Dienstag, 30. Dezember 2008

Uhrenvergleich

Der Franze hat gsagt, dem Alise seine Uhr ist zwar größer und goldener als seine, aber seine, sagt er, geht schneller.

Zitate

Wer Zitate nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte Zitate sich verschafft und in Umlauf bringt, wird mit Unsterblichkeit nicht unter drei Jahren bestraft.

aus der Halskrausordnung von Karl III.

Sauber

Kaum hast du deine Wohnung gekehrt, hast allen Staub auf deiner Schaufel drauf, da genügt ein winziges Hüsterchen, ach was: ein unbedachter Atemzug und der Staub ist wieder weg. Es scheint, als würden wirklich, wie es in der Werbung heißt, nur die allerzartesten Flöckchen zu Staub verarbeitet.

Sonntag, 28. Dezember 2008

Würde

Vor langer, langer Zeit gab es mal eine Zeit, da ich regelmäßig "DIE ZEIT" las. Die Reisebeilage habe ich selbst damals nur rasch überblättert, bei obigem Bild aber bin ich schon beim Blättern hängengeblieben.

Dem zuständigen Redakteur schien das Bild nicht mehr bedeutet zu haben, als eine kleine Kuriosität am Rande, das legt die eher harm­los spöt­teln­de Unterzeile nahe:

"Je pittoresker, desto besser: Touristen in Tibet".

Der Mann ist vielleicht ein tibetischer Mönch, wahrscheinlich aber ganz einfach ein al­ter Tibeter in der landesüblichen Tracht. Er muß sich die kleine Steigung des Weges recht mühsam hoch kämpfen, tut dies aber auf eine ruhige Weise, die ihn zwar lang­sam aber eben doch vorankommen läßt. In der linken Hand hält er eine Ge­betsmühle, gewohnheitsmäßig, wie zu vermuten ist. Jedenfalls macht er das, was immer er macht, mit großer Ruhe und bewundernswerter Würde.

Und dann die beiden fotografierenden, filmenden Touristen, die den alten Mann gestellt haben wie ein zu jagendes Wild. Die sich vor ihn hin­stellen und ihm die Kameras vor's Gesicht halten, als wäre er nichts an­deres als eine Hausfassade oder ein interessantes Detail an einem Brun­nen. Sie gehen auf eine schamlose Art und Weise an den Al­ten heran, die sie sich zuhause - wetten! - nie und nimmer trauen wür­den.

Ich bin sonst ein wenig allergisch gegen das Wort "Würde", es ist gar zu abgelutscht und oft mißbraucht. Hier erscheint es mir angebracht. Geschändete Würde.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Silberhochzeit


Der Franze hat gsagt, wenn er Silberne Hochzeit feiert, dann geht er zum Unterwirt und sauft sich einen Rausch an. Falls er, sagt er, bis dahin eine Frau findet.

Samstag, 20. Dezember 2008

Froh zu sein bedarf es wenig...


Ich war nicht wenig schockiert, als ich damals, am 30. Juli 1987, in der "taz" dieses Bild entdeckte. Die "taz" verwendete es dazu, einen Artikel über deutsche Filmkritiker und ihre liebste Themen zu illustrieren. Das Bild bietet sich ja auch als ironischer Kommentar zum Thema an: Ein Haufen dumpfer, stumpfer Männer in einem dumpfen, stumpfen Kino in Erwartung eines dumpfen, stumpfen Films.
Woher aber dann mein schockierte Reaktion?
Ich hatte ein Bild, das ich mehr als zwanzig Jahre nicht mehr gesehen hatte, sofort wiedererkannt. Als Schüler hatte ich, um mein Englisch zu üben, die Zeitschrift "Life" abonniert, das Bild illustrierte einen Artikel über Rassismus im Süden der USA. Der Mann mit übereinandergeschlagenen Beinen, der sich auf dem Photo gerade aus der Tüte "Red Man" bedient, wurde im Gerichtssaal photographiert, angeklagt des Mordes an drei jungen Leuten, 1964.
"Let's have some Red Man", hatte er gefeixt und so stand es auch unter dem Bild damals in "Life", das während der Anklageverlesung aufgenommen worden war. Hinter ihm sitzen seine Sympathisanten (oder Mittäter) und alle sind sich ganz unheimlich sicher, daß ihnen nichts passieren wird, daß sie auf jeden Fall freigesprochen werden. So, wie es dann auch gekommen ist.
Der Mann war übrigens Sheriff.
In Vorbereitung dieses Beitrags habe ich ein wenig im Internet recherchiert Ein amerikanischer Maler namens Philipp Morsberger, so erfuhr ich, hat nach diesem Pressephoto ein Ölgemälde erstellt, mit dem Titel "Hey, Let's Have Some Red Man! (The Arraignment".
Dieses Photo ist einer der obszönsten Bilder, die ich je gesehen habe.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Lachen

Der Franze hat gsagt, der Xaver wenn das noch hätt erleben können, sagt er, der hätt sich totgelacht.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Parvenüs

Alte Adelsgeschlechter, ob es sich nun um Geld- oder Adel-Adel handelt, sehen gerne auf die sog. Parvenüs, die Emporkömmlinge herab. Beim Geldadel, also dem bürgerlichen Adel ist das etwas verwunderlich, lautet doch die bürgerliche Weisheit seit alters, daß dem Tüchtigen die Welt gehöre. Eigentlich müßte man also heute demjenigen, der von unten nach oben gestiegen ist, mehr Respekt zollen als demjenigen, der sich für seinen Reichtum nur die Mühe machen mußte, geboren zu werden.
Wie auch immer: Alte Adelsgeschlechter sind stolz auf ihre Vorfahren, sie verehren sie und sie verehren natürlich vor allem den ruhmreichen Gründer des ruhmreichen Geschlechtes derer von Weißnichtwer. Zwei Minuten mäßig angestrengten Nachdenkens genügen für die Erkenntnis, daß dieser Gründer des Adelsgeschlechtes, wie weit immer man ihn in der Geschichte zurückverfolgen kann, ein Parvenü gewesen sein muß. Er nämlich kann ja noch nicht aus einem alten Adelsgeschlecht gestammt haben, ansonsten er ja nicht der Gründer eines solchen gewesen sein könnte. Der Urururopa Vorfahr muß also vor der Gründung des Geschlechtes irgendein kleiner Mann gewesen sein, der sich dann hochgearbeitet, bzw. hochgemetzelt hat.
Diese simple Logik ist vielleicht der Grund, warum sich viele ganz alte Adelsgeschlechter gerne mythische Vorfahren erfunden haben, die oft bis zu den Göttern selbst zurückreichen. Ersatzweise (besser als nix) tun's dann auch die Trojaner. Obwohl man sich auch bei denen natürlich fragen muß, was denn der trojanische Urahn war, bevor er zum Urahn wurde.

Paulaner

In den frühen achtziger Jahren sah ich bei einem Besuch in München einmal ein Plakat einer Münchner Brauerei. Ich glaube, es war die Paulaner Brauerei und es war eine Reklame für Paulaner Pils. Ein Säugling lag in seiner Wiege, proper, glücklich und zufrieden. Um die Wiege herum standen die Eltern und Großeltern, blickten verzückt und glücklich in die Wiege mit dem kleinen Wonneproppen. Alles schön, alles gediegen, alles wohlhabend. Eine Idylle. Auf dem Plakat standen die Worte:

"Irgendwann wird auch er sein erstes Paulaner Pils trinken."

Eine knallharte Drohung. Das Plakat will uns sagen: „Du, kleiner Säugling, magst jetzt noch ahnungslos und zufrieden in deiner Wiege liegen und von Muttermilch träumen. Täusche dich nicht - wir kriegen auch dich, so wie wir bisher noch fast jeden gekriegt haben!“

Du kommst dem Bier nicht aus!

Sportler

Ist es dir schon mal aufgefallen? Wenn du (und wann immer du) einen leidenschaftlichen Sportler triffst, ist er müde, abgekämpft, fertig. Daß er um irgendein Körperteil irgendwelche Bandagen trägt, also irgendwie verletzt ist, fällt dir als Bekannter von Sportlern schon gar nicht mehr auf. Frägst du ihn, so wird er dir sagen, er habe gestern oder letzte Woche oder eben grade sehr heftig trainiert und dieses Training stecke ihm noch in den Knochen.

Du hingegen, leidenschaftlicher Nicht-Sportler und Faulpelz in allen Dingen körperlicher Ertüchtigung, bist fit, ausgeruht und leistungsfähig.

Könnte es sein, daß Sportler nicht, wie sie dies selber gerne glauben, dank ihres Trainings fit und leistungsfähig sind, sondern, daß sie ganz unglaublich fit und leistungsfähig wären, wenn sie nicht ständig so viel und heftig Sport trieben.

Schärfer formuliert: Es sind womöglich nicht jene Leute leistungsfähig, die Sport treiben, sondern Sport treiben diejenigen Leute, die von Haus aus leistungsfähig sind. Und sie wären noch viel, viel leistungsfähiger, wenn sie nicht ständig so viel Sport trieben.

Nur mal so als Denkanstoß.

Montag, 8. Dezember 2008

Jeder ist seines Glückes Schmied

Leute, die für wohltätige Zwecke Spenden sammeln, sammeln gerne für Kranke, mittellose Menschen oder einfach Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind.

Andererseits gibt es das Sprichwort: "Jeder ist seines Glückes Schmied."

Wenn das so ist, wie kann dann einer unverschuldet in Not geraten?  Und: Und wer sammelt eigentlich für jene, die nie in Not geraten sind, die immer schon in Not waren?

