Geschilderte mit dem Stück von Mussorgsky getan haben und großen Erfolg damit gehabt haben. Womit mein Argument widerlegt wäre.
Der entscheidende Punkt dabei ist aber, daß ELP ihre Version des Stücks niemals als Aufführung eines Werkes von Mussorgsky ausgegeben haben. Es wurde immer als eigenständiges Kunstwerk angesehen, das sich in seinen Grundzügen an Mussorgsky anlehnte. Würde der genialische Regisseur Hans Müller-Möhrenschneider sein Stück "Hamlet" (nach Motiven des Kollegen Shakespeare) aufführen, würde sich keiner aufregen. Natürlich steht es jedem frei, sich in der Weltliteratur zu bedienen und vorhandene Stücke zu bearbeiten.
Ein bekannter Regisseur, der auch ein wenig als Dramatiker dilettierte, hat mehrere Stücke verstorbener Kollegen bearbeitet und aufgeführt, auf die Bühne gebracht hat er sie aber als seine Bearbeitungen von Stücken anderer. So penibel war Brecht, der ansonsten Urheberrechte eher entspannt betrachtete.
Das Ärgerliche am Regietheater ist doch nicht der Stil der Aufführungen, sondern der Etikettenschwindel, der damit verbunden ist. Hans Müller-Möhrenschneider versteckt sich hinter Shakespeare, weil alle Shakespeare sehen wollen, kein Schwein aber sich für die Stücke von Hans Müller-Möhrenschneider interessiert.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Frühling

Der Franze hat gsagt, er liebt den Frühling sehr, aber er fänd es noch hübscher, wenn man ihn mehr in den Winter verlegen würd. Dann, sagt er, könnt man mit dem Schlitten durch all die Blütenpracht fahren.

Montag, 20. Juli 2009

Erfinden

Der Franze hat gsagt, wenn’s nach ihm gingert, dann tät er das Erfinden verbieten, weil es is noch nie nichts Gscheites nicht erfunden worden, außer dem Bier vielleicht und dem Leberkäs. Und das, sagt er, gibt’s ja schon.

Samstag, 18. Juli 2009

Das Problem mit der unsichtbaren Rolex

Ich weiß natürlich nicht, ob ein Prolet wie du sich jemals Gedanken gemacht hat über dies Problem.

Stell dir nur mal vor, du hast viel Geld, ganz viel Geld. Und weil du so viel Geld hast, möchtest du das den Leuten, die nicht ganz so viel Geld haben, auch zeigen. Was machst du? Richtig, du kaufst dir eine Rolex-Uhr oder eine Jaeger-LeCoultre oder eine Piaget. Okay, du siehst da noch kein Problem und ich auch nicht, weil das noch kein Problem ist.

Aber, weil du so viel Geld hast, und du das den anderen auch zeigen willst, kannst du nicht einfach so im T-Shirt rumlaufen, damit jeder deine teure Rolex oder was am sonnengebräunten Handgelenk bestaunen kann. Obst du willst oder nicht, du wirst dich in einen teuren Maßanzug werfen müssen, und ein teures, maßgeschneidertes Hemd über deinem sonnengebräunten Oberkörper tragen. Das gute Hemd geht bis zum Handgelenk und ist dort fest verschlossen, weil anders bräuchte man ja keine goldenen Manschettenknöpfe mit Brillanten.

So, und damit ist jetzt die Uhr weg und das Problem da. Du kannst natürlich deine Uhr nach vorne schieben, bis fast auf die Hand, aber das sieht doch sehr nach Zuhälter aus. Du kannst ständig auf die Uhr schauen und damit Dynamik signalisieren, das zwar. Aber Dynamik ist halt auch nur was für die Unterschicht der Oberschicht, für die also, die mindestens so tun müssen, als würden sie für ihr Geld arbeiten.

Ein echtes Problem also, wie gesagt. Menschlicher Geist aber vermag fast alles, menschlicher Geist hat auch dafür eine Lösung gefunden.

