Sonntag, 5. Oktober 2008

Demuts-Champions

In christlichen Weltgegenden gilt Demut als eine der höchsten Tugenden. Jeder Bischof, der andere sich vor ihm hinknien heißt und sich von ihnen den Ring samt der Hand küssen läßt, jeder Kardinal, der eifersüchtig darauf besteht, daß man ihn mit Eminenz anredet, jeder Papst, der sich zujubeln läßt, preist die große Tugend der Demut.

Und wirklich: Leute, die nachweislich demütig und bescheiden gelebt haben, können mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf hoffen, den Ruhm der Altäre zu ernten, also von den Leuten verehrt zu werden.

Ehrgeizige Leute gehen deshalb schon von früher Jugend daran, sich auf eine Karriere als Demuts-Champion vorzubereiten.

Erste Voraussetzung für Demut ist natürlich Ansehen. Nein, das ist jetzt kein Schreibfehler. Ich weiß schon, daß manche sagen, aus der Demut komme das Ansehen, aber genau besehen ist es umgekehrt.

So wie Gnade Macht voraussetzt, setzt Demut Ansehen voraus. Ein armer Teufel, den sowieso jeder für den letzten Idioten hält, von dem kein Hund ein Stück Brot annimmt, kann nicht demütig sein. So wenig wie einer, dem sowieso keiner gehorcht, der nichts bewegen kann, gnädig sein kann.

Der Konkurrenzdruck ist groß und wenn du da nicht einen brennenden Ehrgeiz mitbringst, dann hältst du das nicht aus, so ein Leben in völliger Demut.

Und der Druck auf dir wird ja immer stärker, je älter du wirst. Je mehr Leben du schon mit Heiligsein vertan hast, desto erpichter bist du natürlich darauf, eines toten Tages die Ernte in Form von Himmel und Heiligsprechung einzufahren. Desto weniger kannst du dann noch irgendwann sagen: "Jetzt mag ich nicht mehr, Herr Papst. Jetzt kannst mich am Arsch lecken, Herr Abt. Such dir einen anderen Deppen, Herr Prior."

Wenn du von Haus aus ein Depp ist, geht es natürlich leichter. Als Depp geht dir das leicht von der Zunge: "Ja, Herr Papst. Geht in Ordnung, Herr Abt. Klasse Idee, Herr Prior."

Aber stell dir mal vor, du bist ein blitzgescheiter Mensch und sollst zum größten Unfug Ja und Amen sagen...

Aber es hat ja auch keiner behauptet, Heiligsein wäre leicht.

2 Kommentare:

  1. Vom großen Mathematiker David Hilbert wird berichtet, dass er einem Vortragenden im Kolloq (oder vielleicht Seminar) zurief: Sie sind nicht gut genug, um bescheiden zu sein.

    Joachim

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  2. Hmnja, was Hilbert da sagt, ist ziemlich genau der (paradoxe) Mechanismus, den ich beschrieben habe oder doch beschreiben wollte.

    Ciao
    Wolfram

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