Samstag, 6. Dezember 2008

Der Gauthammer Sieghard

Der Gauthammer Sieghart von Butterau bei Miesbach hatte einst in Andechs ein delikates Geschäft von so privater Natur zu besorgen, daß es hier verschwiegen werden muß. Um den Weg abzukürzen, lieh er sich ein Boot und ruderte quer über den Starnberger See.
Was niemand erwartet hatte geschah: Der Gauthammer Sieghard wurde mitten auf dem Starnberger See von sarazenischen Piraten entführt. Die Geschichte ist vor langer, langer Zeit passiert, inzwischen ist der Seeweg von Mekka nach Starnberg längst wieder in Vergessenheit geraten, damals aber...
Der Gauthammer Sieghard jedenfalls ist von den sarazenischen Piraten auf dem Sklavenmarkt von Kairo verkauft worden. Er konnte entkommen und gelangte nach einigen Wirren und vielen Abenteuern schließlich bis nach Indien, wo er es zu Ansehen und Reichtum brachte und zum Dank dafür den damals noch wahnsinnig hektischen Indern die bayerische Bierruhe beibrachte. Weil in Indien aber kein gescheiter Hopfen wachsen tut, er also kein richtiges Bier nicht brauen konnte, hat der Gauthammer Sieghard notgedrungen die Meditation erfunden und damit war der Inder erstmal sediert.

Freitag, 5. Dezember 2008

Muttertag

Es wird nicht jeder wissen, aber in Italien gibt es keine Bordelle. In der faschistischen Ära waren sie verboten worden, 1948 wurden sie wieder zugelassen und dann 1958 erneut verboten. Das ist bis heute so. Die Straßenprostitution auf Landstraßen ist zwar erlaubt, allerdings sind sexuelle Handlungen auf öffentlichem Grund und Boden (auch im Auto) verboten. Hm. Wer darin einen Widerspruch findet, darf ihn behalten.
Wie auch immer: An der Straße, die von Agropoli am Meer entlang nach Salerno führt, siehst du an einem bestimmten Straßenabschnitt alle paar hundert Meter zwei, drei Prostituierte, meistens Schwarze. Eines Tages im Mai sind wir abends von Salerno aus nachhause gefahren und ich merke, daß irgendwas nicht stimmt. Es hat eine Weile gedauert, bis es mir aufgefallen ist: keine Nutten, aber überhaupt keine, nix. Ich machte meine Frau drauf aufmerksam und wir rätselten eine Weile, ohne auf einen plausiblen Grund für die merkwürdige Erscheinung zu kommen. Am Wetter konnte es nicht liegen, das war ideal für das Geschäft.
Schließlich meinte mein damals 14jähriger Sohn von hinten ganz trocken: "Heut ist Muttertag."
Batsch, das wars. Die Männer hatten keinen Ausgang und die Frolleins hatten frei.

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Warum sprechen die Franzosen französisch?

"Blöde Frage", wirst du wahrscheinlich sagen. Was, bitte, sollen Franzosen denn sonst sprechen, wenn nicht französisch? Klar. Aber warum sprechen die Franzosen eine romanische Sprache?

Dort, wo heute Frankreich liegt, lebten zu Asterix' Zeiten die Gallier, Kelten also, deren Sprache irgendwie wie das heutige Gälisch geklungen haben muß. Dann kamen die Römer und brachten ihr Latein als Amtssprache mit. Die Römer aber kamen als Besatzungsmacht, sie waren von Anfang an und blieben eine dünne Oberschicht über einer weiterhin keltischen Bevölkerung. Nach dem Zusammenbruch der römischen Infrastrukturen in Gallien kamen irgendwann 500, 600 n. Chr. die Franken nach Gallien und machten es zu ihrem Land.

Die Franken waren ein germanisches Volk, sie sprachen eine germanische Sprache, anfangs jedenfalls. Und: Anders als die Römer kamen sie mit Mann und Maus, mit Kind und Kegel. Ein ganzes Volk besiedelte das Land. Um 1000 n. Chr. kamen schließlich die Normannen, ebenfalls ein germanisches Volk - und trotzdem sprechen heute die Franzosen eine romanische Sprache. Warum?

Auf die eine, naheliegende Antwort, bin ich auch schon gekommen: Weil das Lateinische, als es nach Gallien kam, die Sprache eines kulturell bereits hochentwickelten Volkes war, dem Keltischen also überlegen war. Aber: Auch in Bayern (südlich der Donau) siedelten zu Caesars Zeiten die Kelten. Auch Bayern wurde von Rom erobert, blieb jahrhundertelang römisch. In Bayern siedelten sich nach den Römern die Bajuwaren an, ebenfalls ein germanisches (??) Volk. Wieso also spricht man in Frankreich romanisch und in Bayern germanisch? (Den Einwand, es sei das Bayerische nur unter Vorbehalten als germanischer Dialekt anzusehen, möchte ich nicht gehört haben.)

Lieblingsepoche

In Prominenten-Interviews, in Illustrierten-Fragebögen oder bei sonstigen Umfragen zum Jahresende taucht eine beliebte Frage immer wieder auf:
"In welcher Zeit hätten Sie am liebsten gelebt?"
Was die Antworten betrifft, so sind es die Altphilologen, die sich in die Griechen- oder Römerzeit zurückträumen, Toga um den Leib und Lorbeer auf dem Haupt. Andere sehen sich als Ritter in blanker Rüstung auf ihrem Pferd nach siegreicher Schlacht die Huldigungen des Volkes entgegennehmen. Wiederum andere trauern dem galanten Rokoko mit seinen phantastischen Bauten, seiner berauschenden Musik in gepflegten Gärten nach.
Mir fällt auf so eine Frage - nicht, daß sie mir schon mal ei­ner gestellt hätte - nach einigem Nachdenken nur die eine Antwort ein:
"Die Zeit, in der ich lebe."
Nun darfst du viel von mir glauben, wenn du willst, nur ja nicht dies: Daß ich nämlich vernarrt wäre in meine Zeit oder gar in die­ses, mein Land.
Es ist bloß so, daß ich diese Zeit, in der ich wirklich lebe, kenne, ich habe mich mit ihren Vor- und Nachteilen arrangiert, komme damit so einigermaßen klar. Eine Reise in die Vergangenheit (ohne Wie­derkehr, nicht einfach nur mal so für zwei oder drei Wochen) würde mir viel - zuviel - an Anpassungsleistung abverlangen .
Wenn aber nun die berühmte Fee käme, mir verspräche, sie würde mir im relativ friedlichen Rom der frühen Kaiserzeit eine neue Existenz von Anfang an (als Säugling) verschaffen, so daß ich mich von klein auf anpassen und gewöhnen könnte - würde ich anbeißen?
Ich glaube nicht.
Freilich könnte ich mir eine Existenz in einem geräumigen römischen Stadthaus, sommers in meinem Landhaus in Campania, sehr gut und aus­gesprochen angenehm vorstellen. Nur: wer lebte auf diese Weise und wer zahlte die Spesen für diese Art zu leben?
Die Chancen, daß ich als Sproß der römischen Oberschicht oder zumindest der einigermaßen gediegenen Bürgerschaft auf die Welt käme, wären verdammt gering. Viel wahrscheinlicher wäre es doch, daß ich als Sohn einer Sklavin oder sonst eines armen Wurms auf die Welt käme. Und unter diesen Voraussetzungen scheiße ich auf das Alte Rom.
Abgesehen davon bin ich als Zweijähriger an Blinddarmentzündung er­krankt, eine Sache, die 1952 kein größeres medizinisches Problem mehr war, die aber noch 200 Jahre zuvor mit hoher Wahrscheinlichkeit mein Todesurteil gewesen wäre. Und wenn ich überlebt hätte, dann hätte sich herausgestellt, daß ich kurzsichtig, und zwar schwer kurzsich­tig bin. Vor zweihundert Jahre hätte es zwar schon eine leidlich brauchbare Brille dafür gegeben, die Krankenkasse, diese Brille auch für einen Normalmenschen bezahlbar zu machen, gab es damals aller­dings noch nicht.
(Der Artikel ist schon etwas älter, inzwischen hat uns der Fortschritt eingeholt, dergestalt, daß die Krankenkasse nix mehr für eine Brille zahlt. Es ist wieder zum Privatvergnügen geworden, halbblind tapernd durch die Gegend zu laufen.)
Wahrscheinlich wäre ich in den allermeisten der möglichen Vergangen­heit niemals erwachsen geworden. Wenn mich nicht schon die Blind­darmentzündung dahingerafft hätte, dann wäre ich eben irgendwann in einen Brunnen gestolpert oder in eine Schlucht gefallen oder sonstwie durch meine Sehbehinderung zu Tode gekommen.
Nö, ich bliebe hier, auch wenn die gute Fee mit ihrem Vorschlag käme.
Außerdem kannten die Römer weder Kaffee noch Tabak.

Charme

Warum sind Frauen eigentlich immer "charmant", wenn man ihnen etwas Positives nachsagen will (aber auf Deibel komm raus nichts Substantielles findet)?

Abfall und Wandel

Wenn einer eine Sache hatte, mit der er nichts rechtes mehr anzufangen wußte und deshalb einen anderen fragte, was er damit machen solle, so hörte man im Niederbayern meiner Kindheit häufig diesen Spruch: "Schee butzn und wegschmeißn!" (Schön putzen und dann wegwerfen.)

Dieses "Schee butzn und wegschmeißn!" war damals der Inbegriff von Unfug, Nonsens, Wahnsinn. Es ist ja auch, recht besehen, ein absolutes Unding, ein Ding, das man von vorneherein wegzuwerfen beabsichtigt, noch sorgfältig zu säubern, um es dann gesäubert, statt dreckig zum Abfall zu geben.