Hitzewelle 2

So ganz wild war es bisher mit der Hitzewelle nicht. Gestern waren es nur noch 34 Grad, heute ist der Himmel bedeckt, es weht ein deutlich Lüftlein und auf mehr als 30 Grad kommt das Thermometer auch nicht.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Hitzewelle

Hitzewelle
In Italien ist das Wetter immer wieder mal eine Schlagzeile wert. Jedes Jahr aufs Neue stellt man verblüfft fest, daß es im Winter kalt und im Sommer heiß ist. Diese donnernde Erkenntnis kommt dann nicht, wie in Deutschland üblich, unter Vermischtes am Ende der Zeitung oder der Fernsehnachrichten, sondern ganz vorne auf der Titelseite.

Dieser Sommer ist, wie die zwei vorausgegangenen, bei weitem nicht so heiß, wie man dies erwarten kann. Im Mai und im Juni waren mal einige heißere Tage, sie blieben aber Episode, erst jetzt, Mitte Juli kommt die Hitze auch in Süditalien an. Gestern hatten wir 31 Grad, das liegt irgendwo zwischen "na ja, normal" und "wieso ist es eigentlich nicht heißer?". Heute hat es um 12.00 h mittags 36,5 Grad. Es wird also ernst.

In den letzten Tagen war es im Norden Italiens fast 40 Grad heiß. Für morgen ist nun auch für den Süden "Hitzealarm Stufe Rot" angesagt. Schaumermal, wie's wird.

Daß es im Sommer in Italien im Norden heißer und drückender ist, ist seit geraumer Zeit eine übliche Erscheinung. Anscheinend wirkt der Smog in den Ballungszentren des Nordens aufheizend.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Adenauer-Begräbnis

Nun ist es schon eine Weile her, daß Altbundeskanzler Adenauer gestorben ist. Dennoch ist mir sein Begräbnis, wiewohl ich nicht dran teilgenommen habe, in bleibender Erinnerung.

Am Vortag war auf dem Schulhof des Gymnasiums Pfarrkirchen eine Trauerfeier, bei der nach würdigender Ansprache durch den Direktor das Schulorchester plötzlich das Lied vom Hintertupfer Bene zu spielen begann:

Nachts, um viertel über zehene,
Schleicht der Hintertupfer Behene,
Kammerfensterln zu der Stahasi
Und der Mond scheint bloach und kasi.
http://www.youtube.com/watch?v=F-IugUlacms

Erst mußte ich lachen, dann stutzte ich, denn mir erschien dergleichen Musik absolut unpassend für den Anlaß, bis mich dann ein Kundiger über den musikalischen Hintergrund des Liedes aufklärte:
http://www.youtube.com/watch?v=28sdV_DXSrU&feature=fvw

Am Tag der Beerdigung war schulfrei. Abermals blieb mir der Mund offen stehen, als ich aus dem Fernsehzimmer die Büttenrede eines kölschen Karnevalsjecken hörte. Wie konnte es sein, daß das Fernsehen in jenen Tagen, da man Staatstrauer trug, eine Karnevalssendung brachte, noch dazu zur falschen Jahreszeit (Ende April)? Es stellte sich heraus, daß der vermeintliche Jeck der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings war, der die Trauerrede hielt beim Staatsbegräbnis.

Montag, 13. Juli 2009

Montecassino

Das Kloster Montecassino, zwischen Neapel und Rom gelegen, ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Nicht nur deswegen, weil es eines der ältesten Klöster auf europäischen Boden ist, 529 von Benedikt von Nursia gegründet. (1)

Wenn du heute das Kloster besuchst, dann findest du eine im Kern mittelalterliche Anlage, die aber in späterer Zeit erweitert und drastisch verändert wurde, so daß heute Renaissance und Barock dominieren. Du gehst durch diese alte Anlage, du bist schon durch viele alte Anlagen gegangen, an dieser aber ist etwas ganz entschieden merkwürdig. So merkwürdig, daß du es zunächst gar nicht genau bestimmten kannst, du hast nur das merkwürdige Gefühl, daß etwas überhaupt nicht stimmt, obwohl alles ganz wunderbar aussieht.
Und irgendwann, wie immer dann, wenn du an was anderes denkst, kommst du drauf: Dieser alten Klosteranlage fehlt die Patina, sie sieht rundum und in jedem Detail nagelneu aus.