Dieser Wahnsinn meiner Kindheit ist im Laufe der Jahre zum Alltag eines entschiedenen Mülltrenners geworden.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Immer schön sachlich bleiben

Im Verlaufe hitziger Diskussionen wird oft und gerne gefordert, man solle doch sachlich bleiben. Das hört sich so vernünftig an wie es in Wahrheit Unfug ist. Über Themen, die sich sachlich diskutieren lassen (zum Beispiel die richtige Art, einen Reifen zu wechseln), braucht man nicht zu diskutieren, es reicht die Fachsimpelei.

Sonntag, 30. November 2008

Das Orakel von Delphi, die Pythia und das Zicklein

In seinem Buch "Das Geheimnis der Orakel" beschreibt Philipp Vandenberg einen merkwürdigen Vorgang vor der eigentlichen Wahrsagesitzung (die Seitenzahlen beziehen sich auf die Hardcoverausgabe von 1979):
"Die Prozession, voran zwei Propheten, die Oberpriester, da­hinter die Pythia, flankiert von den Hosioi, den Mitgliedern des vornehmen Fünfmännerrates, danach eine Schar einfacher Orakeldiener, hatte jetzt den Apollon-Tempel erreicht. Die Pythia legte jetzt ihren Purpurumhang ab, sie trug nur noch ein schlichtes, weißes, kurzes Kleid. Auf dem Altar der Hestia in der Mitte des Tempels loderte ein Feuer. Zwei Ora­keldiener schleppten ein lebendes Zicklein herein. Sie setz­ten es auf dem weißen Marmorboden vor dem Altar ab. Hilflos schaute es in die Runde. Da trat einer der Propheten hinzu und besprengte das Tier mit eiskaltem Wasser. Das Zicklein reagierte daraufhin mit Zittern. Das war sein Todesurteil, für die Priester aber ein günstiges Omen. Hätte das Tier die Wasserspritzer gelassen und ohne Regung hingenommen, so wäre dies als ungünstiges Vorzeichen gewertet und die Orakelbe­fragung für diesen Tag abgesagt worden." (S. 164 f.)
Vandenberg zitiert dann den griechischen Schriftstel­ler STRABON: "Man sagt, das Orakel sei eine lotrechte Höh­lung mit einer nicht eben großen Öffnung. Daraus steigt ein Dunst auf, der Entrückung hervorruft, und über der Öffnung steht ein hoch aufgerichteter Dreifuß; ihn besteigt die Py­thia, atmet den Dunst ein und prophezeit." (S. 178 f.)
Und dann PLUTARCH: "Auch glaube ich, daß es mit der Aus­dün­stung nicht immer und durchweg gleich bestellt ist, sondern daß manchmal eine Abnahme und dann wieder eine starke Zunahme stattfindet. Der Beweis, den ich dafür anführe, hat zu Zeu­gen viele Fremde und alle, die im Dienste des Heiligtums stehen. Denn das Gelaß, in dem man diejenigen, die den Gott befragen, sich niedersetzen läßt, erfüllt sich, nicht häufig und nicht zu bestimmten Zeiten, sondern von ungefähr in län­geren Abständen mit einem Wohlgeruch und einem Hauch ähnlich den Düften, die die edelsten und kostbarsten Parfüms entsen­den und die dem Allerheiligsten wie einer Quelle entströ­men." (S. 179)
Vandenberg selbst qualifiziert den Zicklein-Test als abergläubisches Ri­tual ohne jeden pragmatischen Wert ab ( S. 277). Was auch sollte die momentane Befindlichkeit eines solchen Jungtieres mit der Wahrsagekraft der Pythia zu tun haben? Und doch schildert er (S. 183) einen Vorfall, bei dem der Zicklein-Test nicht ernstgenommen wurde, was die Pythia das Leben ko­stete. Das Zicklein reagierte nicht und "die Pythia beobach­tete all dies mit Entsetzen". Sie war nicht einfach mißge­launt, weil heute der Zaubertrick nicht funktionieren würde, sie hatte vielmehr Schiß vor dem, was kommen mußte und dann auch tatsächlich kam. Nun liegt natürlich der Verdacht nahe, dies sei alles psychoso­matisch gewesen, Autosuggestion, self-fulfilling pro­phe­cy; sie glaubte, jetzt sei das Weissagen unmöglich und ge­fährlich und also wurde das Weissagen gefährlich und un­möglich, tödlich schließlich.
Lassen wir uns aber einmal auf die antiken Quellen ein, glauben wir, was sie sagen. Die Pythia stand demnach im Dienst unter Drogen, sie war angeturned durch betäubende Dämpfe, welche aus dem Erdspalt kamen (die Entstehungslegende des Orakels nimmt auf diese Dämpfe Bezug). Diese Dämpfe quollen of­fensichtlich recht unregelmäßig aus dem Erdspalt, versiegten aber anscheinend nie zur Gänze. Hielt sich die Ausdünstung im Rahmen, dann konnte die Pythia in Ruhe und mit Erfolg ih­rem Beruf nachgehen. Wie die Story von PLUTARCH zeigt (S. 183), war eine Überdosis des Stoffes aber äußerst gefährlich und - vor allem - sehr schnell gefährlich: "...sogleich aber bei ihren ersten Antworten merkte man, daß sie (...) von einem bösartigen Hauch erfüllt war..." (S. 184). Demnach wäre es zu gefährlich gewesen, die Pythia oder einen der Priester kurz mal probeschnüffeln zu lassen und dann erst die Show zu beginnen oder abzublasen. Einen Skla­ven oder sonst einen Wicht konnte man auch nicht nehmen, weil die Drogenhöhle ja heilig war. Also...
Also verfiel man auf den Zicklein-Test. In der Schilderung des Vorgangs durch Vandenberg (S. 164 f) findet sich kein Hinweis darauf, daß das Zicklein irgendwie ge­fesselt war. Man setzt es auf dem Marmorboden ab und es bleibt sitzen (oder stehen), läuft jedenfalls nicht weg. Demnach muß es auf jeden Fall ein biß­chen bekifft sein. Und war wohl auch leicht zu bekiffen, man mußte zum Test gar nicht hinunter in das Adyton gehen, die ca. 6 m Entfernung vom Hestia-Altar zum Erdspalt reichten aus für den Test. Wenn ich mich recht entsinne, haben Ziegen eine feuchte, empfindliche Nase, Jungtiere gleich gar sind schon mit sehr geringen Mengen an irgendwelchen Wirkstoffen zu be­eindrucken. Man nimmt also diesen hochempfindlichen Bioindi­kator (viel empfindlicher als ein erwachsener Mensch) und besprenkelt ihn nach der Exposition mit eiskaltem Wasser. Wenn das Tier dann nicht zittert, ist allen klar, daß es eine Überdosis erwischt hatte, das Weissagen für heute also zu gefährlich war.
Der Zicklein-Test bekommt unter diesem Blickwinkel einen äu­ßerst pragmatischen Wert. Auf ihn zu achten hat eine völlig andere Qualität, als das Verschieben einer Schlacht wegen einer ungünstigen Konstellation der Sterne.

Montag, 24. November 2008

Oh, Rakel!

Immer wenn Paddy O'Rakel mit Whiskey voll war bis zum Eichstrich kamen die Leute und fragten ihn nach Vergangenheit und Zukunft und er gab Antwort.

Sonntag, 23. November 2008

Jugend

In seinem Lied "Ooh la la" singt Rod Stewart
I wish that I knew what I know now when I was younger
I wish that I knew what I know now when I was stronger.
Ein alter Stoßseufzer, den ich auch in der Version "Das Dumme an der Jugend ist, daß sie an Kinder verschwendet wird" gehört habe.
Manchmal neige ich dazu, in den Seufzer einzustimmen, der Haken ist bloß: Es geht nicht, selbst wenn es ginge.
Wenn ich wieder zwanzig wäre, dabei aber alle Erfahrungen im Kopf hätte, die ich jetzt habe, dann wäre ich zwar zwanzig, aber nicht mehr jung. Dann hätte ich den Körper und die Leistungsfähigkeit eines Zwanzigjährigen, mein Verhalten aber wäre von der lahmarschigen Bedächtigkeit des Fünfzigjährigen.
Ein junger Mensch ist nicht nur deshalb so stürmisch, weil er vor Lebenskraft nur so übersprüht, sondern weil er von so verdammt viel Sachen so verdammt wenig Ahnung hat - glücklicherweise, da sonst manche riskante, aber sinnvolle und schließlich gut getane Sache von vornherein unterbliebe.

Donnerstag, 13. November 2008

Günter Bouteflika

Die "Süddeutsche Zeitung" behauptet, der lächelnde Herr sei der algerische Staatschef Bouteflika. Ich behaupte, es ist Günter Grass, der sich ein bisserl was dazuverdient.