Und genau das stimmt. Das alte Kloster ist nagelneu.

1944 ist die gesamte Anlage durch einen alliierten Bombenangriff innerhalb von drei Stunden völlig vernichtet worden.


Das wodurch du wandelst, ist eine zeitgenössische Rekonstruktion nach alten Plänen und Fotos. Nicht in dem Zustand, wie das Kloster irgendwann im Mittelalter ausgesehen haben mag, sondern auf dem status quo ante kurz vor der Zerstörung.

Auf dem Weg hinauf siehst du immer wieder Hinweisschilder auf verschiedene Soldatenfriedhöfe, einen amerikanischen, britischen, polnischen Soldatenfriedhof.
Der Tod, sagt man, mache alle gleich. Mag sein. Auf den Soldatenfriedhöfen von Monte Cassino jedenfalls hat man sich die Mühe gemacht, die toten Soldaten fein säuberlich nach Nationen auseinanderzusortieren. Noch nicht mal die damals verbündeten Soldaten hat man in einen gemeinsamen Friedhof gelegt.

Wenn du mal Gelegenheit dazu hast, solltest du dir das Kloster live anschauen, es ist wirklich beeindruckend. Und die fehlende Patina ist absolut gespenstisch.

Und wenn du schon in der Gegend bist, empfehle ich dir, 200 bis 300 km weiter südlich zu fahren, in den Cilento. Dort findest du den Monte Gelbison oder Monte Sacro. Auf dem Gipfel, über 1700 m hoch, liegt ebenfalls ein Kloster, ziemlich groß, wenn auch bei weitem nicht so riesig wie Monte Cassino.
Auch hier hatte ich ein ganz merkwürdiges Erlebnis. Wir waren dort am späten Nachmittag gewesen, kurz vor dem Einbruch der Nacht. Von den Mönchen oder von sonstigen Bewohnern des Klosters war nichts zu sehen, nichts zu hören, noch sonst irgendeine Spur ihrer Anwesenheit auszumachen. Das ganze Gelände war derart peinlich sauber geputzt, kein herumliegendes Papier, kein Laub, kein Staub (diese Art von Sauberkeit findest du häufig in Apulien, in Kampanien aber so gut wie nie). Es hat auf uns gewirkt wie eine Kulisse aus einem Computerspiel, absolut unwirklich. Und das umgeben von einer sehr wilden, fast ursprünglich wirkenden Hochgebirgs-Naturlandschaft.



Den Cilento, eine in Deutschland fast unbekannte Gegend Italiens, empfehle ich ohnehin und das in jeglicher Hinsicht.

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(1) Historiker - und zwar Benediktinermönche - haben inzwischen heftige Zweifel daran angemeldet, daß es einen Benedikt von Nursia je gegeben hat. Sie halten diese Figur für eine Fiktion aus späterer Zeit.

Donnerstag, 9. Juli 2009

Trulli

Wer schon mal in Apulien war oder wenigstens ein bißchen was über die süditalienische Region gelesen hat, der kennt auch die sog. trulli, merkwürdige Häuser mit spitzen Runddächern. Diese Häuser sind in Trockenbauweise errichtet, das heißt, es wurden Steine so kunstvoll aufeinander geschichtet, daß das Haus durch das Eigengewicht der Steine hielt, ganz ohne Mörtel. Auch das Dach besteht aus Steinen.
Man trifft diese Trulli nur in Apulien - und in Rheinhessen. Nein, letzteres ist kein Witz, es sind auch keine Bauten aus neuerer Zeit. Sie wurden im 18. Jahrhundert in den Weinbergen als Schutzhütten von apulischen Arbeitern errichtet.
Was die apulischen Trulli betrifft, so rätselt man, warum gerade dort gerade diese Bauweise gewählt wurde. Eine Erklärung besagt, ein Grundherr habe im 17. Jahrhundert seinen Bauern befohlen, ihre Häuser ohne Zement, Mörtel und ohne Holz zu bauen, nur aus Stein. Wenn nun die königlichen Steuereintreiber im Anmarsch gewesen seien, so habe man die Steinhäuser ganz einfach abgebaut und später ohne viel Aufwand wiedererrichtet.

Ich dagegen glaube, daß sich die Bauweise der trulli zwanglos aus der Landschaft erklären läßt. Der Boden in Apulien ist fruchtbar, aber übersät mit Steinen, die man zwar entfernen kann, wobei immer neue Steine nachkommen. Normaler Ackerbau ist unter diesen Umständen fast nicht möglich, der beste Pflug wäre nach kurzem schon zuschanden. Also verlegt man sich in Apulien auf Bäume und Sträucher, die man nicht jedes Jahr neu anpflanzen muß, Oliven, Mandeln, Wein.
In einer solchen Gegend hat man wahrscheinlich schon sehr früh angefangen, in Stein zu bauen, dieses Baumaterial ist überreichlich vorhanden. Wie aber kriegt man jetzt - ohne die Hilfsmittel der Moderne - über einem Haus ein Dach zusammen? Sowohl für das Giebeldach als auch für das Flachdach braucht man Stützbalken.
Bäume gibt es nun zwar in Apulien genug, aber diese Bäume sind andererseits sehr wertvolle Nutzbäume. Ein Olivenbaum ist keine Tanne, die dazu dient, Holz zu liefern und zu sonst nichts. Olivenbäume fällt man nicht vor der Zeit, es wäre ökonomischer Wahnsinn. Holz (sprich: bautechnisch verwertbares Holz) war also in Apulien, zumindest in der zona dei trulli, eine große Kostbarkeit, und mit Kostbarkeiten geht man sparsam um. Dachstühle oder Flachdachverstrebungen aus Holz waren nicht drin. Ohne Stützbalken aber halten die üblichen Dachkonstruktionen die Steinlast nicht.
Man löste das Problem, indem man die in Apulien reichlich vorhandenen, flachen Steine zipfelmützenförmig aufeinanderschichtete, bis sie oben zusammentreffen und sich dann gegenseitig am Platz halten. Diese Konstruktion, eine genial einfache Konstruktion, hält - ganz ohne Holz.
Wenn man aus Holzmangel kein Flachdach errichten kann, kann man logischerweise auch keine Zwischendecke in ein Haus einziehen, woraus sich wiederum erklärt, weshalb die Trulli lediglich einstöckig sind.

Möglicherweise, wahrscheinlich sogar, hat meine schöne Theorie schwache Stellen. Ich bitte um Anregungen.

Montag, 6. Juli 2009

Schlafmittel

Wenn du des Abends nach der Last des Tages rechtschaffen müde bist, die zum Schlafe nötige Bettschwere sich aber nicht einstellen will, dann sei dir unter den gängigen Hausmitteln der Beischlaf besonders ans Herz gelegt.
Ein gutes Buch ist sicher niveauvoller, eine Schlaftablette schnellwirkender und ein heißes Bad bei weitem weniger anstrengend; keines der genannten Mittel ist jedoch in gleicher Weise angenehm und gesund zugleich.

Donnerstag, 2. Juli 2009

Diktator

Der Franze hat gsagt, wenn er Diktator wär, wär er immer freundlich zu die Leut. Nur die Opposition, sagt er, hätt nix zu lachen bei ihm.