Mittwoch, 12. November 2008

Bundeswehrsoldaten

Was dem Beobachter an der leidenschaftlichen Debatte über den Satz "Soldaten sind Mörder" am meisten auffällt, ist der Umstand, daß sie nicht stattfindet.
Das war nicht immer so. 1984 hatte ein Frankfurter Arzt das von Kurt Tucholsky geprägte Wort aufgegriffen, und damit eine viele Jahre dauernde, in den Medien und Gerichtssälen aus­getragene Diskussion entfacht. Die Leidenschaft der Diskussion war seinerzeit eine rein aka­demische, die Bundesrepublik Deutschland ein Staat im Frieden.
1994 entschied das Bundesverfassungsgericht für einen Verbreiter des Wortes. Dem Kern der Aussage vorsichtig ausweichend begründeten die Verfassungsrichter ihren Freispruch vom Vor­wurf der Beleidigung und Volksverhetzung so: Mit dem Begriff "Mörder" könnten Bundes­wehrsoldaten gar nicht gemeint sein, da "die Bundeswehr seit ihrer Gründung noch nicht an einer bewaffneten Auseinandersetzung teilgenommen (habe) und so noch niemand im Rah­men eines Krieges getötet worden (sei)".
Mit dieser Begründung wäre heute kein Prozeß mehr zu gewinnen. Peu à peu (und plan­mä­ßig) ist die Öffentlichkeit an die "ge­wach­se­ne Verantwortung" der "neuen Weltmacht Deutsch­land" gewöhnt worden, vom "be­grüßens­werten Sanitätseinsatz" in Südostasien über die "hu­­­manitäre Hilfs­aktion" in Somalia, bis zu den "kampf­be­glei­ten­den Aufklärungsflü­gen" in Bosnien. Die erste pazifistische Partei, die in Deutschland jemals in einer Regierung war, be­endete 1999 die Vorkriegszeit und ließ in Jugoslawien Bundeswehrflugzeuge erstmals mit­bomben. Die Teilnahme der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg war danach bereits politi­sche Routine.
Die Rechtslage von 1994 stützt sich also auf einen Sachverhalt, der seit 1999 nicht mehr ge­geben ist. Inzwischen sind Menschen von Soldaten der Bundeswehr getötet worden.
Wie auch immer: Im Oktober 1999 tagte in Berlin eine Internationale Konferenz zum Thema "Kindersoldaten". Der damalige Außenminister Fischer hatte dort eine Rede gehalten, in der er sich - natürlich - schwer gegen Kindersoldaten aussprach. Er meinte, das sei kein Problem der dritten Welt alleine. Bei der britischen Armee zum Beispiel dienten ca. 6000 Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren. Man müsse das Mindestalter für den Militärdienst von jetzt 15 (!) auf 18 Jahre heraufsetzen. Es sei eine "Perversion", daß - jetzt kommt's! - Kinder und Jugendliche zu "Tötungsmaschinen" herangebildet würden.
Das Wort muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! Wenn Kindersoldaten "Tötungs­ma­schinen" sind, dann sind es - so läßt sich zwanglos folgern - erwachsene Soldaten erst recht, weil sie ja größer, stärker und erfahrener in allen Künsten des Tötens sind.
"Tötungsmaschinen" - das vielumstrittene Wort von den Soldaten, die Mörder seien, hört sich dagegen fast wie eine harmlose Frotzelei unter Freunden an.
Die Brisanz dieser Formulierung von Fischer hat anscheinend damals keiner erkannt.

Kim Jong Priol und Wladimir Bond

Heute hab ich in der "Süddeutschen Online" gelesen, es habe der nordkoreanische Staatspräsident Kim Jong Il womöglich einen zweiten Herzanfall gehabt. Sollte das Leben dieses Politikers je einmal verfilmt werden, dann wäre der Kabarettist Urban Priol der Schauspieler, der Kim Jong Il mit dem geringsten Aufwand an Maske spielen könnte.



Daß der neue James Bond (ich kann mir den Namen des Schauspielers nicht merken, es ist auch wurscht) der ideale Darsteller von Wladimir Putin wäre, versteht sich sowieso.

Montag, 10. November 2008

Rohkost

Mitte der achtziger Jahre waren wir im Urlaub in einem Hotel in Italien. Es gab dort ein reichhaltiges Frühstücksbüfett, abends ein Salatbüfett - eine große Vielfalt an Gemüse, schön angerichtet - bei dem sich jeder aufladen konnte, was und wieviel er wollte, dazu Essig und Öl und Saucen nach Geschmack.
Nun muß ich vorausschicken, daß ich bis dahin nie ein großer Salat- und Gemüse-Esser war. Als Metzgersohn habe ich von jeher Fleisch und Knödel und sonstige deftige Speisen vorgezogen. Hier aber habe ich reichlich aufgeladen, und hätte manchmal auf das eigentliche Essen gern verzichtet, wenn ich dafür mehr vom Salat hätte essen können.
Und dann höre ich, wie am Nebentisch ein Mann in scharfem Ton zu seinem ca. 15jährigen Sohn sagt: "Die Rohkost wird aufgegessen!"
"Rohkost" - das Wort hat mich getroffen wie ein Schlag. Freilich, wenn man das Zeug "Rohkost" nennt und den Leuten aufzwingt, dann mag es freilich keiner mehr essen. Das Gemüse war hier für mich ein Genußmittel allererster Sahne, das Wort "Rohkost" aber schmeckt derart nach Verzicht, Vernunft und Gesundheit, daß es - bei Heranwachsenden gleich gar - semantischen Ekel vor endgeilen Sachen erzeugen kann.
Kinder, die regelmäßig den Salat stehen lassen, bekommen irgendwann keinen mehr vorgesetzt. Dann fragen sie eines Tages selber nach, wieso sie keinen bekommen, die anderen aber schon...

Dienstag, 4. November 2008

Ein Mann sieht grün

Ich muß gestehen, daß ich keinen grünen Daumen habe, noch nicht mal zwei linke. Blumen verwelken mir im Topf, obwohl ich sie gieße (vielleicht zu selten, vielleicht zu oft - Kakteen) und sogar gelegentlich dünge (vielleicht zu selten). Da ich aber nun mal seit fast 20 Jahren einen Garten habe (das Ding war beim Haus jeweils dabei, da kannst nix machen), muß ich wohl oder übel schauen, daß der Garten begehbar bleibt.
Merkwürdigerweise habe ich dabei entdeckt, daß mir das Mähen, Mooszupfen und vor allem das Bäumeschneiden Spaß macht und die Frage ist natürlich: Warum?
Ich erkläre es mir damit, daß Mähen, Zupfen, Schneiden hoch-aggressive Tätigkeiten sind, Verrrnichten, Zerrrstören, Verrrstümmeln. Das alles aber auf eine höchst beschauliche, meditative Art und Weise. Kein "Hu!Ha!-Schreien", kein Schaum vor dem Mund, nur vergnügt ein Liedlein pfeifend und über das Leben und die Welt nachsinnend.
Charles Bronson auf die sanfte Art.

Ein weiterer Artikel zum Thema "Beschauliche Gewalt gegen Sachen" findet sich hier.

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Lob der Korruption

Man mag über Korruption und Schlamperei, korrupte und schlampige Beamte und dergleichen schimpfen, wie man nur mag. Das meiste davon ist richtig und begrüßenswert.
Eines darf man aber dabei nicht vergessen: Wenn ein System uneffektiv oder brutal oder beides oder uneffektiv, weil brutal ist, dann sind Korruption und Schlamperei jene Erscheinungen, welche die Sache noch einigermaßen erträglich machen können.
So schlimm der italienische Faschismus war, er hält einen Vergleich mit dem deutschen Nazismus nicht aus. Dort hat eben nicht alles so perfekt funktioniert wie in Deutschland, dort ist das, was man sich im Hirn ausgedacht hat, nicht so konsequent ausgeführt worden wie in Deutschland.
Gottlob!
In einem korrupten Staat hast du immerhin noch die Chance, dich aus dem allerschlimmsten Schlamassel durch Bestechungsgelder herauszuwinden.
Falls du entsprechende Geldmittel hast, das ist natürlich der Haken.

WELTLAUF

Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das Wenige genommen.
 
Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben -
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur die etwas haben.
Heinrich Heine


Mittwoch, 29. Oktober 2008

Gotteln

Kennst du dieses wunderbare Gefühl, wenn du einen to - tal versifften und verstellten Raum betrittst und dich dann entschließt, hier mal wieder gründlich Ordnung zu machen. Das heißt, an diesem Punkt ist das Gefühl noch nicht so wunderbar, es ist eher die Vorfreude auf Kommendes. Aber dann gehst du, "machst gründlich" und schließlich schaut der Raum wieder proper und ordentlich aus.

Voraussetzung für dieses Glücksgefühl ist natürlich, daß es sich um eigene Räume handelt, möglichst um täglich bewohnte oder wenigstens benutzte Räume. Irgendwelche fremdversifften Wohnungen beim Auszug aufzuräumen, macht keinen Spaß. Das ist berufliche Fronarbeit.

Nein, ganz entschieden: Es müssen die eigenen Räume sein.

Und da beginnt für viele Leute das Problem. Nur die allerwenigsten Menschen, die ich kenne, besitzen diese eiserne Selbstdisziplin, ihr eigenes Zimmer, ihre eigene Wohnung über viele, viele Monate hinweg dermaßen verwahrlosen zu lassen, daß sich schließlich dieses - vom Kontrast Vorher-Nachher abhängige - Glücksgefühl einstellt.

Dieses "Ordnung machen im Chaos" nenne ich gerne gotteln, denn wenn du das gemacht hast, dann hast du einen Hauch jenes Gefühls, das Gott gehabt haben muß, als er aus dem Tohuwabohu vor der Schöpfung endlich die Welt samt Menschen und Tieren und Pflanzen erschaffen hatte.

Aber, wie gesagt, Disziplin braucht man dafür schon.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Diskussion

Aus dem Usenet

A: Du weißt offensichtlich nicht, wovon Du sprichst.

B: Was glaubst du, warum ich diskutiere? Wenn ich irgendwann einmal weiß, wovon ich spreche, dann höre ich auf zu sprechen, das verspreche ich dir.

Montag, 27. Oktober 2008

Schnuffi

Zur Erinnerung an den großen Robert Gernhardt alias Lützel Jeman, den bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Schnuffis Abenteuer und mehr von Robert Gernhardt findest du in dem fast 700 Seiten dicken (und doch nur 10,00 EUR teuren) Buch "Vom Schönen, Guten, Baren"
http://www.buch.de/buch/14257/784_vom_schoenen_guten_baren.html

Samarkand

Im fernen Samarkand lebte einst eine in allen Künsten ihres Berufes erfahrene Hure namens Valva.
Eines Tages ging ein stattlicher Mann an ihr vorbei und sie sprach ihn an, nach Hurenart.
"Nein", antwortete dieser auf ihr freundliches Angebot hin, "so wie ich es haben möchte, kannst du es mir doch nicht machen."
"Du bist", fragte Valva, die ihr Geschäft schon dahinschwinden sah, "schwul?"
"Aber woher denn. Und doch - so wie ich es will, kannst du es nicht."
Valva, die Welt- und Berufserfahrene, zählte dem Manne nun alle nur irgend möglichen und einige fast nicht mögliche Arten von Geschlechtsverkehr auf und bekam jedes Mal ein geduldiges "Nein, so will ich es nicht" zur Antwort. Schließlich aber reißt auch der geduldigsten Hure der Geduldsfaden.
"Du sagst mir jetzt sofort, wie du es haben willst. Ich wette mit dir um 100 samarkandische Dublonen, daß ich es dir genauso machen kann, wie du es willst."
Der Mann begann zu lächeln, 100 samarkandische Dublonen sind schließlich eine Menge Geld, und er nahm die Wette an.
Er sagte, er wolle es - und grinste immer noch dabei - kostenlos und das könne sie ihm als Berufsmäßige nicht machen.
Valva entgegnete lächelnd: "Ich hab jetzt Feierabend, komm mit."
Der Mann nahm die Sache sportlich, war zufrieden mit Valva und bezahlte dann seine Wettschuld - das mehr als 10fache des damals üblichen Hurenlohns.

Der Mann aber war der König und da er ein weiser König und zudem noch ledig war, nahm er Valva zur Frau. Wahre Weise - und nur diese - wissen die größere Weisheit eines anderen zu schätzen.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Instant-Theorien

Der Mensch muß sich die Welt erklären, anders erträgt er sie nicht, anders kann er nicht in ihr leben. Jede Theorie - buchstäblich und wortwörtlich: jede - ist besser als keine Theorie. Religionsstifter und Philosophen haben das erkannt und die Marktlücke mit Sinn gefüllt.

Ende der siebziger Jahre bin ich auf der Autobahn bei Regensburg nach Norden gefahren. Das Autoradio war eingeschaltet und ich hörte gerade Nachrichten auf einem UKW-Sender des Bayerischen Rundfunks. Dann kam der Pfaffensteiner Tunnel und so ganz allmählich wurde der Empfang immer schlechter, bis schließlich im Inneren der Tunnelröhre überhaupt nichts mehr zu hören war.

Als die Ausfahrt näher kam, setzte das Programm wieder ein. Musik erst und dann sprach einer über die Musik - auf Polnisch! Kein Sprechgesang, sondern eine ganz normale Ansage, wie vor jeder Sendung, nur eben diesmal auf Polnisch.

Innerhalb von Sekunden hatte ich mir eine Theorie zurechtgelegt; daß nämlich bei bestimmten Wetterlagen Überreichweiten bei UKW-Sendern auftreten könnten (das ist tatsächlich so), daß ferner topographische Besonderheiten an der Nordseite des Berges diese Überreichweiten verstärken würden, so jetzt eben ein polnischer Sender in hervorragender Qualität zu empfangen sei.

Damit war ich vorerst zufrieden und fing an, mich wieder zu entspannen, als der wohlbekannte Moderator Ado Schlier vom Bayerischen Rundfunk seine Stimme erhob und kundtat, es folge nun, in einer Übernahme vom polnischen Rundfunk, die Übertragung eines Musikfestivals aus Zoppot.

Ach so, so einfach.

Schade um meine schöne Theorie.

Dienstag, 21. Oktober 2008

War Eichmann ein Idiot?

Wie man hört war der sog. "Holocaust" nichts anderes eine großangelegte Fälschung, eine Propagandaaktion der Alliierten, das deutsche Volk zu diskreditieren. Im Internet, im Usenet wird viel darüber diskutiert, mit viel Liebe zum Detail. Jede Tür in Auschwitz wird untersucht, die Schwebeeigenschaften von Giftgasen ventiliert, die "angeblichen KZs" auf den Meter genau vermessen.

Wenn aber, wie man hört, der Holocaust nichts anderes war als eine großangelegte Fälschung, eine Propagandaaktion der Alliierten, das deutsche Volk zu diskreditieren, dann werden im Rückblick die seinerzeitigen KZ-Prozesse, der große Auschwitz-Prozeß in Frankfurt etwa oder der Eichmann-Prozeß in Jerusalem zu äußerst merkwürdigen Veranstaltungen.

Wieso, so ist zu fragen, haben die Angeklagten damals, als all das Morden so furchtbar lange nicht zurücklag, nichts davon bestritten. Bestritten haben sie natürlich eine ganze Menge, was die eigene Tatbeteiligung betrifft: Das hätten nicht sie gemacht, sondern andere oder es sei ein Befehl gewesen und sie hätten diesem Befehl aus Angst gehorcht. Keiner der damaligen Angeklagten aber hat den Holocaust als solchen abgestritten.

Wer immer behauptet, der Holocaust habe nicht stattgefunden, muß eine Erklärung für diesen merkwürdigen Umstand vorweisen. Hat er eine Erklärung, dann muß diese in sich stimmig sein und sie muß zu den Tatsachen passen. Hat er keine Erklärung, wird er sich als Dummschwätzer bezeichnen lassen müssen.

Spiegelschrift

Von Leonardo da Vinci ist bekannt, daß er seine Manuskripte gerne in Spiegelschrift verfaßt hat. Dies wurde (und wird) gern so gedeutet, daß er damit seine private Geheimschrift geschaffen hat, mit der er seine Aufzeichnungen vor allzu neugierigen Augen schützen wollte. Wenn es so war, dann hat der Trick nicht sonderlich gut funktioniert, denn man ist ihm ziemlich bald auf die Schliche gekommen.

Daß die Spiegelschrift eine Geheimschrift war, ist aus gutem Grund höchst zweifelhaft. Leonardo nämlich war - auch das ist weithin bekannt - Linkshänder.

Dazu ein einfaches Experiment, das allerdings nur für Rechtshänder funktioniert oder für solche Linkshänder, die auf Rechts-Schreiben gedrillt worden sind: Stell dich mit einem Schreibwerkzeug vor eine große Tafel oder einen Flip-Chart und schreibe dann, in der Mitte beginnend, mit beiden Händen gleichzeitig einfach drauf los. Ganz wichtig: Konzentrier dich dabei ausschließlich auf deine rechte Hand und denke nicht daran, was die andere Hand gerade macht. Wenn du anfängst, dir Gedanken machen, wie irgendein Wort in Spiegelschrift aussieht, ist es schon aus. Das kriegst du nie und nimmer hin.

Noch mal anfangen! Nur auf die rechte Hand konzentrieren und die linke einfach mitschwingen lassen. Das Wort, das sie rechts sauber und lesbar geschrieben hat, steht nun auch links da, wenn auch sehr, sehr krakelig, denn du bist Rechtshänder und mit der Linken nicht geübt. Du kannst das Wort nicht lesen, denn abgesehen von der Krakeligkeit stört auch der Umstand, daß es in Spiegelschrift dasteht.

Nach diesem Erfolgserlebnis brauchst du allenfalls eine halbe Stunde üben und du kannst auch nur mit der linken Hand in Spiegelschrift schreiben. Lesbar wird auch das nicht sein, auch für dich nicht, der du das eben hingeschrieben hast. Vor dem Spiegel aber oder wenn du das Papier umgedreht gegen das Licht hältst, wird es jedoch durchaus entschlüsselbar.

Wie meine Frau ist auch mein jüngster Sohn Linkshänder. Bei seinen ersten Schreibversuchen war anfangs alles in Spiegelschrift, auch Sachen, die er von einer "richtig" geschriebenen Vorlage abschrieb. Mit seinem noch nicht auf die Rechtshänderwelt dressierten Hirn hat er das nicht einmal gemerkt. Später hat er längere Zeit noch einzelne Buchstaben verkehrt herum geschrieben.

Die Sache ist klar: das Schreiben von Rechts nach Links in Spiegelschrift ist die eigentlich natürliche Schreibbewegung mit der linken Hand. Wäre die Welt eine Welt von Linkshändern, würden alle so schreiben.

Freitag, 17. Oktober 2008

Staatenlenker

Nun ist der Unfallbericht in Sachen Jörg Haider also veröffentlicht. Auf einer Straße, die auf 70 km/h beschränkt ist, 100 m nach dem Unfallort sogar schon auf 50 km/h, war er mit 142 km/h unterwegs gewesen. Und - man hatte es spontan vermutet nach den ersten Meldungen - er war alkoholisiert; 1,8 Promille immerhin.

Ich bin von Beruf Verkehrspsychologe, war 15 Jahre lang Gutachter bei der MPU. In diesem Job macht man die Erfahrung, daß Menschen, die mit einem groben Verkehrsverstoß auffallen, nahezu immer schon viele, viele Male denselben Verstoß begangen haben, ehe sie das erste Mal damit aufgefallen sind.

Und: 1,8 Promille sind ein Wert, bei dem der normale Alkoholkonsument, der zum Essen sein Bier trinkt, bereits in Lebensgefahr kommt. Er ist damit längst bewußtlos und sollte dringend ins Krankenhaus eingeliefert werden. Wer mit 1,8 Promille noch Auto fahren kann, 140 km/h und das nachts auf schwieriger Strecke, ist so stark alkoholgewöhnt, daß man ihn getrost als Trinker einstufen kann.

Von solchen Leuten wirst du dann regiert, solche Leute treffen weitreichende Entscheidungen. Und im Fall Haider: Solche Leute fordern bei jeder sich bietenden Gelegenheit strengere Gesetze, härtere Strafen.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Mephisto und Radetzkymarsch

Der Film "Mephisto" von István Szabó endet in einer ganz bemerkenswerten Szene: Der Filmheld Henrik Höfgen, ein gefeierter, berühmter und von allen möglichen Leuten hofier­ter Schauspieler, legt sich auf einem Bankett wegen irgend etwas mit Hermann Göring an. Göring nimmt den Gefeierten zum nächtlichen Berliner Olympiastadion mit, läßt ihn dort (nackt, wenn ich mich richtig erinnere) auf den mit einem Spotlicht beleuchteten Platz laufen und verhöhnt den im demütigenden Scheinwerferlicht stehenden Schauspieler. Drastisch und schmerzhaft zeigt er ihm seine Grenzen: Er mag ja der große und weltberühmte Künstler sein, aber er ist eben nur ein Schauspieler. Er ist der Liebling der Mächtigen, man schätzt seine Kunst, aber er gehört selbst nicht zu den Mächtigen. Er ist letztlich nur ihr - wenn auch hochbezahltes und beju­beltes - Spielzeug.
So ist es im Film und so ist es natürlich auch im richtigen Leben.
Wichtig sind die Leute, welche die politische und vor allem die ökonomische Macht in Händen halten. Künstler - auch gefeierte Künstler - sind letztlich nichts anderes als die Hofnarren und Kasper der wirklich Mächtigen.

Soweit wirst du mir wahrscheinlich zustimmen, ob du nun eher Politiker bist oder Künstler.
Und was fällt dir zum Namen "Radetzky" ein? Jede Wette, daß alle, ausnahmslos alle, von denen, denen überhaupt etwas dazu eingefallen ist, jetzt "Radetzky-Marsch" gesagt haben? Richtig, der so ungemein bekannte und wirklich zurecht so beliebte "Radetzky-Marsch". Und die meisten von Ihnen wissen wahrscheinlich auch, von wem der "Radetzky-Marsch" ist: Von Johann Strauß (Vater), dem Komponisten aus Wien.
Und warum heißt der Marsch "Radetzky-Marsch"? Da wird es schon stiller, aber ein im­mer noch beträchtlicher Prozentsatz wird jetzt sagen, daß der Marsch nach einem gewissen Radetzky benannt ist, dem er gewidmet ist. Und wer war dieser "gewisse Radetzky"? Ein österreichischer Politiker, werden einige sagen und die Informierteren bringen es noch auf "Feldmarschall Radetzky". Und dann beißt es aus. Dann müßtest du schon Historiker sein, oder gerade erst deine Matura in Österreich gemacht haben, um wenigstens ein bißchen was Substantielleres über diesen Feldmarschall Radetzky erzählen zu können.

Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz, österr. Feldmarschall, * 2. 11. 1766 Schloß Trebnitz, Böhmen, † 5. 1. 1858 Mailand; 1809–1812 Generalstabschef, während der Befreiungskriege entscheidend beteiligt am Feldzugplan der Völker­schlacht bei Leipzig; 1831–1857 Oberbefehlshaber bzw. Generalgouverneur in Oberitalien, wo er alle Erhebungen gegen die habsburg. Herrschaft niederwarf; volkstüml. Heerführer (Radetzky-Marsch von J. Strauß [Vater]).
So steht es im Brockhaus-Lexikon, und es ist dir natürlich aufgefallen, daß auch der Brockhaus es sich nicht verkneifen kann, auf den Radetzky-Marsch, den ja jeder kennt, hinzuweisen.
Feldmarschall Radetzky war seinerzeit einer der bedeutendsten, mächtigsten und geachtet­sten Männer in Österreich-Ungarn. Johann Strauß, ein Zeitgenosse Radetzkys, war demge­genüber zwar auch bekannt, beliebt und irgendwie geachtet, mächtig aber war er nicht. Er war nur ein Künstler und Spaßmacher. Nichts weiter.
Ohne diesen Musikanten würde Seine Gnaden, den Feldmarschall heute keine Sau mehr kennen.
Was bleibt, ist das Lied des Sängers, nicht der politische Ruhm. Was bleibt, ist der Sänger, nicht der Feldherr.
Tröstlich.

Verfassung

Im Jahr 2003 bekam der ehemalige französische Präsident Valery Giscard d'Estaing routinemäßig den Karlspreis der Stadt Aachen verliehen.
Anläßlich dieser Preisverleihung war damals in deutschen Städten dieses Plakat sehr oft zu sehen:
Als ich dieses Plakat das erste Mal sah, war ich fassungslos. "Das gibt's doch nicht", dachte ich, "daß die Institution, die Giscard den Karlspreis verleiht, sich öffentlich über eben diesen Giscard lustig macht". Freilich war Giscard schon damals nicht mehr der Jüngste und seine Verfassung war, wie aus dem Bild ersichtlich war, nicht mehr die beste. Aber sich deshalb über den alten Mann lustig machen?
Es hat einige Sekunden gedauert, ehe mir klar wurde, daß mit "seine Verfassung" die Verfassung Europas gemeint war, nicht jene Giscards.

Korruption

Irgendwo in Deutschland - und das habe ich aus sicherer Quelle - gibt es eine Gemeinde, in der "Korruption" nicht mehr ist als ein Wort. Diese Unbestechlichkeit finden Sie dort in allen Zweigen der Kommunalverwaltung, vom Bürgermeister bis hinab zum letzten Gemeindearbeiter. Noch nicht mal im Baureferat, kenne man so etwas wie Korruption. Dir ist natürlich klar, daß ich den Namen dieser Gemeinde streng geheimhalten muß, um einer Verleumdungsklage aller anderen Gemeinden zu entgehen.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Gleichschritt

Wenn du dir das nebenstehende Photo anschaust, wird dir wahrscheinlich zuerst gar nicht viel auffallen. Wenn du ein Kenner bist, wirst du erkennen, daß es sich um sowjetische Offiziere handelt, wenn du genau hinschaust, merkst du, daß die Armbewegungen nicht sonderlich synchron sind. Ach so, und jetzt fällt dir auch auf, daß eine Gruppe von nur drei Soldaten im Gleichschritt vielleicht etwas merkwürdig ist. Daß die drei Leute in dieser komischen Hampelmanngangart einherschreiten, fällt dir dagegen nicht auf, es sind schließlich Soldaten. Man kennt das.

Nun aber schau dir mal das ganze Bild an. Sieben Herren im Gleichschritt, drei davon Zivilisten. Auch sie sind ziemlich uniform gekleidet, soweit man das auf dem schlechten Zeitungsbild erkennen kann, aber eben doch zivil gekleidet. Und die gleiche Bewegungsart, die bei den Soldaten so normal wirkt, wird bei den Zivilisten auf einmal saukomisch.

Und ob man das Bild noch kommentieren muß?

Dienstag, 7. Oktober 2008

Das Genie des Einbrechers

In der Kunst, Literatur und Musik ist viel Gewese um die verkannten Genies.

Was gerne vergessen wird, daß es auch unter Einbrechern Leute gibt, die ihr Geschäft als Kunst und diese mit wahrhaft genialer Meisterschaft betreiben. Das Tragische ist aber in diesem Falle, daß Einbrecher nur dann wirklich geniale Einbrecher sind, wenn sie unerkannt bleiben, ihr Genie also völlig verkannt wird.

Die wirklich großen Einbrecher sind jene, von denen man nie hört. Verkannte Genies per definitionem. Ein berühmter Einbrecher ist kein guter Einbrecher.

Nur, damit auch das mal ausgesprochen worden ist.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Wer ko, der muaß...

Der Franze hat gsagt, er lernt nix. Weil, sagt er, wer was kann, muß es auch machen.

Demuts-Champions

In christlichen Weltgegenden gilt Demut als eine der höchsten Tugenden. Jeder Bischof, der andere sich vor ihm hinknien heißt und sich von ihnen den Ring samt der Hand küssen läßt, jeder Kardinal, der eifersüchtig darauf besteht, daß man ihn mit Eminenz anredet, jeder Papst, der sich zujubeln läßt, preist die große Tugend der Demut.

Und wirklich: Leute, die nachweislich demütig und bescheiden gelebt haben, können mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf hoffen, den Ruhm der Altäre zu ernten, also von den Leuten verehrt zu werden.

Ehrgeizige Leute gehen deshalb schon von früher Jugend daran, sich auf eine Karriere als Demuts-Champion vorzubereiten.

Erste Voraussetzung für Demut ist natürlich Ansehen. Nein, das ist jetzt kein Schreibfehler. Ich weiß schon, daß manche sagen, aus der Demut komme das Ansehen, aber genau besehen ist es umgekehrt.

So wie Gnade Macht voraussetzt, setzt Demut Ansehen voraus. Ein armer Teufel, den sowieso jeder für den letzten Idioten hält, von dem kein Hund ein Stück Brot annimmt, kann nicht demütig sein. So wenig wie einer, dem sowieso keiner gehorcht, der nichts bewegen kann, gnädig sein kann.

Der Konkurrenzdruck ist groß und wenn du da nicht einen brennenden Ehrgeiz mitbringst, dann hältst du das nicht aus, so ein Leben in völliger Demut.

Und der Druck auf dir wird ja immer stärker, je älter du wirst. Je mehr Leben du schon mit Heiligsein vertan hast, desto erpichter bist du natürlich darauf, eines toten Tages die Ernte in Form von Himmel und Heiligsprechung einzufahren. Desto weniger kannst du dann noch irgendwann sagen: "Jetzt mag ich nicht mehr, Herr Papst. Jetzt kannst mich am Arsch lecken, Herr Abt. Such dir einen anderen Deppen, Herr Prior."

Wenn du von Haus aus ein Depp ist, geht es natürlich leichter. Als Depp geht dir das leicht von der Zunge: "Ja, Herr Papst. Geht in Ordnung, Herr Abt. Klasse Idee, Herr Prior."

Aber stell dir mal vor, du bist ein blitzgescheiter Mensch und sollst zum größten Unfug Ja und Amen sagen...

Aber es hat ja auch keiner behauptet, Heiligsein wäre leicht.

Samstag, 4. Oktober 2008

Rangabzeichen

Wenn Menschen zusammenleben - und sie kennen keine dauerhafte Alternative zum Zusammenleben - dann gibt es innerhalb jeder menschlichen Gruppe eine Rangordnung. Seit sich das erste Mal ein Häuptling einen größeren Knochen ins Haar gesteckt hat, als die anderen Stammesmitglieder, gibt es auch Rangabzeichen, welche die Ordnung jedermann sichtbar machen.
Das ist nicht nur die Hose aus feinerem Tuch und die dickere Zigarre. Je höher einer in der sozialen Rangordnung steht, desto länger darf gemeinhin auch sein Name sein. Ganz kleine Leute heißen Karli, kleine Leute müssen sich mit Karl Müller zufrieden geben, während etwas größere sich bereits als Herr Dr. Karl Müller anreden lassen dürfen. Wirklich große Leute heißen dann Karl Ludwig Maria Graf von Brockenstein und zu Lichtenfels.
Dieser Trend kehrt sich interessanterweise aber bei den ganz Großen dann wieder um. Da heißt der Obermotz dann nur noch Karl. Es gab im ganzen Frankenreich nur einen Karl von echtem Rang und das war der Kaiser. Weiß jeder, wer gemeint ist, mit Karl; nur Karl.
Und in Brasilien gab es einen kleinen Jungen aus kleinen Verhältnissen, der hieß Edson Arentes do Nascimento. Und als er berühmt wurde und also groß, da nannte sich dieser Edson Arentes do Nascimento nur noch "Pelè".
In der Hierarchie der Wissenschaft findet sich eine solche an- und absteigende Leiter der prächtigen Bezeichnungen ebenfalls. Hier führt der Weg vom Dipl.-Dings über den Dr. bums bis zum Professor Dr. Müller.
Die wirklichen Koryphäen ihres Fachs, jene, die jeder auch außerhalb der engen Fachgrenzen kennt, heißen dann nur noch Konrad Lorenz oder noch einfacher Einstein.
Es wäre eine arge Minderung des Rufes und Ranges von Prof. Dr. Albert Einstein, würde man ihn in einer Abhandlung über die Geschichte der Physik als Prof. Dr. Albert Einstein bezeichnen. Es hieße, es würde ihn so kein Schwein erkennen, nur im vollen Namenswichs wäre er als Großmeister erkennbar. "Prof. Dr. Albert Einstein" ist eine respektlose Anrede.
Und jetzt schauen wir uns mal diese fünf Herren an, die anscheinend nach einer Ordensverleihung für den Photographen posieren. Ein Generalmajor, ein Generalleutnant und ein weiter Generalirgendwas. Alle drei in prächtiger, uniformigster Uniform, mit Stiefeln, Dünnschiss-Hosen und ganz, ganz viel Lametta, Affenschaukel und Orden über Orden auf ihren Jäckchen. Stramm und straff und stolz auf ihren Rang stehen sie da (die Nr. 5 platzt fast im Angesicht der eigenen Bedeutung).
Ihr Chef Mielke trägt zwar auch Uniform, aber eine von der Art, die sich eigentlich weigert, wie eine solche auszusehen. Sie wirkt eher wie ein biederer zweireihiger Zivilanzug, an den ein Schneider schnell mal ein paar Uniformbestandteile drangenäht hat. Dem Kundigen ist klar, daß auch Mielke Orden trägt und zwar so viele, daß er sie nicht mehr im Original, sondern nur noch in Ordenskurzschrift anhängen hat. Er steht da, wie halt ältere, korpulentere Herren dastehen, wenn sie sich fotografieren lassen müssen. Retuschiere die paar Uniformbestandteile aus dem Anzug und Mielke sieht aus wie ein AOK-Chef irgendwo auf dem flachen Land.
Ihrer alleroberster Ober-Chef Honecker nun verzichtet auf jegliche Rangabzeichen, er trägt wirklich nichts als einen schlichten Anzug. Und er steht da, als wäre ihm das Photographiertwerden ungemein peinlich. Hätte er nicht einen Anflug von Lächeln (wirklich nur einen Anflug) auf dem Gesicht, könnte es auch ein Polizeiphoto anläßlich einer Zeugengegenüberstellung sein.
Rangabzeichen sind was für die kleinen Großen.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Wittgenstein

So wie zuzeiten der Appetit beim Essen kommt, so kommt die Erkenntnis beim Schwatzen. "Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man reden."
(nicht von Wittgenstein)

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Der Neger

Aus dem Usenet

Im Usenet, in der Gruppe de.etc.sprache.deutsch, entwickelte sich im März 2007 folgender Dialog über das Wort "Kannitverstan":

Y. S.: Obwohl ich also weiss, dass es auf afrikaans "kan nie verstaan nie" heisst, habe ich das, von J. P. Hebel bekannte "Kannitverstaan" immer nur so geschrieben gesehen.

W. H.: Der Afrikaner versteht sowieso nie nichts, vor allem der Neger und ganz besonders, wenn er weiß ist.

O. C.: Oder gar blond.

W. H.: Wenn der Neger blond ist, ist er Schwede.

O. C.: Japan ist voll von Blondinen, es fällt nur nicht so auf.

W. H.: Weil die alle schwarzhaarig sind?

Antiautoritäre Erziehung

Ich habe meine Kinder streng antiautoritär erzogen - und leicht war das nicht.
Ständig kamen sie damit daher, daß sie gesagt haben "Aber klar, lieber Herr Vater, natürlich haben der liebe Herr Vater recht und klar wird gemacht, was der liebe Herr Vater beschlossen hat." Und ich sagte, daß das hier ein antiautoritärer Haushalt sei und daß ich mir diesen devoten Ton nicht gefallen ließe und solange sie ihre Füße unter meinen Tisch steckten, hätten sie gefälligst aufsässig zu sein. Und dann bin ich mit eisernem Besen dazwischen gefahren und heute sind sie wirklich mündige Menschen. Ohne konsequente, eisenharte Strenge geht es halt nicht.

Dienstag, 30. September 2008

Sammy und Lola und der Präsident

Der "Süddeutschen Zeitung" ist sie aufgefallen, diese wirklich verblüffende Ähnlichkeit zwischen den Bildern auf der Titelseite und der Anzeige auf der letzten Seite.


Das hier sind meine zwei Mädels, d. h. sie waren es. Die rechte, die arme Lola, ist inzwischen leider gestorben.

Montag, 29. September 2008

Die Schweiz und die Niederlande

Aus dem Usenet

In der Newsgroup de.etc.sprache.deutsch stellte ich im November 2007 mal die Frage:

"Die Niederländer haben ihren Dialekt (oder genauer: einen ihrer niederdeutschen Dialekte) zur Hoch- und Schriftsprache gemacht, mit verbindlicher Rechtschreibung und Grammatik und all dem. In der Schweiz ist das ausgeblieben. Hat einer eine Idee, wieso?"

Und bekam zur Antwort: "Kleiner Tipp: Schau Dir mal die Topographie an."

Mehr kam nicht, so daß ich mir den Sinn selbst zusammenreimen mußte. Allerdings - nach meiner Erklärung müßte es mit Holland und der Schweiz eigentlich genau andersrum sein:

Die Niederlande sind flach, ständig kommen irgendwelche Deutschen über die Grenze geschlappt, weil es sich so leicht geht dort. Und sie plappern mit den Holländern und weil es so viele Deutsche sind, vergißt der Holländer, daß er eigentlich eine neue Sprache erfinden wollte.

Die Schweiz dagegen ist gebirgig, hoch gebirgig. Wer davor steht, frägt sich natürlich, ob er da wirklich reingehen will, über all diese hohen Berge. Und die Eingeborenen schauen auch nicht vertrauenerweckend aus, lauter seriöse Leute mit Schlips, die dir ein Nummernkonto aufschwatzen wollen. Bis zum Alpöhi im Oberen Emmental schafft es der Wanderer ohnehin nicht. Allenfalls der eine oder andere Wanderer, der vom Wirt an der Grenze erfährt, daß hinter der Schweiz Italien liegt, wird sich seufzend dazu entschließen, Schweizer Boden zu betreten. Und er wird schweigend und raschen Schrittes danach trachten, die Schweiz zu queren. So erfährt nie ein Schweizer, daß es sowas wie eine deutsche Sprache gibt.

Das lehrt mich die Topographie.

Sonntag, 28. September 2008

Justizreform - Strafrecht

Ich war ja mal - nicht lang, aber doch - Psychologe beim privaten Straffälligenhilfsverein Kontakt e. v. in Regensburg. Der Kollege F. hatte seinerzeit zu bedenken gegeben, daß ein Tag Gefängnis den Staat pro Gefangenen knapp 100,00 DM kosten würde. Gäbe man, so meinte er, diese 100,00 DM dem Gefangenen direkt, so müßte dieser nicht mehr zum Einbrechen gehen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Justizreform - Straßenverkehr

Bei Verkehrsverstößen ist ja gerne ein groß' Gejammere um den hinterhältigen Staat, der seine braven Bürger abzockt. Um diesem leidigen Klagen ein Ende zu bereiten, schlage ich Leibesstrafen für gröbere Verkehrsverstöße vor, zu vollstrecken nicht am Fahrer, sondern am Auto.
Jeden Samstag nachmittag zerschlägt der kommunale Henker auf einem Öffentlichen Platz mit dem großen Vorschlaghammer Teile von Autos der Delinquenten, je nach Art und Schwere des Vorstoßes: Ein Scheinwerfer, alle beide, Scheibenfenster links etc. pp. Bei Wiederholungstätern darf dann schon auch mal das ganze Auto zu Klump gehaut werden. Und: Der Delinquent muß bei der Vollstreckung des Urteils dabei sein.
Das würde reinhaun. Seine Oma schiebt man schon mal in den Backofen, ihrem Auto aber wollen die wenigsten ein Leid antun lassen.

Weisheit & Alter

Als Kind und Jugendlicher hat man mich gelehrt, die Weisheit des Alters, die Weisheit der Alten zu respektieren. Als Kind und Jugendlicher war ich mir schmerzhaft meiner Grenzen bewußt, das ging schon mit der Rechtschreibung los. Zwar wußte ich damals schon, wie man ein Wort richtig schreibt, aber ganz sicher war ich mir nie. Und ich habe den Lehrer bewundert, der ganz genau wußte, welche Schreibweise er rot anstreichen mußte und welche nicht.

Gut, mußt du warten, bis du erwachsen bist, dann bist du auch so schlau wie die Erwachsenen. Und dann mußt du warten, bis du alt bist, dann bist du auch so weise und einsichtig wie die Alten.

Jahrelang habe ich auf das Kommen dieser Weisheit gewartet und muß nun an der Schwelle zum echten und richtigen Alter erkennen, daß es wohl doch nur eine Propagandalüge war, die einst erfunden wurde, damit die Senioren vom Stamm nicht mehr erschlagen und aufgefressen wurden; was natürlich seinerseits schon wieder ein Zeichen für Weis- und Schlauheit ist und für die Einfalt der Jüngeren, die diese Story geglaubt haben.

Nun könnte ich mir zwar mit der Theorie behelfen, es sei nur bei mir so, daß die Weisheit nicht und nicht kommen will, aber wenn ich mir anschaue, was andere Leute in meinem Alter und darüber so von sich geben...

Donnerstag, 25. September 2008

Lasagne al Porno

Der Franze hat gsagt, dieses "Lasagne al Porno" solln sich die Mafiosis selber zammfressn. Wenigstens beim Essen, sagt er, will er nicht an das eine denken.

Dienstag, 23. September 2008

Früher, mei früher...

Das Seufzen über die guten alten Zeiten, die rückwärts gewandte Utopie, ist ein in der Kultur- und Sozialgeschichte sehr beliebter Topos.
In den Naturwissenschaften und der Technik verläuft ganz ohne Frage und ernsthafte Zweifel die Entwicklungslinie des menschlichen Geistes konsequent von unten nach oben. Es ist ja auch mit den Händen zu greifen. Ein modernes Auto ist einfach schneller, bequemer und überhaupts als das Auto von Carl Benz, die - immerhin schon gefederte - Kutsche der Goethezeit oder gar die ungefederte Kutsche aus noch früheren Zeiten.
Was aber nun die Geistes- und Kulturgeschichte angeht, so sieht man hier die Entwicklungslinie günstigstenfalls horizontal laufen (Donnerwetter, die haben früher aber schon genauso saustarke Stories geschrieben wie heutzutage), meistens aber sieht man sogar eine von oben nach unten verlaufende Linie: Stücke, wie sie Goethe schrieb, kann heute keiner mehr schreiben, und dem Vergleich mit Euripides und Sophokles kann seit Moliére und Shakespeare sowieso keiner mehr standhalten. Eigentlich komisch. Wieso eigentlich sollte auf dem Gebiet der Kunst kein Fortschritt - kein technischer Fortschritt, meine ich - zu beobachten sein?
Ähnliches ist im übrigen zu beobachten bei moralischen Kategorien. Seit den ersten bekannten schriftlichen Aufzeichnungen auf den babylonischen Keilschrifttafeln, seit dem Gemäre dieses unsäglichen Cato ist es ein ständig wiederkehrender Topos, daß es mit der heutigen Jugend auch nicht mehr weit her wäre, daß ein ständiger Sittenverfall zu beobachten sei.
Und selbst wenn diese Ach-wie-war-es-früher-schön-Prediger denn recht hätten, eines vergessen sie regelmäßig: Daß es nämlich sie selbst waren, welche die Welt so verändert haben, daß sie eine zu nichts mehr taugende Jugend produziert.

Montag, 22. September 2008

Zeitschiene mit Programmatik füllen

Im SPIEGEL vom Juni 2006 wurde ein gewisser Herr Schauerte zitiert: "Wir müssen jetzt unsere Zeitschiene mit Programmatik füllen." Das heißt auf Deutsch: "Wir haben keine Ahnung, was wir machen sollen. Wir haben den Rest der Legislaturperiode vor uns und wissen, daß wir irgendwas tun müssen, wissen aber nicht, was."

Zeitmaschine

Manchmal geht mir so eine Geschichte durch den Kopf: Mit einer Zeitmaschine kommt einer von heute in die späten siebziger, frühen achtziger Jahre und erzählt, wie die Welt im Jahre 2005 aussieht und was dieser oder jener von den Leuten von damals heute so macht:
An der Startbahn West auf den Fischer Joschka deuten und sagen, dies sei der künftige Außenminister, der erste, der die Bundeswehr in einen Krieg schicken wird. Oder bei einer DKP-Versammlung erzählen, daß in den Neunzigern der Krenz Egon sich eine Existenz als Unternehmensberater aufbaut. Oder daß der Schily als der toughste Marshal von Tombstone in die Geschichte des Wilden Westens eingehen wird.

Zwei Schachteln Gitanes ohne Filter

Im Tabakladen/Regensburg-Altstadt
Personen: Ich/Verkäuferin
I: Zwei Schachteln Gitanes ohne Filter bitte.
Verkäuferin nickt und dreht sich um zum Regal mit den Zigaretten. Dreht sich wieder zu mir.
V: Gitanes?
I: Gitanes.
Verkäuferin dreht sich zum Regal, über zu die Schulter zu mir.
V: Mit Filter oder ohne?
I: Ohne.
V: Wieviel?
I: Zwei.
Als Kind hatte ich mir immer gewünscht, einen Tag mal ein Depp zu sein, weil es mich unheimlich interessiert hat, wie sich das von Innen anfühlt, nichts, aber überhaupt nichts zu kapieren. Inzwischen denke ich mir manchmal, ich habe es längst geschafft, bin aber zu blöd, es zu merken.

Rauchende Tankwarte

Als ich das erste Mal nach Italien in Urlaub gefahren bin, standen an den Autobahntankstellen spätestens ab Rom die Tankwarte grundsätzlich mit brennender Zigarette am Gerät. Die Vision einer in den nächsten Minuten explodierenden Tankstelle hat mich dazu veranlaßt, entnervt weiter zu fahren, um an der nächsten Tankstelle dieselbe Situation vorzufinden. Inzwischen lebe ich seit fast neun Jahren in Italien, deutlich südlicher als Rom, und habe die Erfahrung gemacht, daß eine offensichtlich wichtige Einstellungsvoraussetzung für einen Tankwart (SB-Tankstellen gibt es hier in Süditalien nur wenige) der Umstand ist, daß er Kettenraucher sein muß. Wann immer du vorfährst, nahezu immer hat mindestens einer der beiden Tankwarte eine brennende Zigarette im Mund. Das fällt mir inzwischen kaum noch auf. An Berichte über brennende und explodierende Tankstellen in Italien kann ich mich nicht erinnern...

Heimat und Wegwerf-Maximen

Die Doppelwertigkeit (oder seine Wertlosigkeit, was dasselbe ist) des Begriffes "Heimat" bekommt der Deutsche gelegentlich zu spüren.

Wenn ein Politiker in Parlament und Nadelstreif eine Rede zur Wirtschaftspolitik hält, wird er über kurz oder lang fast zwangsläufig auch auf die Arbeitsmarktpolitik kommen. Und er wird - fast zwangsläufig - die Mobilität betonen, die in diesen Zeiten so wichtig sei. Nicht nur die berufliche Mobilität, sondern auch und nicht zuletzt die räumliche Mobilität. Wenn in Flensburg keine Schweißer mehr gebraucht werden, wohl aber in Berchtesgaden, dann könne es doch nicht zuviel verlangt sein, wenn der Herr Schweißer seine Sachen packe und samt Familie nach Berchtesgaden ziehe.

Hält derselbe Politiker in Bierzelt und Trachtenanzug dagegen eine kulturkritische Rede, wird er - fast zwangsläufig - die Bedeutung betonen, welche die Verbundenheit mit dieser Heimat für uns alle bedeutet. Beklagen wird er, daß in diesen Zeiten die eigene Heimat nicht mehr viel gilt, daß viel zu viele sich allzu bereitwillig entwurzeln ließen und jetzt wurzel- und damit ziellos in den Abgrund taumelten.

Das erste ist die Nadelstreif-Maxime, das zweite die Trachtenanzug-Rhetorik. Beides sind Wegwerf-Maximen, Maximen also von hohem moralischen Rang, die ich für eine bestimmte Argumentation in Anspruch nehme, um sie sofort anschließend wieder zu vergessen, weil sie mir bei anderer Gelegenheit schwer im Weg stehen.